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RIEHENER RICHTFEST

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Fondation Beyeler, erbaut von Renzo Piano
 Foto: Mark Niedermann

Bezahlbare Bildungsreise gefällig?! Die Fondation Beyeler ruft zur bislang größten schweizerischen Ausstellung von Gerhard Richter nach Basel/Riehen. Gezeigt werden, neben bekannten Einzelwerken, vor allem Räume, Serien und Zyklen aus den verschiedenen Schaffensperioden des Künstlers. Versierte Leser werden jetzt kritisch beäugen, ob ich mit den richtigen Worten das Werk des „wichtigsten Künstlers der Gegenwart“ (ich berufe mich hierbei auf die ehrfurchtsvollen Worte meiner Kunstlehrerin) beschreibe, anderen genügt vielleicht eher eine knappe Zusammenfassung der Pressemitteilung: „Gerhard Richter gehört zu den bedeutendsten Künstlern unserer Zeit. In den sechziger Jahren seiner künstlerischen Tätigkeit hat er ein Œuvre hervorgebracht, das sich durch thematische und stilistische Vielfalt auszeichnet“ (Hans-Ulrich Obrist). Ich persönlich verbinde abstrakte Kunst, die Düsseldorfer Kunstakademie und wolkenverhüllte Eisberge mit ihm und habe mir fest vorgenommen, das Wort Œuvre in meinen aktiven Wortschatz einfließen zu lassen …
Iceberg in Mist / Eisberg im Nebel
Gerhard Richter; „Eisberg im Nebel“, 1982; Öl auf Leinwand, 70 cm x 100 cm; The Doris and Donald Fisher Collection; © 2014 Gerhard Richter

Mit Sack und Pack (überfüllte Koffer wurden mir wortwörtlich, noch bevor ich sprechen konnte, in die Wiege gelegt) haben meine Eltern uns Kindern regelmäßig vor der Autobahnausfahrt von Riehen ein wegweisendes Ultimatum gestellt: entweder es wird auf den Hund aufgepasst, man sorgt für das leibliche Wohl im Migros und bewacht dabei das im Halteverbot stehende Auto oder aber das Museum ruft. Letzteres bedeutete, neben Deutungsansätzen der Erziehungsberechtigten, vor allem eine tiefe Verbundenheit mit den Sitzmöglichkeiten der Hauptausstellungsräume. Gezeigte Kunst blieb dabei allenfalls im Kurzzeitgedächtnis haften, Gerhard Richter interessierte mich damals nicht mal ansatzweise. Die gleichermaßen absehbare und gefährliche Fangfrage „Was hat dir am Besten gefallen?“ wurde jahresübergreifend mit einem pfeilschnellen „Seerosen“ beantwortet. Galt es doch als Kinderspiel, Monets überdimensionalen Schinken aus der Dauerausstellung im Kopf zu behalten. Heute erzähle ich diese Geschichten meinem Partner, lache dabei so laut, dass andere Besucher irritiert aufschauen und ziehe eine durchweg positive Bilanz aus meiner persönlichen Kindheits-Kunst-Konfrontation.
Bach (1) / Bach (1)
Gerhard Richter; „Bach (1)“, 1992; Öl auf Leinwand, 300 cm x 300 cm; Moderna Museet, Stockholm, erworben mit einem Beitrag von Moderna Museet Vänner, 1994 © 2014 Gerhard Richter

Das Interesse ist mit den Jahren gewachsen und statt den Räumlichkeiten steht heute überwiegend das Gezeigte im Fokus meiner Betrachtung. Gerhard Richter greift im Rahmen seiner Ausstellungen immer wieder das wechselseitige Verhältnis von Bild und Raum auf und setzt es in einen neuen Kontext. Utopische und reale Ausstellungsräume werden auf diese Weise erschaffen und bieten Platz für mehrteilige Gemälde und Serien früherer Arbeiten. So kann es vorkommen, dass man relativ unbeeindruckt vor den Portraits weiblicher Mordopfer (Acht Lernschwestern, 1966) steht und ohne Hintergrundinformation keinerlei Verbindung zu dem eigentlichen Zusammenhang aufbaut. Dass es sich hierbei in Wirklichkeit um Zeitungsaufnahmen zur Aufklärung von Verbrechen handelt, bleibt auf den ersten Blick unerkannt.
Betty / Betty
Gerhard Richter; „Betty“, 1988; Öl auf Leinwand, 102 cm x 72 cm; Saint Louis Art Museum, Funds given by Mr. and Mrs. R. Crosby Kemper Jr. through the Crosby Kemper Foundations, The Arthur and Helen Baer Charitable Foundation, Mr. and Mrs. Van-Lear Black III, Anabeth Calkins and John Weil, Mr. and Mrs. Gary Wolff, the Honorable and Mrs. Thomas F. Eagleton; Museum Purchase, Dr. and Mrs. Harold J. Joseph, and Mrs. Edward Mallinckrodt, by exchange © 2014 Gerhard Richter

