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Lebenslang für eine Tasche – Hermès löst seine Versprechen ein

Im letzten Jahr las ich ein Interview mit Pierre-Alexis Dumas und Pascale Mussard, den beiden Creativ-Chefs von Hermès das mich begeisterte. Hermès, immer noch zu fast hundert Prozent in Familienhand und eine noch von den Nachfahren des Firmengründers geführte privat Firma, hatte in den letzten Jahren einen Generationswechsel vollführt und der Sohn des langjährigen legendären Clan-Chefs Jean-Louis Dumas und seine Nichte geben jetzt den Ton an, in diesem von manchem als Allround-Ausstatter gesehenen Unternehmen. Neben den weltberühmten Ledertaschen und Accessoires, Prêt-à-Porter, Art-de-la-table, den Sätteln und Möbeln gibt es bei Hermès viele viele Dinge aus den verschiedensten Bereichen des Lebens – inklusive einer ganzen Welt die in die Tasche passt: Vom Bandmass über Würfelspiele, Aquarellkasten bis hin zu Universalsteckern, kleinen Bällen und Spielkarten.
Betritt man den traditionellen Firmenstammsitz in der 24 ,Rue du Faubourg St.Honoré, kommt man sich vor wie in einem sehr sehr familiären Wunderkabinett oder der Werkstatt des Spielzeugmachers beim Weihnachtsmann. Überall ist die Liebe und die Sorgfalt zu spüren, und das innige Verhältnis zu den allen von Hand gemachten und traditionell handwerklichen Produkten. Von der von vielen Frauen so begehrten Birken-Bag in der genau soviel Liebe und Detailversessenheit steckt wie in einem kleinen sechseckigen 72er Portemonnaie oder der Sattlerabteilung, mit den wunderbaren handgefertigten Sätteln, denn bevor Hermès Menschen anzog und Taschen machte, zog das Unternehmen als Sattler zuerst die Pferde an.

