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Was ich niemals hergeben würde – Oder: was der russische Zar auf meinem Schreibtisch macht.

Es gibt Gegenstände, die immer bei einem sind und die man nie hergeben würde. Man kann sie als Lieblingsstücke oder auch Lebensstücke bezeichnen.
Seit nun mehr zwanzig Jahren begleitet mich ein Becher, der eine schaurig schöne Geschichte hat und den Schreibtisch von vielen bedeutenden Persönlichkeiten ziert. Jaque Grange hat einen, Jackie Kennedy hatte einen, der Herzog von Windsor, die Königin von England und viele andere mehr. Es ist ein Stiftebecher der aus einfachem Blech ist und mit bunter Emaille bedruckt ist. Fast alle sind ein bisschen abgestoßen – das liegt an zwei Gründen: Zum Einen sind die Becher von 1896 und zum anderen das die Russen, wenn sie getrunken haben die Gläser oder Becher hinter sich werfen.

Gemacht wurden sie als Erinnerung an die Krönung des letzten Zaren von Russland Nikolaus II. und seiner Frau Alexandra Feodorowna eine gebürtige Deutsche aus dem Hause Hessen, aus einem damals super modernen und gerade erfundenen Material Emaille. Die Becher sollten vom Krönungszug aus verkauft bzw. an das Volk verteilt werden und zwar auf einer großen Festwiese in Moskau, wo die Krönung stattfand: Das sogenannte Khodynka-Feld auf dem sonst militärische Übungen stattfanden.
 
Nun hatte sich aber unter den Moskauer Bürgern das Gerücht verbreitet, dass in einem der Becher ein goldenes Fünf-Rubel-Stück liegt (für 50 Rubel konnte man einen Bauernhof von stattlicher Größe kaufen) und mehr als 300.000 Menschen kamen am 18.Mai zu dem Fest. Es brach eine Massenpanik aus und mehr als 1000 Leute wurden verletzt oder tot getrampelt. Deswegen nannten die Russen den Becher ‚Cup of Sorrows‘ und das Ereignis galt als schlechtes Omen für den neuen Zar. Sein Schicksal besiegelte sich dann 1918 als er und seine Kinder ermordet wurden von den roten Revolutionären. Viele der Becher gingen verloren, kaputt oder wurden durch die russische Revolution über den Erdball verstreut durch die Emigranten. Manchmal tauchen welche in New York oder Paris auf. Selten sieht man auch Angebote aus Finnland oder Australien.

Merkwürdigerweise wurden sie schon immer gerne als Stifteköcher benutzt Helene de Lazareff die berühmteste Elle-Chefredakteurin und enge Freundin von Chanel ist auf einem Photo damit verewigt:

Ich wollte immer schon einen solchen Becher haben und vor über zwanzig Jahren dachte ich auf einem kleinen Flohmarkt ich traue meinen Augen nicht: Ein Coronation Cup stand ganz plötzlich vor mir – für 20 Mark nahm ich ihn mit und egal wo ich mich bis heute aufgehalten habe oder schreibe – er steht immer neben mir. Mittlerweile hat Thomas einen von mir bekommen und trotz seiner schaurigen Geschichte bringt er mir totales Glück und wird mich bis an mein Lebensende begleiten, mit seiner fröhlich bunten Emaille und seiner herrschaftlichen Ausstrahlung einer seit vielen Jahren untergegangenen Welt der russischen Zaren, die ein Sechstel der Menschheit regierten.

  • Jan
    12. November 2010 at 18:00

    Ich würde gerne einmal in deine Wohnung schauen!

  • Daisydora
    12. November 2010 at 19:44

    Ich hab gar keinen Stiftebecher, erst recht keinen solchen historischen und schönen. Man merkt daran auch, dass du einer der Stilgurus von K&K bist 🙂

  • peter kempe
    13. November 2010 at 10:09

    @jan
    kein problem kannst gerne bei mir gucken kommen wirst aber enttäuscht sein meine wohnung ist 55 quadratmeter groß und alles ist vom flohmarkt aber denke mir das ein oder andere könnte dich interessiern:-))

  • Jan
    13. November 2010 at 11:36

    @peter kempe und das ist das was Euch so sympathisch macht. Trotz Modezirkus auf dem Teppich zu bleiben und Abends in einer kleinen Wohnung das Licht auszumachen. Weiter so!