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Toni Kroos in GQ: Wenig Pride inside

(GQ Cover; Bild: © Anne Wilk/Broadview TV für GQ Germany)

Wir schreiben das Jahr 2020, auf der gesamten Welt geht es drunter und drüber, Regierungschefs haben zwar für ihre eigenen Karrieren einen guten aber für das Volk kaum einen Plan, Jugendliche und gut ausgebildete junge Erwachsene bekommen keine Jobs, schon gar keine gerecht bezahlten, von der Rezession ganz zu schweigen und ein Präsident in Amerika hat nichts Wichtigeres zu tun, als sein hässlichstes Gesicht zu zeigen.

Ich habe noch nie verstanden, was jemand dagegen haben könnte, wenn Menschen – ganz gleich welchen Geschlechts – Sex miteinander haben. Man ist ja erstens diskret, hat zweitens eine normale Erziehung genossen und interessiert sich drittens ohnehin nicht für den Sex fremder Leute.
Das sieht nicht jeder so: Gewalt gegen Homosexuelle ist wieder an der Tagesordnung. Doch es gibt jede Menge Initiativen. Gerade im Pride-Monat überschlagen sich die News: Seien es spezielle Kollektion, die den Regenbogen in den Vordergrund rücken, oder natürlich die CSD-Paraden, die Corona-bedingt in diesem Jahr leider ausfallen werden.

Für die aktuelle Ausgabe von GQ Gentlemen’s Quarterly ließen sich die Verantwortlichen nicht lumpen und riefen die Kampagne #PrideInside ins Leben, die einen LGBTQ-Themenschwerpunkt beinhaltet. Das finde ich eine gute, weil wichtige Entscheidung. Worüber ich aber gestolpert bin: Im Interview spricht Toni Kroos darüber, was ihn am Fußball-Business am meisten stört, ob die Pandemie den Fußball nachhaltig beeinflusst, über sein Karriere-Ende und Outing in der Fußballbranche: “Mein gesunder Menschenverstand sagt mir natürlich, dass das im 21. Jahrhundert jeder frei ausleben sollte. Ich weiß aber nicht, ob ich jemandem raten würde, sich als Aktiver zu outen. Auf dem Platz wird ja manchmal mit gewissen Wörtern um sich geworfen, und bei den Emotionen der Fans im Stadion könnte ich nicht dafür garantieren, dass derjenige nicht doch abgewertet und beschimpft wird. Das sollte nicht der Fall sein, und der Profi, der sich outet, hätte auch bestimmt viel Unterstützung von allen Seiten, ob das aber in einem Stadion voller gegnerischer Fans auch der Fall ist, bezweifle ich. Ob das alles für einen Spieler, der sich outet, eher Vor- oder Nachteil ist, muss man persönlich entscheiden. Aber ein durchgehender Vorteil wäre es, glaube ich, auch heute noch nicht.”

Da frage ich mich, ob man nicht einen Menschen auf’s Cover eines Magazins, das den Themenschwerpunkt LGBTQ hat, hätte nehmen können, der Mut macht, statt Fußballspielern abzuraten, sich zu outen. Auch finde ich es befremdlich, dass verbale Gewalt runtergespielt wird, schließlich wird nun mal manchmal mit gewissen Wörtern um sich geworfen. „Schwule Sau“, „Schwuchtel“ oder welche Worte Toni Kroos vielleicht im Sinn hatte, als er sich so ungelenk ausgedrückt hat, werden mit hochkochenden Emotionen gerechtfertigt. Das ist der falsche Weg und ich wundere mich, wie die GQ solchen Meinungen eine Plattform bieten kann.
Vielmehr gilt es – heute, genauso wie gestern und morgen – die Leute anzuklagen, die Menschen beleidigen, abwerten und beschimpfen – ganz gleich, ob auf dem Platz oder anderswo. Und genau diese Aussage hätte ich mir gewünscht, und nicht nur in einem Magazin, auf dem werbewirksam #PrideInside gedruckt steht. So viel Pride scheint es ja nicht zu sein …

  • Heike
    5. Juni 2020 at 10:38

    Das Cover kommt insgesamt sehr retro rüber, könnte aus den 50ern stammen!

  • Manfred
    5. Juni 2020 at 10:59

    Nicht nur das Cover könnte aus den 50ern stammen.

  • fred
    5. Juni 2020 at 23:00

    „Jugendliche und gut ausgebildete junge Erwachsene bekommen
    keine Jobs, schon gar keine gerecht bezahlten…“

    Warum wird bei Jobs immer von jungen Leuten gesprochen?
    Es gibt auch Leute in der Lebensmitte, die Jobs suchen oder
    sich verändern wollen (ich zum Beispiel). Die finden auch nichts
    im Moment. Aber das zählt ja nicht. Altersbashing. Und wir
    schreiben das Jahr 2020.
    An der Uni, an der ich mich beworben habe, werden Menschen
    ab 55 aus NC Studiengängen ausgeschlossen. Schon bei der
    Online-Bewerbung. Die Welt ist in Aufruhr. Aber soweit sind wir
    noch nicht, dass es Gleichheit für alle Altersstufen gibt.

  • Stephanberlin
    7. Juni 2020 at 01:08

    GQ versucht halt schon seit Jahren, Fußballfans und Schwule unter einen Hut zu kriegen,
    das ewige Dilemma…

  • Hannes
    8. Juni 2020 at 00:13

    Mir stellt sich weiterhin die Frage, wie relevant die deutsche GQ (noch) ist und welche Zielgruppe sie eigentlich bedient? Ich gehöre auf jeden Fall schon seit Jahren nicht mehr dazu.

  • Stephanberlin
    8. Juni 2020 at 09:45

    @Hannes Ich glaube, die Zielgruppe sind Türken, Araber, Libanesen. Das sind auch die, die im KaDeWe 800 Euro Sneaker kaufen und mattschwarze Lamborghinis fahren.

  • Horst
    8. Juni 2020 at 10:49

    @Stephan und Hannes
    Also offiziell lässt sich die Zielgruppe wie folgt definieren:
    Der GQ-Leser ist…
    – 24-45 Jahre alt
    – Performer und Selbstoptimierer
    – open minded & interessiert an Neuem
    – urban (als Lebensgefühl)
    – well-educated
    – mitten im Berufsleben
    – begeisterungsfähig für schöne Dinge
    (Produkte und Erlebnisse)
    https://www.condenast.de/files/2020-05/gq-3600-long-2-.pdf

    😉

  • Gerd
    8. Juni 2020 at 20:06

    könntest Du das, für einen alten, weißen Mann, bitte in meine Muttersprache
    übersetzen ?

  • Hannes
    9. Juni 2020 at 09:04

    @Horst Das beschreibt die Leserschaft, welche die GQ gerne hätte. Aber wer liest sie tatsächlich? Und vielleicht wären ihre LGBTQ Bemühungen etwas glaubwürdiger, wenn sie zwei sich küssende performende Selbstoptimierer auf dem Cover abgebildet hätten und nicht den Inbegriff des heteronormativen deutschen Reckens.