Beauty Interview

Nachgefragt bei … Ulrich Lang New York

Roger Szmulewicz, Galerist, Fifty One Fine Art, Antwerpen; Foto: Erik Swain

„Die Seele aller Wesen ist ihr Duft“ – Immer und immer wieder habe ich darüber nachgedacht, wie ich die einleitenden Worte für dieses Interview beginnen könnte, um meinem Gesprächspartner annähernd gerecht werden zu können. Ungelogen, es war nicht leicht und keinesfalls wollte ich bei meiner Wortwahl reißerisch oder anwerbend klingen. Denn wenn es genau zwei Attribute gibt, die einem beim Namen Ulrich Lang definitiv nicht im Kopf herumschwirren, dann sind es wohl diese. Vielmehr hat der feinsinnige Parfümdesigner (für Menschen wie ihn ist wohl der französisch-elegante Ausdruck „créateur“ erschaffen worden) mit ULRICH LANG NEW YORK eine Duftästhetik geschaffen, die bis heute seinesgleichen sucht. Deshalb aus vollem Herzen und ganz ungeniert ein Süßkind-Zitat aus dem Roman „Das Parfum“ zur Einleitung. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich das erste Mal an meinem ersten „Lightscape“-Flakon genestelt habe und anschließend die ersten zwei Spritzer Willkommen heißen durfte. Der Duft ist mittlerweile aufgebraucht, die Treue zu ULNY aber ungebrochen. Darf ich vorstellen, Ulrich…
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ANVERS 2; Roger Szmulewicz, Galerist, Fifty One Fine Art, Antwerpen; Foto: Katy Grannan

Du stammst ursprünglich aus dem Schwabenland, heute arbeitest und lebst du in New York: Wie ist es dazu gekommen?
Aufgewachsen bin ich in Backnang, 30 Kilometer von Stuttgart entfernt. New York habe ich erstmalig noch während meiner Schulzeit besucht, da Verwandte von mir einige Jahre dort gelebt haben – anschließend hat mich die Stadt einfach nicht mehr losgelassen. Als ich mich Mitte der 1990er-Jahre nach meinem BWL-Studium beim Verlag des amerikanischen INTERVIEW MAGAZINE`s bewarb, wurde ich eingestellt und bin seitdem New York treu. Seit 1998 lebe ich in Greenwich Village, im Jahr 2002 habe ich dort auch meine Firma ULRICH LANG NEW YORK gegründet.

Womit wir schon beim richtigen Thema wären: Was fasziniert dich an Düften?
Die Tatsache, dass sie nicht fassbar sind und jeder Mensch etwas Anderes mit ihnen assoziiert! Diese Magie der Düfte, die es schafft, in uns – ähnlich wie es ein Musikstück auch schafft – eine Erinnerung an Momente hervorzurufen, und uns somit in eine vergangene Zeit transportieren kann.

Deine erste Erinnerung an einen Duft?
Damals als Kind zuhause in der Küche. Danach kann ich mich an die Düfte in der Parfümerie meiner Großmutter in Süddeutschland erinnern.
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Lightscape; Foto: Elspeth Diederix

Welchen Stellenwert hat Kunst für dich bei der Erarbeitung neuer Duftkreationen?
Bei mir gehen Duft und Kunst Hand in Hand – beide Bereiche sind meine Leidenschaft und sie bilden gemeinsam eine Symbiose in meinen Produkten. Obwohl oftmals ein bestimmter Ingredient den Ausgang bildet – wie Veilchenblatt bei „Lightscape“ –, stelle ich mir den Duft vor meinem inneren Auge immer wieder bildlich vor. Es kommt auch vor, dass ich meine Düfte mit einer Künstlerin oder einem Künstler assoziiere, die sie perfekt visualisieren könnten oder dessen Universum/ Oeuvre Inspiration für einen meiner Düfte bildet.
Ich arbeite zudem gerne mit Künstlerinnen und Künstlern zusammen, deren Werke ich besonders gerne mag oder privat sammle.

Spielt der Gedanke an Kunst dabei primär eine ästhetische Rolle?
Bei mir persönlich eher nicht. Die Gestaltung meines Packagings erfolgt ganz bewusst in Zusammenarbeit mit weniger kommerziellen Künstlern und Fotografen, weil sie dem Produkt somit eine weitere Dimension geben. Ich gebe ihnen bei der kreativen Umsetzung auch ganz bewusst freien Lauf.
Generell arbeite ich sehr gerne mit Kreativen zusammen und habe einige Parfums in Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern gemacht.

Das klingt mehr als spannend: Mit wem zum Beispiel?
Ich habe beispielsweise 2005 den Duft „Eau d’Ernest“ gemeinsam mit Daniel Bozhkov für die Biennale in Istanbul erarbeitet und 2009 „Revolution“ mit der Künstlerin Lisa Kirk – hier ist Duft sicherlich mit Kunst gleichzusetzen.

