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Peter’s Cutting – Calvin Kleins Unterhosen-Revolution

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Bild: Calvin Klein Archiv

Dass eine biedere Feinripp-Baumwoll Herren-Unterhose einmal zum Kultobjekt und Sexsymbol und dem Grundstein eines Milliardenvermögens werden könnte, hätte man sich Ende der Siebziger Jahre sicherlich nicht träumen lassen. Single Jersey in Bikini oder Tanga Form und allerlei bunte Drucke prägten das „Drunter“ des modischen Mannes in der Nach-Hippie Ära. Der Durchschnitts-Amerikaner trug Popeline Boxer Shorts oder eben Unterhosen mit Eingriff, für die zum Beispiel die Firma Jockey bekannt war. Sie hatten allesamt den praktischen Y-Eingriff, der in den Dreißiger Jahren erfunden wurde und nicht nur den besonderen Sitz für des Mannes „bestes Stück“ garantierte, sondern auch besonders praktisch war, da man sich bei kleineren Geschäften nicht entkleiden musste …

Bilder: Calvin Klein Archiv

Aber das Thema „Wäsche beim Mann als erotisches Signal“ spielte im Gegensatz zu der Dessous-Welt der Damen keine oder fast keine Rolle. Die meisten Männer legten überhaupt kein Wert auf ihre Unterwäsche und in den meisten Fällen waren Ehefrauen oder Freundinnen für den Einkauf zuständig.
Dass ein Modeschöpfer seine Wäschekreationen mit seinem Namen signiert oder es gar zum Keyprodukt seines Brands wird, war bis dahin undenkbar und schmackhafte statt offensive Werbung war der Normalfall. Amerika, eh als prüde und bigott bekannt, verfrachtete seine Underwear-Departments in den Kaufhäusern gerne in die hinterletzte Ecke. Der Weg, ein Accessoire bzw. sogar ein Statusprodukt zu werden, begann 1982 in New York.
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Bild: Calvin Klein Archiv

Calvin Klein, ein Sohn jüdischer Migranten, studierte nach dem Abschluss an der High School for Art and Design am Fashion Institute for Technology und schloss das Studium des Bekleidungsdesigns 1962 ab. 1968 gründete Klein seine gleichnamige Bekleidungsfirma, nachdem er für den einen oder anderen Hersteller in der 7th Avenue gearbeitet hatte. Klein war mehr ein Stylist als ein Modeschöpfer und orientierte sich an schlichten, sportlichen, meist einfarbigen Designs. Schnell kam er auf die Idee, Produkte weniger als Kollektion zu sehen, sondern Lizenzen zu vergeben, die dann von Firmen, deren Kernkompetenz es war, Uhren oder Parfum herzustellen, ausgeführt und vertrieben wurden. Er verkörperte zwar den „All American Style“, schaffte es aber nicht, so etwas wie ein für seinen Namen stehendes Item zu entwickeln. Außerdem orientierte er sich stark am amerikanischen Markt und vertrieb seine Ware kaum in Europa, geschweige denn in Deutschland. Bekannt wurde er dann schlagartig durch eine der genialsten Werbekampagnen, die die Achtziger Jahre tief prägten und in Lichtgeschwindigkeit das Wachstum Calvin Kleins ins Unermessliche begründeten und ihn weltweit bekannt machte …
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Bild: Calvin Klein Archiv

Auf dem Times Square, mitten in New York, prangte wie Goliath in gigantischer Größe das männliche Wäschemodel Tom Hintnaus – wohlgebaut, vor einem weißen Felsen und unter dem Blau des griechischen Himmels … Nur bekleidet mit einem klassischen Slip, von den Amerikanern „Brief“ genannt, in weißem Doppelripp. Völlig neuartig daran war, dass der elastische Bund rundherum mit der Signatur des Designers versehen war. Calvin Klein schuf Design, das er nicht designt hatte, denn das Wäschestück existierte ja schon, nur drückte Klein praktisch seinen Stempel darauf. Aus einem Alltagsgegenstand wurde ein Statussymbol mit kalkuliertem Sex-Appeal. In der Gayscene stand das eher züchtige Wäschestück schon lange für besondere Maskulinität und als erotisches Signal, ähnlich wie der von Sportlern getragene Jockstrap.
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Bild: Calvin Klein Archiv

