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Peter’s Cuttings – Sonia Rykiel forever!


Sonia Rykiel – Bild via tonguechic

Glücklicherweise gibt es sie ja noch die Modehäuser, die noch in privatem Familienbesitz sind und nicht von Mega-Konzernen aufgekauft wurden. Von Hermès und Chanel einmal abgesehen, die durch Familienkapital bzw. durch große Privatvermögen abgesichert sind und in der ersten Reihe stehen, auch Klassiker ohne die die Modewelt ärmer und nicht so speziell wäre, die aber kleiner und nicht so allgegenwärtig sind.
Bei einem solchen Haus fällt einem sofort die ur-französische Designerin Sonia Rykiel ein. Kein Unternehmen ist so eng mit Paris verknüpft, den Pariser Frauen und vor allem mit ihrem persönlichen Stadtteil Saint Germain.

Sonia Rykiel Kampagne Spring Summer 2008

Kurz vor den Studentenunruhen im Mai 1968 macht sich eine Frau mit einer kleinen Boutique in der Rue de Grenelle Nummer 6 selbständig, die genau den Frauen entspricht, die kurze Zeit später auf die Barrikaden gehen: Sonia Rykiel, Mutter von drei Kindern, hat die damals noch sehr formelle Mode satt und will für die Mädchen ihrer Generation Pullis und Strick machen, der im Alltag tragbar ist, romantisch aber emanzipiert wirkt und trotzdem feminin bleibt.
Sie lässt in Heimarbeit bei den Zwischenmeistern im Sentier kleine kurze Sweater mit Streifen und Schleifen als Intarsien machen und geht erst einmal davon aus, was ihre Freundinnen, meist Literaten und Schauspieler wie Régine Deforges oder Ainouk Aimee, und sie gern tragen.
Kaum hat sie den Laden aufgemacht passiert das was eine ganze Generation verändert – Paris steht Kopf während der Revolte. Die neue Generation will weg vom Muff ihrer Eltern und dem konservativen System in Frankreich. Die Rive Gauche Mädchen haben neben Saint Laurents Prêt-à-Porter und den Flohmarkt-Händlern des Porte des Clignancourt, Sonias Pullis und die dazu passenden kleinen Strick-Röcke oder bequemen Hosen sofort adoptiert.

Sonia Rykiel Kampagne Spring Summer 2008

Sonias Mode ist zwar irgendwie modern aber ihre Stilistik hat ganz bestimmte Grundelemente, die sehr ‚Paris‘ und eine Mischung zwischen zwanziger und dreißiger Jahre sind. Sofort denkt man an die Photos von Brassaï und es gibt außer ihrem Markenzeichen, den auf dunklem Grund angeordneten Ringelstreifen, immer kleine Baskenmützen, Schleifen, Volants, kleine angekrauste Ärmel und an den Garçonne-Stil angelehnte Kleider.
Bei den Accessoires dominiert Paris, die Liebe und die Weiblichkeit. Hier ein kleiner Strass-Eiffelturm, dort ein roter Kussmund als Brosche, Herzen, Kirschen oder Strass-Schmetterlinge. Die Sonia Rykiel Frau ist selbstbewusst, arbeitet und ist emanzipiert – deswegen kann sie auch zu ihrer Weiblichkeit stehen und damit spielen.
Außerdem fließen in ihre Kollektionen auch immer die Literatur und die Poesie von Saint Germain ein. Ihr Hauptquartier bleibt lange in der Rue de Grenelle und sie erweitert sich über die angrenzenden Läden hin, zeigt ihre Modenschauen aber noch immer in der Boutique – meist vor ihren Kundinnen und einigen wenigen Journalistinnen. Früh läuft auch schon ihre heranwachsende Tochter Nathalie mit, die praktisch im Laden aufwächst und zur Partnerin ihrer Mutter wird.