War man einmal da, will man immer wieder hin, um diese Wunderwelt zu erleben. Die Mitarbeiter sind liebenswürdig und haben ein stolzes und warmes Verhältnis zu ihrer Firma und wirken sehr familiär – man fühlt sich geborgen und gut aufgehoben, die meisten Gesichter sind einem seit Jahren vertraut und Hermès ist berühmt dafür, dass die Mitarbeiter praktisch lebenslang ihrem Haus verbunden bleiben. Das soziale Netz innerhalb der Gruppe ist sehr ausgeprägt: es werden sogar Reisen zusammen gemacht. Es ist ja auch eine Firma die die Reise zum Thema hat und die Mitarbeiter werden nach einem ausgeklügelten System geschult ,bestärkt und betreut.
Seit über 25 Jahren besuche ich die Rue du Faubourg St.Honore und wie ein Baukasten erweitert sich die Kollektion von Portemonnaie, Agenda, Gürteln, Notizblöcken, Foulards und Einstecktüchern Schritt für Schritt und da alles ja zeitlos ist, ergänzt es sich auf perfekte Weise. Außerdem hat das Haus ein Geheimnis was es von anderen Luxusmarken unterscheidet bei: Hermès kauft man nichts einfach so, sondern man geht mit dem erworbenem Stück einen Bund fürs Leben ein und auch mit deren liebevollen Schöpfern, den Handwerkern des Hauses Hermès.
Denn Luxus ist das, was man reparieren kann – sagte schon der Großvater von Pierre-Alexis und so seh‘ ich das auch. Von den wunderbaren Ateliers und ihren Handwerkern hatte ich schon viel gehört und auch gesehen: Alte Stücke werden immer wieder angekauft oder zerlegt, um die alten Handwerkstechniken, die verloren gegangen sind, zu ergründen, Handwerker aus dem Ruhestand geholt, um sie an die jüngeren weiterzugeben. Das Perfekte ist nicht perfekt genug, und man erfindet und entwickelt immer wieder neue Gerbetechniken und raffinierte Leder-Bearbeitungspraktiken. Die Werkstätten sind Bewahrer und Weiterentwickler – ein Familienunter- nehmen denkt eben nicht in Quartalen oder Jahresbilanzen, sondern richtet seine Geschäftspolitik auf die Generationen der nächsten 150 Jahre aus – ihr Kapital ist die Treue der Mitarbeiter und Handwerker und die ihrer Kundengenerationen. Fein – das gefällt mir natürlich sehr.
In dem Interview erzählten Madame Mussard und Monsieur Dumas auf seine liebevolle Weise von den Schicksalen, die die Hermès Handwerker gerettethatten, von Taschen die seit Generationen weitergegeben werden und immer wieder auf den Sattlertischen landen um restauriert oder eingepflegt werden. Ich war fasziniert bis aufs Äußerste, denn auch bei sehr sehr namenhaften Marken war außer dem Verkaufen und das Geld-für-die-Ware-abnehmen, bei der kleinsten Reklamation oder Reparatur der Service schnell am Ende, und man wird in den Läden dann eher als lästig empfunden bzw. abgewiesen und schroff behandelt.
Ich wollte Hermès auf die Probe stellen: Zunächst mit meinem Federmäppchen das mich seit 25 Jahren begleitet und deren Nähte gerade kaputt gingen.
Kein Problem nach einem Monat war das Mäppchen wie neu – wieder da – zu einem akzeptablen Preis liebevoll restauriert – das wird jetzt bis zum Lebensende halten.
Aber irgendwie war mir die Probe nicht groß genug eine schwierigere Aufgabe musste her:
Also ging ich mit meiner 45 Jahre alten ‚Sirius Sac a Depeche ‚, die vor mir lange Jahre einem Geschäftsmann als Aktentasche gedient hatte, dann das traurige Schicksal einer Werkzeugtasche gefristet hatte und dabei den Boden und die Seitennähte verloren hatte. 50% ihrer wunderschönen braunen Farbe waren verschwunden ,dafür aber reichlich Kratzer, Schrammen und sogar partienweise Löcher bekommen hatte. Sie war total im Eimer als sie mir ein Freund brachte, der meinte ich würde solche Dinge doch lieben. Natürlich eroberte sie total mein Herz aber was sollte ich mit einer Tasche, die keinen Boden hatte, aber natürlich dachte ich sofort: Welch bedrückendes Schicksal diese Tasche wohl gehabt hatte und was sie schon alles erlebt hatte. Welcher Handwerker sie wohl erdachte und produzierte??
Ich schlug mein Prachtstück in ein Tuch ein, und wurde damit bei der Empfangsdame im Faubourg St.Honoré vorstellig.
Ich war ein bisschen aufgeregt weil ich eher damit rechnete das man mir die Resttasche um die Ohren hauen würde und die Reparatur als nicht mehr machbar galt.
Aber weit gefehlt – Hermès hält seine Versprechen: Ein älterer Täschnermeister aus den Ateliers wurde gerufen, der sich liebevoll mit weltoffenem Blick und der Zärtlichkeit mit der nur Handwerker ein Stück in die Hand nehmen können schaute sich den Patienten an, und meinte: kein Problem – sie würden die Tasche genauer untersuchen und dann alles auflisten was zu tun sei und mir mitteilen was zu investieren wäre. Nun wollte ich aber nicht das die Tasche in den Neuzustand versehen würde, sondern sprach genau ab, dass diese Tasche zwar restauriert werden sollte, aber ihren Vintagecharakter behalten sollte, das heißt, die Ateliers würden alles 1 a auf Vordermann bringen, aber dann die gesamte Patina wieder auftragen, so dass die Geschichte und das Leben des Stückes sich noch widerspiegeln würden. Dieser Gedanke beflügelte den Handwerker nur noch mehr und er versicherte mir das ich die Tasche genau in dem Zustand zurück bekommen werde wie, ich es mir vorstellte.
Gesagt getan – nach einer Wartezeit von knapp zwei Monaten bekam ich ein Schreiben, dass, wenn ich das nächste mal in Paris bin, die Handwerker von Hermès mich mit der fertigen Tasche empfangen würden, und das ich doch bitte einen Termin ausmachen sollte.

