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Leïla Menchari – Schaufenster der Träume

(Courtesy of Hermès: L‘Annee du Cheval 1993 Leïla Menchari Photo: Guillaume de Laubier. Archives Hermès Paris)

Die Frau, die mich schon als Kind vor ihren fantastischen Schaufenstern für das Haus Hermès in der Rue du Faubourg Saint Honoré in Paris träumen ließ, starb jetzt 93-jährig in Paris. Ein Grund, der berühmtesten Schaufenstergestalterin eine Hommage zu widmen. Eigentlich trifft dieser Begriff sie gar nicht, denn sie war viel mehr eine Träumerin, die uns das zeigte, wovon die meisten noch nicht einmal zu träumen wagten. Visionärin des Schönen schuf sie mit ihren Auslagen eine Pilgerstätte für alle Schaufensterdekorateure der Welt und die Visitenkarte des Hauses Hermès über das man Jahrzehnte sprach. Aber ihre Kunst lag nicht nur in den großartigen Fantasien und Szenarien, die sie jede Saison neu erdachte, sondern passend zu den Kollektionen wurden Hunderte Gegenstände und Objekte zu den Jahresthemen extra angefertigt. Ob der Fuß des Götterboten Olymp oder ein weißes lebensgroßes Nashorn aus weißem Leder, nichts schien unmöglich für die Ateliers anzufertigen, was sich diese charmante Frau ausdachte, die 1927 in Tunis geboren wurde.


Courtesy of Hermès: Leïla Menchari by Carole Bellaiche

Wie häufig verliebte man sich in besonders diese Gegenstände und kassierte dann im Laden ein bedauerndes: „Tut uns leid – diese Tasche, dieses Portemonnaie ist nur für unsere Dekoration angefertigt.“ Laïla Menchari war auch eine Designerin deren Einflüsse den Stil des Hauses Hermès mit prägte. Ihr Sinn für Farben und ihr admirables Stilgefühl führten zur Farbenvielfalt der Seidenkollektionen, genau so, wie zu vielen Kollektions- und Jahresthemen.
Leïla war nach ihrer Ausbildung als Malerin an der Kunsthochschule für bildende Künste in Tunis und an der École des Beaux-Arts in Paris zunächst eine Zeit lang Modell bei Guy Laroche. 1961 holte Annie Baumel die junge aparte Frau in ihr Team bei Hermès. Annie Baumel begründete die Tradition der spektakulären Schaufenster-Inszenierungen im Haus und erschuf solche Legenden, wie die berühmte Gartenschubkarre, die der Herzog von Windsor orderte, um seine Frau zu überraschen. Die Schubkarre hatte kleine Schubladen, in denen die Herzogin ihre ebenfalls bei Hermès georderten Handschuhe verstauen konnte. Luxus pur und kein Traum, der nicht erfüllbar war. Das war das, was sie Leïla Menchari einschärfte und mit auf den Weg gab.


Courtesy of Hermès: Large Window of the Faubourg Saint-Honoré store. SpringSummer 1995. Sculpture by Christian Renonciat Photo by Guillaume de Laubier

In der Raffinesse der Ideen und der Opulenz übertraf ihre Schülerin Annie Baumel bei weitem und so glichen die Enthüllungen der neuen Schaufensterdekorationen in jeder Saison wahren Theaterpremieren. Sie hat nie aufgehört, die Neugier, das Staunen und die Verwunderung der Passanten zu wecken, in dem sie die Fenster als Bühne für fremde Welten öffnete. „Dank Leïla hat die Exotik in der Rue du Faubourg Saint-Honoré eine glückliche und dauerhafte Heimat gefunden. Wir haben viel von Leïla gelernt. Sie hat uns gelehrt, die Welt durch das Prisma der Farbe zu betrachten. Sie war eine unvergleichliche Geschichtenerzählerin, die die Welt verzauberte. Wir sind ihr unendlich dankbar für alles, was sie für uns getan hat, was sie uns weitergegeben hat“, sagte Axel Dumas, im Namen der Familie Hermès. Besonders in der Zeit unter Jean Louis Dumas, der das Haus zu einer modernen Luxusmarke machte, war ihr Werk prägend – auch für die Kollektionen. Aus den Fenstern wurden viele Inspirationen gezogen, die später zu Klassikern avancierten, wie mit Seide bezogene Kelly Bags oder auch viele der heute in den Home-Kollektionen befindlichen Objekte.

Courtesy of Hermès: Christmas in a waterfall of Pearls 1992 Leïla Menchari Photo: Guillaume de Laubier. Archives Hermès Paris

Im Jahr 2017 feierte das Grand-Palais Paris mit der Ausstellung „Hermès à tire-d’aile, les Mondes de Leïla Menchari“ ihre Vision und ermöglichte einem breiteren Publikum die Entdeckung ihres einzigartigen und poetischen Universums. Der Bildband mit ihren Vitrinen aus vielen Jahrzehnten 1999 erschienen unter dem Titel „Les vitrines Hermès“ sollte in keiner Bibliothek von Hermès-Liebhabern und Mode-Interessierten fehlen und ist antiquarisch zu bestellen.

Vielleicht auch eine Anregung für etwas, das vielleicht eine Renaissance wert wäre, denn in den letzten Jahren wurden viele Schaufenster unserer Innenstädte vernachlässigt. Dabei ist es immer noch die Visitenkarte der Geschäfte und ein Schaufensterbummel kann immer noch zum Träumen einladen. Vielleicht kann man ja auch Menschen ein wenig davon abbringen weiterhin so viel online zu bestellen, indem man seine Schaufenster wieder zu Quellen der Fantasie und Inspiration werden lässt. Etwas, das man von niemanden so lernen kann, wie von Leïla Menchari, deren Fantasie jede Grenze zu sprengen wusste.

Sie war eine offene, großzügige, entschiedene und moderne Frau. Eine Frau des freien Geistes und der Kreativität. Ihr Ableben hinterlässt bei all jenen, die die Freude hatten, sie zu kennen und mit ihr zu arbeiten, auf beiden Seiten des Mittelmeers die Erinnerung an eine immerwährende Suche nach Schönheit und eine grenzenlose Leidenschaft für die Schöpfungen des Handwerks der Ateliers von Hermès.

  • Gerd
    13. April 2020 at 18:25

    wunderschönes Lesestück – euch beiden das Beste