Richters ästhetische Wahrnehmungshorizonte (noch so ein Wort, das ich häufiger benutzen sollte) umfassen oftmals auch Ebenen von Glas- und Spiegelflächen, welche den Betrachter aktiv in das Geschehen miteinbeziehen. Gerade in Riehen keine schlechte Idee der Umsetzung, habe ich selten so ansprechende Ausstellungsräume gesehen, wie dort. Für alle Kulturmuffel kann ich den angelegten Garten sowie das Museumscafe empfehlen. Apropos, nicht allzu weit entfernt (ca. 3km Entfernung) liegt das berühmte VitraHaus von Herzog&de Meuron, definitiv auch einen Besuch wert.

Das i-Tüpfelchen bietet ein Kombi-Angebot der Deutschen Bahn, Hin- und Rückfahrt nach Basel (innerhalb von drei Tagen) gibt es deutschlandweit ab 59 Euro. Das Ticket für die Ausstellung muss einfach zusammen am Schalter erworben werden, kein schlechter Coup für einen Kurztrip in die Schweiz!

Gerhard Richter: Bilder/Serien
18. Mai – 7. September 2014
Fondation Beyeler

Baselstraße
101
4125 Riehen/ Basel 
Tel: +41 (0) 61 / 645 97 00
Fax: +41 (0) 61 / 645 97 19

Web: http://www.fondationbeyeler.ch

Öffnungszeiten:

Mo – So 10 – 18 Uhr Mi 10 – 20 Uhr

Das Museum ist an allen Sonn- und Feiertagen geöffnet!
Eintrittspreise
:
Erwachsene  25 CHF

Studenten bis 30 Jahre 12 CHF

Jugendliche 11 bis 19 Jahre 6 CHF

  • Siegmar
    15. Mai 2014 at 12:20

    sehr schöne Empfehlung und der Preis ist super, leider eine lange Fahrt von Berlin nach Basel, gilt das Ticket auch für den ICE? Da ich die große „RICHTER-Ausstellung“ hier in der Neuen Nationalgalerie vor 2 Jahren noch im Kopf habe, freut es mich das du mit einem Richter-Artikel startest ! 🙂

  • Paul
    15. Mai 2014 at 12:31

    Toller Einstiegsartikel 🙂 bei knappen 3 Stunden von FfM aus sollte das wohl drin sein bald!

  • JulianGadatsch
    15. Mai 2014 at 12:49

    Vielen Dank für das positive Feedback, definitiv eine Reise wert! Basel an sich eignet sich immer gut als kleiner Kurzurlaub, vor allem an den langen Wochenenden. ; )

    @Siegmar: So wie ich das verstanden habe, gilt das Angebot auch für den ICE. Habe dir noch einmal den Link zu den Konditionen rausgesucht.

    http://www.bahn.de/p/view/angebot/international/europaspezial/europa-spezial-kultur.shtml

    Viel Spaß in Riehen & LG,
    Julian

  • Annette Gadatsch
    15. Mai 2014 at 12:55

    Da hat also meine Ragusatherapie ( herrlich leckerers Schweizer Schokozeug) Früchte getragen! HiHi!
    Weiter so! Der Artikel weckt Interesse und wer noch nicht genug hat, besucht das Tinguely Museum mit seinen verrückt bunten Kunstwerken. Oder besprichst du das auch noch?????
    Bin gespannt auf alles was folgt!

  • Siegmar
    15. Mai 2014 at 14:25

    @ Julian
    merci !

  • Gabriele Nowak
    15. Mai 2014 at 16:05

    Mit Kenntnis, Witz und Charme geschrieben und von mir gern gelesen. Nur beim Zitieren bitte nicht die wichtigen Worte „einer der “ weglassen. DEN wichtigsten Künstler kann es für mich nicht geben.
    Ich bin neugierig auf mehr Beiträge von dir.
    Gruß Gabriele