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Peter’s Cuttings – Jean-Louis Scherrer Haute Couture

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Jean-Louis Scherrer; Bild: Scherrer

In der letzten Woche starb der Couturier Jean-Louis Scherrer im Alter von 78 Jahren in Paris. Heute ist in seinem Couture Haus in der Avenue Montaigne Nummer 51 die größte Chanel Boutique von Paris untergebracht und den jüngeren unter unseren Lesern ist er sicherlich nur noch durch seine Parfums ein Begriff. Stilistisch ist er aber ein echter Couturier, spielte Scherrer doch, genau wie Emanuel Ungaro in den 70er und 80er Jahren, eine große Rolle in der Modepresse und vor allem bei der Haute Couture Kundschaft, die sich zum Großteil aus den arabischen Ölprinzessinnen und amerikanischen Millionärs-Gattinnen rekrutierte. Das heutige Cutting ist Jean-Louis Scherrer gewidmet und wir haben aus unseren Archiven einige wunderbare Looks gefunden – sozusagen als kleinen Modeschatz, die stellvertretend für seinen typischen Stil in der Zeit stehen.
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Scherrer Kampagnen; Bilder: Scherrer

Jean-Louis Scherrer wurde 1935 in Lyon als Sohn eines Arztes geboren und entdeckte früh die Liebe zum Tanz. Er studierte am „Conservatoire de Danse Classique a Paris“, an dem er auch seine spätere Frau kennenlernte, mit der er zwei Töchter hatte. Laetitia Scherrer, eine der Töchter, wurde später auch sein favorisiertes Model und stellte die „Ideal-Frau“ seiner Kollektionen dar.
Neben seiner Liebe zum Tanz entwarf er auch immer wieder Bühnenkostüme und kam so auf Umwegen dazu, Kleider zu kreieren. Also unternahm er eine zweite Ausbildung – diesmal an der „Ecole Chambre Syndicale de la Couture Parisienne“, um dann im Anschluss, in der selben Saison, in der auch Yves Saint Laurent bei Christian Dior begann, in dem zu der Zeit einflussreichstem Haus anzufangen. Nach Diors Tod im Jahre 1957 beeinflusste ihn die Arbeit unter Yves Saint Laurent und die jungen Leute fanden es spannend, dem Haus ein neues Gesicht zu geben (was ja bekanntlich durch die Entlassung Saint Laurents 1960 gestoppt wurde). Kurz vor dem Wechsel verließ er Dior und machte sich auf die Reise nach Japan und erkundete die Welt. Ihn begeisterten die traditionellen japanischen Kostüme und die Art, wie die Japaner die europäische Mode in ihre Kultur übersetzten.
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Scherrer Kampagnen; Bilder: Scherrer

Anfang 1962 beschloss er, sich selbstständig zu machen und eröffnete sein „Maison de Couture“ an der Rue du Faubourg Saint Honoré 182. Es dauerte nur eine Saison und schon beinhaltete seine Kundenliste die damals jüngeren Frauen, sie sich Couture leisten wollten. Fiona Thyssen, Madame Patiño, Farah Diba, die Prinzessin Faisal, Michèle Morgan und Françoise Sagan waren nur einige des sich schnell erweiternden Kundenkreises. Außerdem klopften schnell die Einkäufer von Bergdorf Goodman bei ihm an die Tür, um für ihre gesamten amerikanischen Filialen eine Lizenzkollektion zu bestellen. Sein „Durchbruch“ war schnell gelungen.

1971 präsentierte Scherrer nicht nur seine erste Prêt-à-porter Kollektion unter dem Etikett „Scherrer Boutique“, sondern wagte auch den Schritt, sein Haus in die Avenue Montaigne 51 auf wesentlich mehr Fläche zu verlegen und im Erdgeschoss die neue Kollektion zu verkaufen, während die oberen Etagen der Haute Couture vorbehalten waren. Scherrer war immer auch Eigentümer sowie der Präsident seines eigenen Hauses. Er baute seine Marke weiter aus, aber immer mit dem Bewusstsein, dass er sich nie von seinem Marken-Kern und dem Handwerk „Made in France“ entfernen wollte.

Die Entwicklung des Hauses Scherrer war rasant: 1980 erhielt er für die beste Haute Couture Kollektion des Jahres den goldenen Fingerhut. Seine Kreationen wurden unter anderem durch Madame Giscard d’Estaing, der Frau des damaligen französischen Staatspräsidenten, in alle Welt getragen. Amerika wurde mit 100 Verkaufspunkten zu einem der stärksten Märkte, hinzu kamen 30 weitere Boutiquen weltweit.
Sein erstes Parfum „Scherrer“ lancierte er in Zusammenarbeit mit der französischen Firma Harriet Hubbard Ayer im September 1979, einige Jahre später dann „Scherrer 2“. Echte Lady Düfte, ganz wie es seiner Weltvorstellung entgegenkam.
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Scherrer Kampagnen; Bilder: Scherrer

Jean-Louis Scherrer galt vor allem bei den arabischen Klienten und dem vorderen Orient als absoluter Inbegriff des französischen Couturiers – Seine Kollektionen waren stets so, wie man sich die Opulenz des Orients in der französischen Umsetzung vorstellte. Durch seine wirtschaftliche Eigenständigkeit ging er nie von seinem Stil ab, zog aber in den letzten Jahren seine Töchter hinzu, damit diese wichtige Positionen in seiner Firma einnahmen. Anfang der 90er Jahre geriet das Haus dann in finanzielle Schwierigkeiten und es wechselte seinen Besitzer. Noch bis zum Jahre 2007 wurde das Haus aber weiter geführt, verlor allerdings immer mehr an Bedeutung, da nur die Persönlichkeit von Scherrer perfekt seinen Stil repräsentierte.

Im letzten Jahr nahm Scherrer an der Kollektions-Premiere von Raf Simons für Dior teilt und freute sich über den Stil und die Handschrift des Designers, den er sehr mochte.

Nach mehreren Monaten Krankenhaus Aufenthalt starb Jean-Louis Scherrer nun am 20.Juni 2013. Damit schließt sich ein weiteres Kapitel der hohen Schneiderkunst – Adieu, Monsieur Scherrer …

  • Siegmar
    24. Juni 2013 at 15:09

    schon fast vergessen, aber einer der ganz großen Modeschöpfer. Danke für diesen schönen Nachruf!

  • Volker
    24. Juni 2013 at 16:34

    Schöne Erinnerung

  • Monsieur_Didier
    24. Juni 2013 at 22:13

    …ich muss gestehen, ich habe ihn in den letzten Jahren auch etwas aus den Augen verloren und war durchaus bewegt, als ich die Nachricht letzte Woche las…

    …DANKE für diese wundervollen Erinnerungen…!

  • Horst
    25. Juni 2013 at 09:39

    Oh, mit Scherrer assoziiere auch eher den Duft!
    Wunderbare Erinnerung!