Foto: Manolo Yllera. Artwork in Background © Damien Hirst And Science Ltd. All RightsReserved / Dacs, London / Ars, NY 2014
Peter Marino, Architekt – das sagt vielleicht nicht jedem etwas. Aber wenn man den 64-jährigen sieht, kennt ihn jeder: In seinem Lederoutfit, das an Tom of Finland erinnert, erinnert er an ein Gesamtkunstwerk. Manchmal wirkt Marino mehr wie eine Installation als die gezeigten Objekte. Dabei zeigt er sich noch 1993 ganz brav im Trachtenjanker oder wallendem Armani-Anzug in der amerikanischen Ausgabe von Architectural Digest. Erst später kehrt er zu dem Fetisch Outfit zurück, das er als junger Mann getragen hat und ihn seinen ersten einflussreichen Auftraggeber 1978 einbrachte – Andy Warhol.
Marino, mit einer Frau verheiratet und weit weg von der Schwulenszene, hatte sich brav, nachdem er als Kind italienischer Einwanderer im New Yorker Stadtteil Queens geboren wurde, nach dem Studium bei Ieoh Ming Pei und George Nelson in die Materie der Architektur eingearbeitet und an Hochbauten mitgewirkt, bevor er dann auf Warhol traf.
Bass Museum Miami Beach; One Way: Peter Marino, Photo: Luc Castel
Peter Marino schwärmte für den gerade wiederentdeckten Jean Michel Frank und Tomy Parzinger und er liebte die moderne Fotografie und den flämischen Barock. Sein eigener Stil war eklektizistisch, doch wenn man von Architekten spricht, dann denkt man an Bauwerke wie bei David Chipperfield oder Richard Gehry. Bei Marino Fehlanzeige, denn immer wenn er sich um ein großes Bauprojekt bemühte, bekamen andere den Zuschlag. Marino, der sich stets den Stempel ‚Architekt‘ aufdrückt, ist eher ein Innenarchitekt. Aber was für einer! Denn trotz prestigeträchtiger Bauten in aller Welt schaffen es die meisten Architekten nicht, ein solches Vermögen und eine solche Sammlungen aufzubauen, wie Marino.
Bass Museum Miami Beach; One Way: Peter Marino, Photo: Luc Castel
Peter Marino und sein 150-köpfiges Team scheinen das Monopol auf einen Bereich zu haben, um das sich „seriöse“ Architekten gar nicht so sehr zu kümmern. Begonnen hat es mit einigen wenigen Schaufenstern und Boutiquen, in denen Marino die Kulisse für die Präsentation der Outfits oder der Ware sorgte und das schließlich zum einträglichen Geschäft des Enfant Terribles wurde. Nachdem Marino Warhols „Factory 3“ eingerichtet hatte und gleichzeitig von ihm in eine Welt der Kunst und Society eingeführt wurde, lernte er Pierré Berge und Yves Saint Laurent kennen. Die Berge und Saint Laurent ließen sich von Marino ihre Wohnung im New Yorker Hotel „Pierre“ einrichten. Von Warhol bekam Marino dann später ein Kunstwerk geschenkt, das den Grundstock für seine Sammelleidenschaft bildete.
Bass Museum Miami Beach; One Way: Peter Marino, Photo: Luc Castel
Peter Marino entfernte sich immer weiter vom klassischem „Bauwerk konstruieren“ und verdankt diese Entwicklung dem Wandel der amerikanischen Departmentstores am Anfang der Achtziger Jahre. Die Inhaber von „Barneys“ wollten ihre Kaufhäuser auf edle Departmentstores umrüsten, weil die amerikanische Mittelschicht nicht mehr in Kaufhäusern einkaufte. Viele Architekten lehnten den Auftrag ab, weil sie meinten, das wäre ein Job für Dekorateure. Marino nahm an und nachdem die Häuser zum weit beachtetem Erfolg wurden, zogen Donna Karan, Calvin Klein und Giorgio Armani mit ihren Flagshipstores nach.
Bass Museum Miami Beach; One Way: Peter Marino, Photo: Luc Castel
Es ist mit Sicherheit bis heute ein Phänomen, dass Marken immer sehr darauf bedacht sind, dass sie sich von ihren Mitbewerbern stark abgrenzen und es zu keinen Überschneidungen kommt. Dieses Gesetz scheint bei Marino auszusetzen: Louis Vuitton, Chanel, Dior, Fendi, Graff, Hublot, Bulgari – alle lassen ihre Filialen und heiligen Hallen von ihm gestalten. Es scheint fast, als hätte er eine Art Monopolstellung auf dem Gebiet und niemanden stört es.
Wie ein fantasievolles Kind geht Marino in seiner Arbeit in die Vollen: Die neue Chanel-Filiale in Genf gleicht einem wogenden Prachtrausch. Immer setzt er zeitgenössische, teure und große Kunst seiner Lieblingskünstler, wie Jean-Michel Othoniel, ein. Marinos eigene Sammelleidenschaft ist an seinen Projekten deutlich abzulesen, denn von Antiquitäten über Fotografie bis zu Porzellan und Büchern des 16. Jahrhunderts: Marino sammelt alles und grast die internationalen Auktionshäuser ab wie ein Staubsauger.