Die Fotos waren von Bruce Weber geschossen worden, inspiriert von Herbert Lists Griechenlandfotos der Dreißiger Jahre. Weber legte mit den Bildern auch einen Meilenstein seiner Karriere und wurde einer „der“ Fotografen der Achtziger und Neunziger Jahre. Die Unterhosen von Calvin Klein fanden sofort reißenden Absatz. Die Designer-Unterhose war geboren und obwohl in Fernost gefertigt, wurde sie im Dreierpack für stolze 50 Dollar verkauft. Die Stars der amerikanischen Gayporno-Industrie, wie Jeff Stryker oder Al Parker, trugen sie in ihren Filmen und jeder schwule Mann wollte genau diese Briefs. In Europa wurden sämtliche Stewardessen dazu angehalten, ihren Freunden aus den USA die Hosen der Begierde mitzubringen. Einige Geschäfte kauften in Koffern „importierte“ Exemplare und verkauften sie hier zu Wucherpreisen. Aber auch jeder Hetero Mann wollte sie haben und Klein beschloss daraufhin, eine völlig neue Linie von Designer-Unterwäsche zu begründen. Die Kampagnen wurden weiter von Bruce fotografiert und die Gesichter bzw. die Körper der Models blieben in Erinnerung. Bis heute ist diese Linie einer der erfolgreichsten und vor allem zum Synonym und vielfach kopierten Vorbild geblieben. Mittlerweile hat jedes Label, von Armani über Dolce&Gabbana bis hin zu Diesel und Co., solche Unterwäsche-Linien, aber das Image und die Sprengkraft von Calvin Klein wurde nie wieder erreicht. Drei Jahre später gelang Calvin Klein mit einem Basic Kleidungsstück der zweite Wurf: der Jeans. Welche Rolle dabei die Schauspielerin Brooke Shields spielte ist eine andere Geschichte, die wir natürlich auch demnächst erzählen.

Für Männer meiner Generation ist die Calvin Klein Unterhose bis heute nicht nur ein Wäschestück, das längst zum ewigen Klassiker avancierte, sondern so manch einer von uns hat sicherlich auch seine ersten erotischen Abenteuer darin erlebt. Dabei verhüllt sie eigentlich mehr als sie zeigt – aber das ist ja gerade das Tolle an ihr …

  • Siegmar
    12. Mai 2014 at 11:16

    Ganz wunderbarer Artikel über einem meiner Hero´s “ Calvin Klein „. Ich liebe die Briefs von Calvin Klein und hat für tatsächlich alle Attribute die Peter beschreiben hat. Das bwerühmte Marky Mark Foto hat mich damals “ nervös “ gemacht 😉 und es hing rießig am Times Square bei meinem 1. Aufenthalt in NYC.

  • Siegmar
    12. Mai 2014 at 11:17

    “ hat für mich… “
    „berühmte “ Sorry

  • Frederik
    12. Mai 2014 at 11:20

    Wunderbar!
    🙂

    Der Folgeartikel müsste hier natürlich über NIKOS sein!
    Nie mehr gab es so gewagte Unterwäsche für Männer als
    bei NIKOS. Mit einem Beinausschnitt bis zum Hals.
    In der Schule trug man Calvin Klein, abends auf der Party
    und im Pool dann NIKOS. Heute ist NIKOS leider vergessen.

  • Horst
    12. Mai 2014 at 12:09

    NIKOS hatte ich ja total vergessen! Hatte ein wenig den Touch von Versace, oder?
    Schöner Artikel und die Briefs waren damals das Nonplusultra … 🙂

  • blomquist
    12. Mai 2014 at 12:16

    Ich schwöre ja auf die weissen Briefs von Calvin Klein.
    Aber wie gut das ich NIKOS verdrängt habe….ich erinnere mich an sehr sehr knappe Hosen und sehr sehr knappe Unterhemden die schon auf Höhe des Brustkorbs endeten…
    : )

  • Siegmar
    12. Mai 2014 at 13:33

    stimmt NIKOS,über Nikos sollte Wolfram mal einen Kommentar schreiben, hat ja lange für Nikos direkt gearbeitet.

  • Wolfram
    12. Mai 2014 at 15:31

    mach ich Siegmar, weil ich mich gerne an die Zeit bei NIKOS erinnere. Nikos erkannte die Zeichen der Zeit und setzte ganz konsequent auf gute Werbung, Fotografen wie Her Ritts, Comte, Greg Gorman und vor Screbneski fotografierten die Kampagnen, Models wie Iman taten das übrige. Unsere Boutique in der Goethestr. in Frankfurt war die einzige zu ihrer Zeit auf der Welt in der ausschließlich NIKOS verkauft wurde, ein Herrenbody kostete dann schon mal DM 198,–, arabische Millionäre kauften die Unterwäsche ihrer sehr westlich aussehenden Begleiterinnen en groß, Mütter kauften die Unterwäsche für ihre Söhne und Frauen für ihre Männer, weil sie glaubten sie würden dann so aussehen wie die Models in den Bildern und Katalogen. Es war die Zeit des Geldausgebens Anfang der 90er. Ich war mehrmals in Paris in der Rue de Braque im Marais, wo Nikos sein Atelier hatte, unvergesslich die Modeschauen dort und anschließend bei Nikos zu Hause in seiner 10-Zimmer Wohnung am Boulevard Haussmann, Party mit Roman Polanski und den griechischen Sänger Vangelis (gewann für den Film Chariots of Fire den Oskar) to drop a few names, weiter ins legendäre „bains & Douches“ bis in den morgen feiern mit Grace Johns, Chris Turlington usw. Ich muss aufhören zu schwärmen, sonst wird mein Kommentar endlos. Der Niedergang wurde eingeläutet durch das Platzen der „Dot.com-Blase“, die Leute wollten nicht mehr zeigen, dass sie Geld haben und es gerne ausgaben, auch weil NIKOS nun anfing Herrenmode zu kreieren, die leider, außer in Griechenland, niemand wirklich wollte. Die Kopisten taten ein übriges.
    @ Horst ein Bonmot für Dich, Gianni Versace kaufte, wenn er seinen Store in Frankfurt besuchte, bei uns Nikos-Unterwäsche, die Versace – Unterwäsche, die von Ittiere produziert wurde, gab es erst später

