Haute Couture

Die Leichtigkeit des Seins – Chanel Haute Couture Frühling-Sommer 2021

Chanel Haute Couture Frühling-Sommer 2021; Bild: Anton Corbijn

Die Chanel Haute Couture wurde am Dienstag weltweit virtuell übertragen. Stattgefunden hat die Präsentation im Grand Palais in Paris, dem traditionellen Platz seit Jahren. Es war eine der letzten Chancen, dort zu inszenieren, bevor das spektakuläre Ausstellungsgebäude langfristig saniert wird.
Im Moment ist alles anders und so entschloss sich Virginie Viard zu einem optimistischen Konzept, das trotzdem intim und romantisch wirkt und sicherlich die Sehnsüchte nicht nur der Haute-Couture-Kundinnen widerspiegelt. Zusammengefasst wurde die Modenschau in einem Film von Anton Corbijn, der auch die künstlerische Gestaltung der Einladung und die begleitenden Fotos machte. Die Looks, inszeniert in dem von Jacques Grange neu gestaltetem Haute-Couture-Salon in der Rue Cambon, wirken wie die Bilder eines Familienfotoalbums. Momentaufnahmen voller Fröhlichkeit aus der Chanel-Familie.

Chanel Haute Couture Frühling-Sommer 2021; Bild: Anton Corbijn

„Ich wusste, dass wir keine große Show organisieren konnten, dass wir etwas anderes erfinden mussten, also kam mir die Idee einer kleinen Gruppe, die die Treppe des Grand Palais herunterkommen und unter Blumenbögen hindurchgehen würde. Wie eine Familienfeier, eine Hochzeit… “, erklärte Virginie Viard und nimmt das als Leitbild für die Konzeption ihrer Haute-Couture-Kollektion Frühling-Sommer 2021. Die Chanel-Designerin, die schon so lange Erfahrung hat und als Mensch mit beiden Beinen im Leben steht, reagiert feinsinnig auf die gesellschaftlichen Veränderungen und gibt der Haute Couture ein neues, tragbares Bild, das trotzdem zum Träumen anregt und schlichter auf den ersten Blick, jedoch im Detail und Handwerk raffiniert und perfekt die Codes Gabrielle Chanels umsetzt. Jedoch mit den Augen einer Frau von 2021.

Chanel Haute Couture Frühling-Sommer 2021; Bild: Anton Corbijn

„Ich denke immer darüber nach, was Frauen heute in ihrer Garderobe haben möchten“, konstatiert Virginie Viard und dabei sind natürlich in Ausführung und Klasse die Bedürfnisse von Frauen, die Prêt-à-porter kaufen, gar nicht so unterschiedlich in den Grundsätzen. Heute haben sich auch die Haute-Couture-Kundinnen verändert und sind jünger, selbstbewusster und berufstätiger geworden. Während es früher mehr um Repräsentation, Gesellschaft und um den Erfolg des Mannes an seiner Seite zu schmücken ging, kaufen heute die Kundinnen auch in der Klasse von Garderobe ihre Kleidung selbst.
Der Luxus von Haute Couture liegt nämlich nicht nur in spektakulären Looks & Roben, sondern in der Wirkung nach innen. Haute Couture ist nach Maß gefertigt und umhüllt seine Trägerinnen durch seine Materialien und Perfektion wie ein Kokon des Wohlfühlens. Genau das spiegelt diese Saison wider. So kann man sich viele der Looks dieser Kollektion als tägliche Begleiter vorstellen, so selbstverständlich wirken sie, nur sind sie natürlich kostbar veredelt und werden so noch mehr zu Lebensstücken.

Virginie Viard hat eine klare Linie, sie versucht sich nicht bei jeder Zielgruppe anzubiedern, sondern erinnert daran, dass Mode eigentlich schmeichelhaft, lässig und schön sein soll. Ein Grund, das Frauen Chanel kaufen, um genau diesen von Gabrielle Chanel eingeführten und geprägten Stil, der ihre Persönlichkeit unterstreicht, zum ihrigen zu machen. Das zeitlose Rezept, auch bei der Fortsetzung und Weiterentwicklung der Herangehensweise von Karl Lagerfeld: „Chic ohne Schock, lieber durch Raffinesse und Humor im Detail der Codes sich kontinuierlich weiter entwickeln“. Feminin und doch stilvoll ist Chanel niemals obszön oder versucht durch oberflächliche Effekte zu beeindrucken. Das hat schon Mademoiselle anderen überlassen und auch die Linien bei Lagerfeld spielten immer mit Assoziationen, die nicht die Provokation des Hässlichen betonten. So entführt uns auch Viard in die Manege aus Blumenbögen zum Soundtrack von Michel Gaubert, symbolisch umstellt mit den goldenen Napoleon-III.-Stühlen, die traditionell in den Salons der Haute-Couture-Häuser von jeher dem Publikum Platz bieten. Jeweils eine weiße Rose darauf, wo normalerweise die Journalisten und Besucher aus aller Welt der Chanel-Schau folgen.