Aus einem frischen Taschenbeutel kam es dann hervor – mein Traumstück und ich konnte nur staunen, das das Elendsbild was ich verlassen hatte, sich unter den Händen der Zauberer von Hermès in eine traumhafte Vintagetasche verwandelt hatte derer man nicht ansah das sie zwei neue Seitenteile und einen Boden bekommen hatte.
Es war, als wenn 50 Jahre altes Originalleder verwandt worden war, und die Tasche erzählte auf einem Blick ihre ganze Geschichte – geweckt durch die Pflege und den Sachverstand von Menschen, die ihre Arbeit lieben. Es erschien mir wie ein Wunder.
Die Investition hatte sich mehr als gelohnt!! Und die größte Belohnung für den Meister war in dem Moment mein Lächeln und meine Freude. Außerdem bedankte sich der Herr bei mir, weil er seinen Lehrlingen an dieser Tasche zeigen konnte wie man damals gearbeitet hatte und das er daran die Technik weitergeben konnte. Die Reparatur hatte also auch noch der Überlieferung des Handwerks gedient. Darauf war ich ein bisschen stolz und es wurde mir klar, das man zur Hermèsgemeinde gehört, wenn man die Ästhetik und die Qualität zu schätzen weiß.
Die Tasche wird mich bis an mein Lebensende begleiten genau so wie das Haus Hermès – es ist wie eine Love-Affair mit der Tasche, mit dem Haus mit den Handwerkern – sei gut zu den Dingen, dann sind die Dinge auch gut zu dir.
Hermès löst seine Versprechen ein – das war mir nun klar. Und das bestimmt auch noch die nächsten Generationen.

  • Lars Vegas
    15. Oktober 2010 at 18:12

    ganz dumm gefragt: sowas kostet ein vermögen oder?

  • Sven J
    15. Oktober 2010 at 18:55

    @Lars Gute Frage
    BTW Ich mag bei dem Stilleben oben Paulchen Panther als Bruch!!

  • Daisydora
    15. Oktober 2010 at 20:24

    Was für ein großartiger Bericht 🙂 wie eine Dokumentation auf Arte, in dem die gute Gesinnung zu Tage tritt, durch den man versteht, dass man auch mal Dinge kaufen sollte, die was wert sind und einen lange begleiten, weil man sich so sein Leben nicht vermüllt …….was auch ganz im Sinne der Schonung von Ressourcen und der Vermeidung von Müll ist … natürlich kann nicht jeder Taschen, Portemonnaies und Federmäppchen von Hermes kaufen, aber etwas davon, was hier drinnen steht, kann jeder für sich mitnehmen. Sehr exotisch, aber goldrichtig, danke Peter Kempe!

  • Blomquist
    15. Oktober 2010 at 21:13

    Ich bin sprachlos vor Begeisterung.
    Das passiert mir sehr selten.

  • peter kempe
    16. Oktober 2010 at 10:09

    es geht nicht darum das jeder sich bei hermes etwas kauft und es kostet auch kein vermögen wenn man bedenkt das mein ältester gürtel den ich immer noch trage 28 jahre alt ist,hätte ich mir in den letzten jahren 45 gürtel von h&m gekauft hääte ich mehr geld ausgegeben und keinen mehr davon.von solchen stücken trennt man sich nie wieder und schließlich kann man sowas auch second hand kaufen und dabei ein schnäppchen machen und es hält genau so lang :-))ich mag diese treue das ist etwas sehr hübsches warmes das gefällt mir…

  • Nina
    16. Oktober 2010 at 11:09

    ♥♥♥♥♥♥

  • Daisydora
    16. Oktober 2010 at 12:40

    @peter kempe

    Bei mir läufst du da öffene Türen ein, wobei Frauen modisch gesehen zu etwas mehr Kurzlebigkeit tendieren, als Männer, die mitunter auch Schuhe füs Leben kaufen. Mir gefällt deine Gesinnung, ich liebe es, wenn Vivienne Westwood sagt, man braucht nicht so viele Klamotten, aber gute Klamotten … und Nachhaltigkeit in Unternehmen ist sowieso ein Zukunftsthema Nummer 1.