  • Frederik
    12. Mai 2014 at 19:12

    NIKOS

    @ wolfram

    Ich habe fast nur NIKOS getragen. Ich hatte auch den 198.-DM Body. Für einen Schüler der 12 Klasse ein imenser Betrag. Der Verkäufer mochte mich damals und ich habe 150 DM bezahlt. Dennoch viel. Ich hatte auch all die Unterhosen mit dem hohen Beinausschnitt. In weiss und schwarz.

    @ horst

    Versace Wäche kam später und war „abgemildert“, soz. „NIKOS-light“.

    @ nochal wolfram

    Wenn Du NIKOS kanntest, dann kanntest Du sicher auch L’homme invisible. Die hatten damals ähnlich gewagte Bodys wie NIKOS. Ich glaube sogar, die gibt es noch. Sie sind allerdings nicht mehr so gut wie damals.

  • Wolfram
    12. Mai 2014 at 19:39

    @Frederik

    selbstverständlich kenne ich die Marke des „unsichtbaren Mannes“ noch, die gab es ab den 80er schon, wenn ich mich richtig erinnere lag der große Unterschied im Schnitt, NIKOS war ja hoch geschnitten mit viel Bein, „invisible“ sehr tief, Preise ähnlich. Beide Firmen verkaufen heute noch, wobei Nikos sich nach Athen zurückgezogen hat und vornehmlich den griechischen Markt bedient, dort ist er immer noch sehr populär

  • PeterKempe
    13. Mai 2014 at 00:42

    Die Nikos Story habt ihr im Sack Jungs – die schreib ich :-)))) immerhin hatte ich Ende der 80iger Jahre tatsächlich 20 verschiedene Nikos Bodys … man glaubt’s kaum …

  • Markus Brunner
    13. Mai 2014 at 10:17

    super geschrieben Peter !!!!!

  • Frederik
    13. Mai 2014 at 10:41

    @ peter kempe

    „immerhin hatte ich Ende der 80iger Jahre tatsächlich 20 verschiedene Nikos Bodys“

    Da wollen wir dann natürlich Fotos sehen. Damals hat man Fotos gemacht mit sich und der Unterwäsche. Man wollte ja so sein, wie in der Werbung. Das ein oder andere Bild gibt es da sicher noch! 🙂

    WIR SIND GESPANNT!

  • Siegmar
    13. Mai 2014 at 11:28

    @ Peter Kempe
    da freue ich mich auf die Foto´s und selbstverständlich den Artikel. 🙂

  • Horst
    13. Mai 2014 at 11:32

    na, da bin ich auch gespannt 😀

  • Stephan
    13. Mai 2014 at 11:59

    Ein toller Artikel.
    Aber wie wäre es denn mal über die Story von JOCKEY, schließlich gehört diese Marke zu denen, die im Laufe der Firmenhistorie den Unterwäschemarkt mehrfach revolutioniert haben.
    Infos gebe ich euch gerne 🙂

  • Wolfram
    13. Mai 2014 at 13:27

    @Peter Kempe

    go for it, Peter

  • peter
    13. Mai 2014 at 14:06

    @alle
    die story kann ich euch bieten,die Wäschephotos von mir gibts leider nicht:-)))Ich war nämlich ziemlich schüchtern damals:-))hat sich glücklicherweise geändert!!

    @stephan
    her mit den Informationen super gerne Peter@kuballkempe.de danns chreib ich was zu dieser tollen Marke.

  • Siegmar
    13. Mai 2014 at 15:39

    jetzt wird es interessant Nikos versus Jockey, wird sicherlich ein toller Beitrag. 🙂

  • Frederik
    13. Mai 2014 at 16:36

    @ siegmar

    NIKOS versus Jockey, das geht gar nicht. Vor allem, weil es diese tollen Bilder des Autos gibt, wo er die Wäsche trägt. ntürlich verheimlicht er uns das. Jeder, wirklich jeder, der damals dabei war, weiss, dass es diese Fotos gibt. Jeder von uns hat auch selbst diese Fotos.
    Wer 20 Nikos-Bodys hat, der hat auch die Fotos! 🙂

    Wir sind alle sehr, sehr gespannt und wollen hier nicht nur
    Herb Ritz sehen! 🙂

  • Siegmar
    13. Mai 2014 at 16:56

    @ Frederik

    ich finde schon das es geht, Sicherlich gibt es Bilder von Peter in Jockey, er schreibt doch selbst “ … zu dieser tollen marke “ Ich will alles sehen !!! 😀

  • Frederik
    13. Mai 2014 at 18:44

    @ siegmar

    Gut, Du hat recht. Ich will auch alles sehen.
    Jetzt kommt die Wahrheit an den Tag.
    Truth or dare! 🙂