Sonia Rykiel – Bild via

Anfang der 80er Jahre, die Kollektion ist international erfolgreich und man zeigt in den Zelten des Cour Carrée du Louvre die Schauen, sind bereits die Japaner aber auch deutsche und amerikanische Boutiquen treue Käufer der kontinuierlich guten Kollektionen. Der Traum wird wahr gemacht und aus der Enge der Rue Grenelle in ein großes, alles unter einem Dach zusammenfassendes Hôtel particulier am Boulevard Saint Germain 175 gezogen.

Genau gegenüber vom Café Flore und Deux Magots, dem gesellschaftlichen und literarischem Mittelpunkt, wird ihre Welt aufgeschlagen. Sonia Rykiels Kollektionen und Schauen sind immer fröhlich, beschwingt und strahlen eine ganz besondere Zeit aus. In ihrer Boutique, die in hellbraunem Rauchglas, beigen Teppichboden, warmen Holz und möbliert mit Klassikern spielt immer Musik von Barry White oder beschwingte 70er oder 80er Musik und alles spricht eine vertraute Sprache. Man bleibt sich immer treu und kümmert sich nie um allgemeine Trends .

Sonia Rykiel Spring Summer 2009

Sonia Rykiel (und später auch Nathalie) machen als Frauen Mode für Frauen und sind es keine Pariserinnen, dann zumindest die, wie man sich eine Pariserin vorstellt. Heute längst in der Légion d’Honneur ist Sonia Rykiel so etwas wie ein Wahrzeichen von Paris und insbesondere von Saint Germain.
Leider wurde die Herren Kollektion vor einigen Jahren eingestellt und jedes Teil daraus hüte ich sehr, da auch aus ihnen immer dieser besondere Esprit versprüht wird, den man unwiderstehlichen Charme nennt.

Die Familie hat immer zusammengehalten und auch jeden Kaufangeboten widerstanden, was sicherlich vieles einfacher gemacht hätte, aber dadurch auch immer ihre Unabhängigkeit und die Besonderheit des eigenen Stils bewahrt – davor kann man nur den aller größten Respekt haben.

Skizzen von Sonia Rykiel; mit freundlicher Genehmigung von Galerie Catherin Houard

Sonia Rykiel ist die Königin des Strickes und für mich ist ein Besuch in ihrer Boutique, wenn ich in Paris bin, immer wie ein Eintauchen in eine Zeit als Mode noch umwerfend und voller Spannung war und man darauf fieberte, was in der nächsten Saison wieder schönes gezeigt wurde. Mode sollte die Menschen hübsch machen – und ehrlich gesagt wer möchte nicht hübsch sein?

Eins muss ich noch kurz erklären, wenn man jemanden sieht, der die Nähte seines Pullovers oder der Strickjacke nach außen hat, ist nichts morgens beim Anziehen schief gegangen, denn es hanedelt sich um ein Teil ist von Sonia Rykiel. Warum ist das so? Das Teil wurde auf links gestrickt und Saint Germain am linken Seine-Ufer am „Rive Gauche“ liegt.

Sonia Rykiel forever.

  • Sue
    18. Juni 2012 at 10:05

    Ich liebe Sonia Rykiel. Schöner Artikel! Mir hat auch die Doku auf ARTE sehr gut gefallen – wie die Tochter sich um die Mutter sorgte… zauberhaft.

  • Julius Eulberg
    18. Juni 2012 at 10:07

    TOLLER ARTIKEL!! SIE IST LEIDER SEHR KRANK!
    PRAYERS.

  • blomquist
    18. Juni 2012 at 10:22

    Eine so tolle Frau!

  • Siegmar
    18. Juni 2012 at 11:53

    ein ganz tolle Frau und der Arte-bericht war super und wie immer ein wunderbar geschreibener Artikel.

  • FrauFritz
    18. Juni 2012 at 14:52

    Ich dachte, Sonia Rykiel sei inzwischen auch von einem chinesischen Konzern zu 80% übernommen worden, oder war das eine Ente?

  • Monsieur_Didier
    25. Juni 2012 at 00:06

    …ich mag Sonia Rykiel…
    und der Film über das 40jährige Firmenjubiläum ist toll…
    soviel französischer Lebensstil und Lebenslust…
    das schöne ist, dass sie mit den neuen Entwürfen absolut im Hier und Jetzt ist…