  • Nik
    17. Oktober 2010 at 14:38

    Klasse Bericht, genau wegen solch persönlichen und ansprechenden Beiträgen schaue ich hier mindestens einmal am Tag vorbei 🙂
    Aber ich hätte mir jeweils ein Foto vor und nach der Restaurierung gewünscht!

  • itsallaboutchanel
    17. Oktober 2010 at 15:41

    Interessanter Artikel. Habe ich mit Freude gelesen.

  • yormas
    19. Oktober 2010 at 09:39

    schön zu hören, dass Hermes sich noch so um seine Kunden kümmert. bei Prada habe ich da leider ganz andere Erfahrungen gemacht: kurz nach dem Kauf reißt eine Naht des henkels, also einschicken nach milano, nach über 2 Monaten kommt tasche zurück, nichts repariert, mit der Begründung:die schuld läge beim Kunden.. auch wenn die Tasche „nur“ halb so teuer ist wie die Birkin von Hermes könnte man doch eine angemessene behandlung erwarten, so entledigt sich Prada nur selbst seiner kunden.

  • Dana Li
    4. Februar 2011 at 11:14

    Ach, Peter, immer so tolle Geschichten. Du könntest ein Mode-Märchen-Buch schreiben! Ich würde gleich siebenundsiebzig Exemplare bestellen, eines behalten und die anderen an die, die es zu schätzen wissen, zum Geburtstag verschenken.

    Was meinst Du?

  • Horst
    4. Februar 2011 at 11:26

    ich würde auch eins nehmen 🙂

  • peter kempe
    4. Februar 2011 at 11:36

    @dana li

    ich werde gerade ganz ganz rot aber ehrlich egsagt würd ich gern so ein buch schreiben!!!

  • MaiTai
    15. März 2011 at 11:26

    Ich bin aus Zufall hier gelanded, und habe mit grosser Freude diesen wunderbaren Artikel gelesen. Die Philosophie des Hauses ist in Ihrem persönlichen Erfahrungsbericht perfekt dargestellt, es ware eine herrliche Lektüre. Gratulation zur Restaurierung Ihrer Sac à Depeche, sie ist ein Prachtstück!

  • cacanito
    18. Oktober 2011 at 15:38

    Was für ein toller Post <3

  • Macs in the City
    19. Oktober 2011 at 14:29

    Congratulation, man kann Ihre Freude förmlich spüren! Ich liebe diese „orangen“ Geschichten und es ist immer wieder schön darüber zu lesen, wenn jemand die Philosophie hinter der berühmten Marke sieht. Leider ist sie eine der wenig verbliebenen, die ihre Standards so hoch halten.

  • Ulla R.
    29. März 2013 at 02:12

    Hallo und guten Abend,
    ich bin auch zufällig auf dieser Seite gelandet.
    Mit Begeisterung habe ich diesen Bericht gelesen, und ich hätte ewig weiterlesen können …..
    Hier wird so liebevoll und warmherzig über die Handwerkskunst geschrieben, dass einem das Herz aufgeht.
    Gerade in dieser schnell-lebigen Zeit, finde ich es besonders gut, dass es noch Menschen gibt, die den Wert „alter“ Dinge zu schätzen wissen.
    Ich hoffe auf ein Buch lieber Peter …. vielleicht ist es ja schon in Arbeit … ich würde mich jedenfalls sehr darüber freuen …