Handwerk

Louis Vuitton sur mesure – Zurück zu den Wurzeln

Manchmal muss man eine Lupe nehmen, ähnlich wie die Lupe, mit der das gallische Dorf von Asterix betrachtet wird, um das Herz einer Marke zu finden, die global agiert und rund um den Erdball vertreten ist. Viele Geschäfte mal groß, mal noch größer, stets umringt von den Kunden aus vielen Nationen, die alle die Objekte ihrer Begierde erwerben wollen.
Louis Vuitton trägt den Namen eines Mannes, der viele Träume hatte und ein Kofferpacker war; der bei seiner Arbeit feststellte, dass die Zeiten sich veränderten und das sich durch aufkommende moderner Verkehrsmittel, wie der Eisenbahn, sich die Bedürfnisse der Reisenden total veränderten.
Er war ein Erfinder, Tüftler und Avantgardist, hatte eine Vision, die heute klein wie ein Sandkorn erscheint, wenn man die Aktivitäten der Firma, die seinen Namen trägt, beobachtet. Aber für ihn war dieses Sandkorn so groß wie ein Findling, als er ins Bon Marché ging, um sich eine neue Hose zu kaufen, in der er um die Hand seiner Frau bei seinem zukünftigem Schwiegervater anhalten wollte.
„Alte Geschichten“ wird mancher denken, aber genau um diese Vision geht es, das Sandkorn existiert auch heute noch und sitzt genau in der Seele eines jeden Handwerkers, der in den Spezial-Anfertigungs Ateliers von Vuitton in der Rue du Congrès in Asnieres arbeitet.

1859 wuchs Paris immer mehr an und Baron Hausmann baute die ganze Stadt mit seinen Boulevards um, öffnete sie dem steigenden Verkehr und Vuitton beschloss, seine Werkstätten vom Laden in der Rue de Scribe auszulagern und zu professionalisieren.
Modern sollte es werden und im (heute in Paris liegenden) Asnières-sur-Seine schien alles ideal. Gut per Bahn zu erreichen, bot das 4.500 m² große Grundstück alles was er brauchte, um seine festen Koffer zu produzieren.
Das Pappelholz konnte über die Seine geschifft angeliefert werden und es gab Platz für die Metallwerkstätten. Eine radikal moderne, luftig-verglaste Manufaktur wurde von den jungen Architekten Labrouste und Baltard gebaut. Später zog auch das Privathaus auf das Gelände – in ein Gebäude, das im Jugendstil erbaut ziemlich seiner Zeit voraus war. Voraus waren die Vuittons in allen Bereichen und das spürt man heute noch, wenn man das Gelände betritt.

Hat man einen Spezialwunsch, braucht einen Koffer der etwas besonderes verwahren oder transportieren soll oder braucht man, wie in meinem Fall, besondere Mappen, die zur Präsentation dienen sollen, startet der Weg dieser Special Commandes nach Asnieres aus irgendeiner der Louis Vuitton Boutiquen rund um den Globus.
Die Commande macht sich auf den Weg, in die ‚Couture Ateliers‘ des Gepäcks. Natürlich werden hier auch Künstler-Kooperationen, wie mit Damien Hirst, oder Prototypen gefertigt, aber in erster Linie kommen die Spezial-Aufträge und die Restaurierungen von historischen Stücken (auch ein 140 Jahre altes Stück wird hier wieder liebevoll einer Erholungskur unterzogen) und Stücke die darauf warten, dass die Handwerker eine technische oder handwerkliche Lösung des Problems finden, hier auf die Werkbänke.

Asnieres ist wie eine Wunderkammer des Handwerks und trotz technischer Hilfsmittel unserer Zeit atmet es genau den Geist den Vuitton in seiner gestreiften Hose dort verbreitete.
Pappelholz, heute nicht mehr über die Seine kommend, liegt genau noch so da wie duftendes Naturleder. Die Kanten (das sogenannte Lozine, eine spektakuläre Neuerfindung von Louis Vuitton) wird noch immer hier gedreht, gepresst und geprägt. Das Zinkblech und die Schlosserei macht noch immer die patentierten Schlösser, die höchst komplizierte Mechanismen haben.

Von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz, hinter den an die Konstruktionen Eiffels erinnernden Eisen-Glasfassaden wandern die Werkstücke, überall blitzt das Messing der tausenden Nieten auf, es riecht nach Leim und ein bisschen nach Fernweh. Eigentlich beginnt das Reisen der Koffer hier… Früher wurden sie auf Pferdewagen geladen oder mit der Güterbahn verschickt. Die meisten in die Rue de Scribe, nach Nizza oder London – dort gab es die ersten Filialen, denn Vuitton dachte sich, er muss dort hin wo die Menschen besonders reiselustig sind.
Heute gehen die Kreationen in alle Welt und man bekommt irgendwann nach langer Zeit einen Anruf, dass die Special Commande fertig ist. Aber Vorfreude ist ja bekanntlich die größte Freude und der wahre Luxus unserer Zeit in der alles verfügbar ist; Handwerker, die sich für einen Zeit nehmen und Lösungen suchen.

Der Geist und das Herz von Louis Vuitton gibt es – es liegt an der Seine in Asnieres und was heute wie ein Koloss erscheint, passt immer auf das Sandkorn in Asnieres auf, denn ohne dieses würde sein Zauber nicht funktionieren – denn dort sind seine Handwerker und die Reiselust Zuhause; „Ohne Tradition und Handwerk keine Zukunft“ – das steht dort auf einem Schild über einer Werkbank. Da würde sich der alte Monsieur Vuitton bestimmt freuen wenn er das lesen würde…

  • Volker
    19. Juli 2012 at 13:01

    Gefällt! Längst fällig geworden auf die handwerkliche Geschichte von Vuitton hinzuweisen. Toller Bericht, gerne gelesen!

  • Renate
    19. Juli 2012 at 14:38

    Es war wieder eine große Freude deinen Artikel zu lesen!

  • thomasH
    19. Juli 2012 at 14:43

    ob die leute, die in 30 meter langen schlangen vor den lv-geschäften in paris und london auf einlaß warten, davon etwas wissen? aber sie spüren davon wohl ein bißchen. sonst würden sie nicht so geduldig anstehen, um vierstellig euros und pfund ausgeben zu dürfen. der louis ist ein phänomen!

  • Siegmar
    19. Juli 2012 at 14:51

    das sind die Artikel die ich so mag, wunderbar

  • Monsieur_Didier
    19. Juli 2012 at 17:14

    …DANKE werter Peter, für einen weiteren fantastischen Artikel von Dir…!

  • Horstson » Blog Archiv » Die Woche auf Horstson
    22. Juli 2012 at 15:34

    […] Louis Vuitton im Pariser Stadtteil Asnieres, in der die Sonderanfertigungen von Kunden entstehen, berichtete Peter am Donnerstag. 6) Es wird Zeit das sich Jeremy Scott anderen Aufgaben zuwendet. Denn die Kollektionen für […]