Es gibt viele bildenden Künstlerinnen und Künstler, die eine ganz andere oder sagen wir eigene Ideen davon haben, wie ein Duft riechen sollte. Sie produzieren dann limitierte Dufteditionen oder Unikate.
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Aperture; Foto: Olivia Bee

Gibt es für dich diese eine Person oder einen Künstler, der ULRICH LANG NEW YORK verkörpert?
Die Linie trägt durch und durch meine eigene Handschrift und die einzelnen Düfte spiegeln ebenfalls meinen ganz persönlichen Geschmack wieder – minimalistisch, zeitgenössisch, subtil. Zudem eher zurückhaltend und leise. Ich denke, dass ich mit meiner Arbeit vor allem Menschen anspreche, die sich mit den oben genannten Attributen identifizieren können und diese bestimmte Form der Ästhetik auch zu schätzen wissen. Deshalb achte ich auch auf eine selektive Distribution.

Klingt wohlüberlegt und durchdacht! Wie kann man sich dabei deinen Arbeitsalltag vorstellen?
Jeder einzelne Tag ist anders und vielfältig, da ich mich in meiner Firma um alles selbst kümmere: Kreation, Produktion, Marketing und Distribution. Soviel steht fest: Hier in New York ist mein Alltag schneller als anderswo…

Das kann ich mir vorstellen! Woran arbeitest du aktuell?
Momentan arbeite ich an Duft Nummer 6. Hierfür habe ich mich an einer meiner Lieblingszutaten, Zedernholz, orientiert. Es dienten zudem 40 Grad Celsius in Deutschland und die mitunter sehr minimalistischen Arbeiten eines jungen Künstlers und Fotografen als Inspirationsquelle.

Ich bin gespannt! Spielen Trends bei einer solchen Duftentwicklung auch eine Rolle?
Vielleicht unterbewusst, wobei: eher nicht.

Und wie sieht es mit der Mode aus, ist sie maßgebend im Duftbereich?
Ich finde Mode in erster Linie inspirierend, für meine Arbeit ist sie jedoch zu schnelllebig. So produziere ich ja auch nicht jede Saison einen neuen Duft – meine Linie soll auch in zehn Jahren noch von Relevanz sein.
Als Garderobe bevorzuge ich persönlich „Uniformen“ von Designern wie Alexandre Mattiussi von AMI oder agnes b.. Die beiden arbeiten auch eher klassisch und minimalistisch!

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Nightscape; Foto: Matt Licari

Wir von Horstson sind auch ganz vernarrt in die Entwürfe von AMI. Wie definierst du für dich den Begriff Luxus?
Zeit. Zeit für die Dinge zu haben, die ich gerne mache.

Dein Tipp für unsere Leser: Auf welchen Duft kann man(n) sich verlassen?
Definitiv auf „Nightscape“ von ULRICH LANG NEW YORK. Das ist der Patchouli-Duft aus meiner Linie, den ich auch selbst jeden Tag trage.

Hat sich die Bedeutung von Duft in unserer Gesellschaft verändert? Wenn ja, wofür steht er heute?
Zu deiner ersten Frage: Ich denke, dass sie dich Bedeutung von Duft ganz bestimmt im Laufe der Zeit verändert hat. Und in Anbetracht dessen, dass wir über die Duftentwicklung bis heute reden, lohnt es sich, in die Vergangenheit zu blicken: 2003 war ich einer der Pioniere auf dem Markt der unabhängigen Hersteller und ich denke, dass diese Bewegung mehr und mehr zu einem Trend geführt hat. Es wurde eine neue Individualität und Qualität im Duftbereich erkannt und apropos – diesen Trend scheinen mittlerweile auch die großen Hersteller entdeckt oder kopiert zu haben. Ein Duft für alle? Das ist passé!

„Passé“, ein mehr als gelungener Abschluss! Lass uns noch ganz kurz in die Zukunft schauen: Was kann man von dir erwarten?
Demnächst wird es einen Duft von mir geben, der durch seine Einfachheit überrascht und einen sofort in seinen Bann zieht. Wie heißt es noch so schön? All you need is less!

Vielen, vielen Dank für das tolle Gespräch!
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Links: Lightscape, Foto: Elspeth Diederix; Rechts: ANVERS, Foto: Erik Swain
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Rechts: ANVERS 2, Foto: Katy Grannan; rechts: Nightscape; Foto: Matt Licari

Allen duftversierten Leserinnen und Lesern kann ich nur wärmstens eine der tollen Kreationen aus dem Hause ULRICH LANG NEW YORK empfehlen. Also: Auf, auf ins Berliner Quartier 206, Liberty London, Barneys New York, nose Paris oder in eines der vielen anderen Geschäfte, das seine Kreationen anbietet…

  • Siegmar
    9. Oktober 2015 at 13:50

    kannte ich nicht, klingt aber interessant, werde am Samstag mal daran riechen. 🙂

  • Die Woche auf Horstson – KW 41/2015 | Horstson
    11. Oktober 2015 at 11:56

    […] Hier unser traditioneller Wochenrückblick: 1) Julian führte mit Ulrich Lang ein sehr lesenswertes Interview: Der feinsinnige Parfümdesigner hat mit ULRICH LANG NEW YORK eine Duftästhetik […]

  • Siegmar
    12. Oktober 2015 at 14:07

    toller Duft, der Preis ist nicht so toll um 98 €