Interieur

Peter’s Cuttings – Charlotte Perriand Hocker

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Bild: Cassina

Ich hatte es mir so viele Jahre schon sehr gewünscht, dass es als Neuauflage die sagenhaften Hocker von Charlotte Perriand wieder geben würde. Vereinzelt sah man in den Pariser Antiquitäten Geschäften in der Rue du Seine oder den Auktionshäusern Vintage-Exemplare.
Natürlich hatten diese einen eben so exorbitanten Preis und der Erhaltungszustand war auch sehr verschieden.
Die Formen einfach, wie an einen Melkschemel gemahnend, aus Massivholz in Ahorn, Esche oder gekälkter Eiche oder fast bäuerlich an die Stühle des achtzehnten Jahrhunderts erinnernd, die die savoyardischen Bauern verwandten mit einer Art geflochtener Strohsitzfläche.

Perriand hatte sie in den fünfziger Jahren als Standard-Möbel für verschiedene Projekte entworfen, vor allem für die Studentenstädte in Paris Cité Université und für die großen Wintersport-Chalets in Méribel, Courchevel oder Megève. Später wurden sie teilweise in brachialen Modernisierungsmaßnahmen entsorgt, weil man den „Nouvelle Chic“ der siebziger Jahre einziehen ließ. Findige Antiquitätenhändler kauften sie auf und verkauften sie mit einer enormen Wertsteigerung weiter, als Charlotte Perriand ihr Comeback Anfang der neunziger Jahre erfuhr.
Nun hat die Firma Cassina in Italien in diesem Frühjahr zwei dieser Modelle wieder aufleben lassen Méribel und Berger.
Berger ist eine flache Form, die es in den Materialien Massiv-Eiche und Wallnussholz gibt. Méribel ist eine etwas höhere Form, die es in den gleichen Materialien gibt. Zusammen oder als Gruppe wirken sie puristisch und trotz ihres Alters sehr avantgardistisch. Ideal als Zustellhocker oder auch für eine Entrée Situation, wirken sie, wie aus einer Kinderwelt entstiegen.

Hoher Material-Aufwand und perfekte europäische Verarbeitung lassen die Preise zwischen 430 Euro und 530 Euro relativ bescheiden erscheinen – immerhin handelt es sich um robuste, zu jedem Stil kombinierbare Klassiker, die nummeriert und alle von Hand gearbeitet aus den Cassina Werkstätten, sicherlich – sobald sie ein bisschen Patina ansetzten – schnell eine Wertsteigerung erfahren.
Die Pfosten – Strohhocker findet man bei gründlicher Recherche manchmal noch aus der Original Zeit bei Auktionshäusern zum etwa selben Kurs. Diese sind ideal als rustikaler Bruch in modernen Küchen oder auch für die Loggia oder Terrasse im Sommer. Vielleicht ein Anreiz sie auch mal wieder in der Zukunft zu relaunchen.
Perriand, neben Prouvé und Le Corbusier eine der Wegweiserinnen der Moderne im Zwanzigsten Jahrhundert, hat, wenn man sich mit ihr beschäftigt sehr verschiedenartige, teilweise von Japan inspirierte Designs gemacht und ihre Bücherborde und vor allem ihre Tische gelangten zu Weltruhm. Außerdem entwickelte sie am Anfang ihrer Karriere gemeinsam mit Le Corbusier die berühmte Liege und diverse andere Möbelstücke für den Architekten.
In Deutschland denkt man bei modernen Klassikern natürlich in erster Linie an das Bauhaus oder auch an Charles Eames oder Mies van der Rohe. Langsam aber sicher schwappt nun auch der Ruf des Zeitlosen und exorbitant schönen Perriand Designs nach Deutschland über. Vielleicht kann ein reeditierter Hocker von Cassina da ein wunderbarer Anfang sein…

  • Martin
    30. April 2012 at 09:22

    Na dann hoffen wir mal das die Antiquariate nicht auch die Neuauflage für Ihre Wertsteigerung aufkaufen..

    look-scout.blogspot.com/

  • Monsieur_Didier
    30. April 2012 at 09:49

    …schöne Hocker, wobei mir das Pfosten – Strohhocker – Modell am besten gefällt…
    meine Großmutter hatte in ihrem Schlafzimmer einen Stugl mit Armlehnen und eben einem solchen Strohsitz stehen, der war von Anfang der 50er…
    wenn ich an diesen Stuhl denke, wird mir immer ganz warm ums Herz…
    solche Möbel sind für mich ein Stück Geborgenheit und Kindheit…

  • blomquist
    30. April 2012 at 10:23

    Oh wow-
    die sind toll!

  • Siegmar
    30. April 2012 at 10:56

    @ Peter Kempe
    ich finde die Arbeiten von Charlotte Perriand oft wenig beachtet, sie hat wunderbare Dinge aus Bambus gemacht und die Hocker sind einfach ganz wunderbar und sicherlich bald bei Kuball & Kempe im Laden zu finden.

    wie immer ein schöner u. interessanter Artikel lieber Peter ! 🙂

  • Horst
    30. April 2012 at 13:29

    Gefällt bis auf den Preis…. Würde ich als Beistelltischchen nehmen…! 🙂

  • Monsieur_Didier
    30. April 2012 at 15:14

    …stimmt, der Preis ist schon sehr hoch…
    aber wunderbares Design in einer hochwertigen Verarbeitung mit ausgesuchtem Material hat leider seinen Preis…
    als ich vor ein paar Jahren meinen Eames-Lounge Chair kaufte habe ich lange gezögert, aber die Verarbeitung und das Wohlfühlgefühl, wenn ich in ihm Platz nehme entschädigten mich unendliche Male …
    ich habe es NIE bereut…
    solche Dinge begleiten einen das witere Leben…
    eine Investition mit Zukunft…

  • Siegmar
    30. April 2012 at 15:23

    @ Monsieur Didier

    Eams-Lounge-Chair, sehr gute Entscheidung und wirklich der wird immer mit dir sein, einer meiner Favoriten.