Nur die Freunde des Hauses und Botschafterinnen sitzen locker verteilt in schwarzen Tailleurs und Kostümen symbolisch um die Kollektion zu begleiten: Charlotte Casiraghi, Vanessa Paradis, Penelope Cruz und Marion Cotillard vertreten die Frauen, die exakt mit ihrer Eleganz und ihrem persönlichen Stil die Chanel-Frau symbolisieren.
Für Virginie Viard und ihr Team sind diese Frauen enorm wichtig. Sie liebt die Einflüsse aus ihrer Umgebung und arbeitet gern mit ihren lebendigen Inspirationen: „Ich liebe große Familientreffen, wenn alle Generationen zusammenkommen. Es ist so warm. Heute herrscht bei Chanel dieser Geist. Weil Chanel auch wie eine Familie ist„, wie Viard erklärt. Ein Geist, der wohltuend die gemeinschaftliche Evolution und die Weiterentwicklung des Stils Chanel beeinflusst. „Ich wollte die Modelle für Familienfotos zusammenbringen, wie man sie in Fotoalben sieht.“

Diese Idee des Tanzes, der Freiheit und der Sommerabendpartys wird durch Couture, die aber easy going zu tragen ist, symbolisiert. Hosenanzüge, deren ärmellose Jacken von Herrenwesten inspiriert sind, in Tweed mit gerade geschnittenen, bequemen Hosen sind die neue Variante des Chanel-Kostüms. Zusätzlich besticht ein weißes Tweed-Kleid, das in seiner Schlichtheit mit tief angesetzter Hüftlinie die neue Chanel-Frau auf den Punkt bringt. Robe-de-Style-Silhouetten mit Kuppel-Röcken und aufgesetzten transparenten Taschen wirken lässig und gleichzeitig elegant. Romantik und Schlichtheit vereinigen sich auf romantische und trotzdem klare Art.
Schwingende Petticoats besetzt mit Schichten von Volants aus Crêpe-Georgette, dazu pure, weiße Blusen. Der Haute-Couture-Farbpalette Chanels bleibt Virginie Viard treu. Neben Schwarz und Weiß, Pfirsich, Blassrosa und Bleu eher pastellig sowie feminin. Pailletten, Spitze, luftige Stickereien sind die bevorzugten Elemente ihrer Haute Couture. Dazu zweifarbige Mary-Jane-Schuhen mit einem Doppelriemen im Stil der Schuhe, die von Tangotänzern getragen werden, oder Stiefeletten mit Keilabsatz, die mit einem feinen goldenen, quiltartigen Gitter verziert sind. Ein langer, abnehmbarer Spitzenrock aus weißen Gänseblümchen, der die Beine zeigt, wird offen über einem Kleid aus derselben Spitze mit angesetztem Cape getragen. Handwerk pur – in jedem einzelnen Modell.

Die Maisons-d’Art-Partner des Hauses Chanel waren an der Anfertigung der zweiunddreißig Looks der Kollektion gemeinsam mit den Ateliers Tailleur und Flou in der Rue Cambon beteiligt. Das Montex Atelier fertigte das bestickte Makramee eines langen Kleides aus perlgrauem Tüll an. Zarte Federn des Hauses Lemarié die Organza-Volants eines kleinen Kleides aus schwarzem Tweed umspielen.


Chanel Haute Couture Frühling-Sommer 2021; Bild: Chanel

Die Braut erinnert ein bisschen an Foto aus den 1920er-Jahren von Edward Steichen, mit ihrem Schleier, ihrem langen Kleid aus Ecru-Satin-Crêpe, bestickt von Lesage, mit Strass- und Perlenschmetterlingen versehen, mit einem Flügelkragen und Hemdmanschetten. Der weiße Schimmel, der symbolisch an der Longe gehalten wird, erinnert ein bisschen an „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ und wird von einem bezopften Mann hereingeführt – dem einzigen männlichen Wesen des Settings. Wer würde sich in dieser Zeit die Zaubernüsse nicht wünschen, doch schon die Kollektion verführt zu einem optimistischen Lächeln. Virginie Viard schafft es, die Balance von zeitgemäßer Haute Couture, der Nicht-Übertreibung und den Chanel-Codes perfekt zu vereinigen.

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  • Markus E. Brunner
    29. Januar 2021 at 16:33

    Chanel’s neue Leichtigkeit- tres bien

  • Elke Kempe
    29. Januar 2021 at 22:22

    Danke Du hast es auf den Punkt gebracht!!

  • paule
    30. Januar 2021 at 12:27

    es ist eine ganz traurige sache mit diesen shows. es kommt kein gefühl mehr auf. ich schaue es mir nicht mehr gerne an. egal, wie schön die sachen sind. es fehlt das leben. es ist traurig und gruselig. so, wie im moment das meiste ist. unser leben ist wie die erste staffel einer gruseligen netflix-serie und wir wissen nicht, wie die zweite staffel aussieht. wo sind die mensche, die die sachen tragen? zu welchem anlass werden sie getragen? alles traurig.

  • Peter Kempe
    30. Januar 2021 at 17:43

    @paule Grundsätzlich geb ich dir total Recht ! Wie vieles wirkt im Moment alles so furchtbar weit entfernt und es wirkt alles nicht anfassbar und man fragt sich werde ich je wieder solche Dinge benutzen. Aber die Geschichte lehrt uns das Krisen trotzdem immer Kreativität hervorgebracht haben. Das zeichnet sich besonders immer danach ab. Nicht umsonst ist nach dem 1 Weltkrieg das Bauhaus gegründet und die Welt hat sich abrupt stilistisch verändert. Vielleicht stehen wir ja genau vor so einem Umbruch.

  • paule
    30. Januar 2021 at 20:49

    @peter kempe

    das wäre zu hoffen!