Bass Museum Miami Beach; One Way: Peter Marino, Photo: Luc Castel
Jetzt widmet ihm Miami Beach, wo er auch ein Haus besitzt (und mehrere Hochbau Wettbewerbe verloren hat), eine große Retrospektive im Bass Museum. Die Ausstellung „One Way“ – bei Marino ging es ja immer nur geradeaus bzw. nach oben – widmet dem schrägen Society Liebling eine fulminante Schau, die aus Installationen, Fotos und ganzen Raumfluchten besteht. Vergeblich sucht man die bei Architektur-Ausstellungen sonst üblichen Modelle von Häusern oder geplanten Bauwerken, denn der Architekt schwelgt sich in wirtschaftlich viel effektiveren Gebieten aus. Während selbst Stararchitekten häufig mehrmals im Leben am Bankrott vorbeigeschrammt sind, scheint sich Marinos Schatzkiste immer mehr zu füllen.
Die Geister scheiden sich natürlich an ihm. Für die einen verkitscht, für die anderen repräsentiert er genau das, wofür Amerika steht: keine Berührungsangst der Stile und keine Angst vorm Kommerz. Die Ausführung Marinos Projekte und die Qualität sind perfekt.
Bass Museum Miami Beach; One Way: Peter Marino, Photo: Luc Castel
Peter Marinos Outfit dient nicht zum Ausdruck seiner sexuellen Orientierung oder als Fetisch. Ähnlich wie bei Karl Lagerfeld ist es eine Art Rüstung, die ihn vor den Einflüssen von außen schützt. Sein Look hebt ihn völlig aus Raum und Zeit heraus und macht ihn praktisch alterslos. Sein Statement erinnert an die Schwulenkultur der Siebziger Jahre und macht ihn zu seinem eigenen Markenzeichen. Unterhält man sich mit „Don Pedro“, wie er sich selbst nennt, ist er genau das Gegenteil von dem, wie er sich nach außen verkauft: liebenswürdig, feinsinnig und eher leise.
Wer von Peter Marino etwas in Deutschland sehen möchte, ohne ein Geschäft zu betreten, fährt am besten nach Dresden, wo er vor einigen Jahren die Porzellan Sammlung im Dresdener Zwinger umgestaltete. Oder aber man fährt einfach nach Miami und schaut sich die Ausstellung an.
Marino ist ein Phänomen, bei dem es sich lohnt, unter seine harte Schale zu schauen.
Peter Marino ‘One Way’
Bass Museum of Art
2100 Collins Ave, Miami Beach, FL 33139, Vereinigte Staaten
Telefon: +1 305-673-7530
Die Ausstellung läuft noch bis zum 03. Mai 2015
Katalog: Peter Marino ‘One Way’. Rizzoli Skira, New York 2014. 140 Seiten für 70 Dollar
Monsieur_Didier
18. Februar 2015 at 20:55…wie witzig Peter, ich habe vor kurzem mal über Peter Marino recherchiert, weil er mir bei etlichen Modenschauen auffiel und irgendwie so gar nicht in diese Welt zu passen schien, zumindest optisch…
ich war mir sicher, dass er zur Lederszene gehört und 100% schwul ist, bei diesem Outfit und war wirklich überrascht, was sich so alles zu ihm fand…
…ich mag es ja durchaus sehr sehr gerne, wenn meinen Eindrücken eines besseren bzw. total überraschend komplett konträr widersprochen wird, weil das was erfrischendes hat und mir selber oft vorführt, wie sehr ich in gedanklichen Mustern verhaftet bin (zumindest manchmal)…
…wie gesagt, hut ab vor diesem durchaus sehr sympathischen, kreativen, offenen und interessanten Menschen…!!!
PeterKempe
18. Februar 2015 at 22:00@ Monsieur_Didier
Genau das ist es, was mich an ihm fasziniert und warum ich ihn super interessant finde! Er hat übrigens auch eine sehr sympathische Tochter …
Horst
18. Februar 2015 at 22:48Ich mag ja irgendwie den Look, der aussieht, als ob er aus einer anderen Zeit zum Folsom Europe auf die Fuggerstraße gebeamt wurde.
Auch wurde mir klar, als ich gelesen habe, dass er nicht schwul ist, selbst in Klischees denke …
Sven
19. Februar 2015 at 10:24Leder-SM-Outfit, Installationen aus Gasmasken, Cockringen und Analkugeln und Plugs ….. ach und verheiratet und schöne Tochter … nein bestimmt nicht schwul …nein …
Sein Büro macht tolle Architektur und die Luxuslabels sind hervorragend betreut, DAS ist doch interessant, der Rest ist für mich nur unnötige Effekthascherei.
PeterKempe
19. Februar 2015 at 10:33@sven
Der ist halt Amerikaner