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Neulich beim Karneval

Morgens schon in jecker Stimmung freute sie sich auf die bevorstehende Karnevalsfeier mit ihren Kolleginnen und ihrem neuen Chef, für den die erste betriebsinterne Karnevalsfeier auch eine kleine Feuerprobe im Umgang mit den Angestellten sein würde. Die Kostümfrage hatte sie letztendlich doch ganz gut gelöst. Nachdem „Sexy Sorceress“ und „Lovely Jeannie“ ihr in Größe XL von einer in ihren Augen natürlich viel beleibteren Konkurrentin im Ansturm auf die letzten Kostüme weggeschnappt wurde, beschloss sie es nicht auf Experimente ankommen zu lassen und schnappte sich das letzte Pocachontas-Kostüm in L. Anders als bei klassischen Kleidungsstücken von Indianerstämmen zu erwarten, saß die beigefarbene Hotpants mit seitlicher Schnürung etwas enger als gedacht. Das war auch der Grund ihr Freund es gar nicht erst zu Gesicht bekam. Er ging weiter davon aus, dass Pocachontas in einem klassisch beigen und weitgeschnittenem Kleid mit Fransen zum Karneval geht.

So schloss sich die Stammestochter ihren Kolleginnen, bestehend aus einer Krankenschwester, Catwoman, oder zumindest der Garfieldversion davon, und einem Teletubbie an und fand sich knapp eine halbe Stunde später um ca. 20 Uhr in einem eigens gemieteten Veranstaltungsraum mit dem modischsten PVC Bodenpatchwork der 90er Jahre wieder. Nachdem nicht lange gefackelt wurde und sie das erste Kölsch bereits nach dem Eintreten in der Hand hielt, merkte sie, dass sie zwar lediglich eine Stunde später als auf der Einladung ankam, die Kollegen es heute jedoch ausnahmsweise alle geschlossen hinbekommen hatten pünktlich zu einem festen Zeitpunkt zu erscheinen. Vielleicht sollte man im Büro einfach auch mal Kölsch am Eingang servieren, oder vielleicht einen Kölschspender anschaffen, dann wäre das mit der Pünktlichkeit nicht mehr so ein Thema. Der DJ betrat über eine knarzende Holztreppe sein kleines Pult. Ob David Guetta auch mal in sowas angefangen hat`? …

… Freunde, guter Punkt. Die hatten sich blöderweise auf die letzten zwei freien erträglichen Plätze gesetzt. Erträglich hieß in diesem Fall neben die Putzfrau, die erstens kein Deutsch sprach und zweitens eh auf ihrem Putzlappen fast eingeschlafen war. Sie wusste nicht so recht, ob sie heute arbeitete oder mitfeierte. Das Outfit jedenfalls war gar nicht schlecht. Anders als den Platz den sie nun gezwungenermaßen wählen musste. Neben ihrem neuen Chef. Der grinste erwartungsvoll (oder betrunken) in ihre Richtung. Also nahm sie Platz und wurde mit einem „hhhaallooo schööne frauuuu“ begrüßt. Anscheinend war auch der Chef der Pünktlichste heute Abend gewesen. Sie nahm einen großen Schluck aus dem Kölschglas (was damit auch wieder leer war) und fragte: „Na? Wie geht es Ihnen denn so? Haben sie ihre Frau nicht mitgebracht?“. Wenn es eine falsche Frage an Karnevalsfragen gibt, dann diese. Sie hörte nur noch: „ Ach hören sie mir auf …“, dann schaltete sie ab und lauschte der Musik, während sie ab und an mal nickte und lächelte.

Rechts neben ihr wippte der fröhliche Hausmeister in seinem Popey-Kostüm so wild hin und her, dass ihr gerade frisch gebrachtes Kölsch schon wieder leer war, ihr dafür aber einen schönen Bierfleck mitten im Schritt zauberte. Catwoman war mittlerweile damit beschäftigt mit Shrek (dem neuen Azubi) rumzuknutschen und sie musste sich unweigerlich vorstellen was das in einer anderen Welt für seltsame Kinder ergeben würde. Wie sie da noch so gedankenverloren rumsaß, schien ihr Chef am Ende seiner Leidensgeschichte angekommen zu sein und sie hörte nur noch: „… und jetzt zeige ich ihnen mal, was meiner Frau so alles entgeht “, bevor er vor ihr auf den relativ instabilen Holzstisch kletterte und wohlgemerkt als Pastor verkleidet eine Mischung aus spastischen Bewegungen, verzerrten Tönen und mehreren CanCan versuchen hinlegte, sodass sie sehen konnte, dass auch Männer in Führungspositionen der Garfieldunterwäsche unterlegen sind. Dabei sang er lautstark mit:

Warum musste sie sich auch als Pocachontas verkleiden… Ihre Teletubbiefreundin hatte sich auf Grund übermäßigen Tanzens leider schon durch ihr Kopffenster im Kostüm auf das Shirt ihres Sitznachbarn übergeben, was aber nicht weiter auffiel, das seine Hippieverkleidung genug Batikfläche bietete. Und während sie da so saß, einen tanzenden Chef mit fliegender Kutte vor sich und links und rechts im Raum eine kotzende und eine küssende Freundin, kam eine SMS von ihrem Freund: „Hallo Schatz, habe die Verpackung deines Kostüms im Müll gefunden. Ganz schön heiß. Würde dich heute Abend gern vernaschen“.
Die Musik dröhnte …

  • siegmarberlin
    20. Februar 2012 at 12:22

    ich hasse Fasching/Karneval und die ausgewählte Musik dazu bringt mich um 🙂

  • Daisydora
    20. Februar 2012 at 15:50

    @siegmqarberlin

    Und ich dachte schon, du verbringst den Tag heute eigens in Düsselödorf bei deiner Schwester und guckst den Zug ..:-) …habe gerade im Fernsehen gesehen, dass Vroni Ferres Haarshampoo in die Menge wirft ….

    … die Musik ist die Höchststrafe, aber ich darf da nicht mitreden, mir fehlt auch jeder Sinn für Schlager ….

    Die Geschichte ist jedenfalls unterhaltsam 🙂

  • siegmarberlin
    20. Februar 2012 at 17:14

    @ daisydora

    selbst die flüchtet