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Jersey ist das neue Jogging – oder wie man die Kontrolle über sein Leben wieder bekommt …

Chanel Croisiere Horstson Fashion Blog
Bild: Chanel

Wer hat es nicht gelesen in den letzten Wochen und Monaten, das Zitat von Altmeister Karl Lagerfeld „Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Auweia, da wurden wir alle kalt erwischt, denn wer fläzt sich nicht gern zu Hause in der „Jogging-Flinte“ oder, wie es der geniale Kolumnist Philipp Tingler bezeichnet, „Fat Pants“ auf dem Sofa herum.
Für alle, deren schlechtes Gewissen sich in Grenzen hält, sicherlich meint Lagerfeld dies auch nicht, aber er meint sicher Menschen vom Typ russischer Oligarchen, die meinen, jeder Kleiderordnung Dank großer Geldsummen entgehen zu können. Drei Streifen Hosen als Tages- oder Straßenkleidung liegt auch in Berlin Mitte bereits mehr als ein Jahrzehnt als Trend zurück und an der Supermarktkasse wollen wir auch nicht zwischen tief sitzendem Schritt und Ausbeulungen „Fat Pants“ Träger mehr beobachten, wie sie nach Kleingeld in den Taschen suchen.
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Bild: Chanel

Alles im Leben hat seine Zeit und seinen Platz und die Jogginghose gehört genau dort hin, wo sie einmal für gedacht war: zum Sport oder gegebenenfalls aufs Sofa. Wobei es sich dort dann mit der Sportlichkeit in den meisten Fällen erledigt hat …
Nun wäre Karl Lagerfeld aber nicht Karl Lagerfeld, wenn er nicht just nach so einem Zitat zumindest das Material, welches im Fokus seiner Kritik stand, aufgreifen würde. Und siehe da, ein paar Monate später ist Jersey schon wieder präsent. Jersey – der Stoff, mit dem die ganze Krux begann und welchen keine geringere als Coco Chanel quasi hoffähig gemacht hat.

Als Coco Chanel von 1913 bis 1918 den ersten Weltkrieg überwiegend in Deauville und Biarritz verbrachte und die Stoffe immer knapper wurden, und zudem die meisten Frauen auch noch arbeiten mussten, fand sie bei dem Stoffhersteller Rodier ein Material, das er eigentlich für Herren-Unterhosen & -Hemden, besonders fürs Militär ersonnen hatte. Es war ganz fein auf Maschinen gestrickt und hatte eine Farbe, die mal sehr modern werden sollte: Beige. Rodier dachte da eigentlich praktisch, denn man sollte den Dreck nicht so schnell sehen und es weniger waschen müssen. Mademoiselle schneiderte daraus ihre ersten gegürteten Jacken und einfache Röcke und erfand damit eher nebenbei die erste Sportswear.
Nach dem ersten Weltkrieg exportierte eben dieser Rodier seine Stoffe nach Amerika und es wurden die ersten Sweatshirts und Hosen mit Gummizug für Boxer daraus. 1936, bei den Olympischen Spielen in Berlin, wird diese amerikanische Lässigkeit das erste Mal den Europäern durch Joe Lewis und die anderen Sportler der Amerikaner bewusst. Spätestens mit dem Einzug der GIs nach dem zweiten Weltkrieg nimmt die Geschichte dann ihren Lauf und neben Blue Jeans und Chewing Gum kommt auch die Jogging Hose endgültig ins gute alte Europa.
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Bild: Chanel

Wie bei allem, was im Kreis läuft, kommt es dann irgendwann zum Ursprung zurück und für die Croisière Kollektion 2013/14 hat Karl Lagerfeld genau dort wieder angesetzt, wo alles begann: beim Jersey. Sportlich und doch feminin-elegant und stilvoll, die Jersey-Ensembles – bequem, weil elastisch und doch meilenweit von der Jogginghose entfernt. Eine weite fließende Hose, die aber durchaus gesellschaftsfähig daher kommt. Sie werden sicherlich die Verkaufsrenner der nächsten Saison. Bliebe nur die Frage an Karl Lagerfeld, was für die Jungs die Alternative sein könnte, denn auch wir hätten gern die Kontrolle über unser Leben zurück.

Auf jeden Fall freu‘ ich mich auf den nächsten Sonntag, wenn das Sofa lockt und drei Mal dürft ihr raten, was ich dann trage …

  • Siegmar
    7. Juni 2013 at 13:34

    Zuhause eine Jogginghose ist super und ein altes aber liebgewonnens Schweatshirt. Auf der Strasse niemals. Bei Chanel sehen die Jersey-Hosen wirklich gut aus, der Tragekomfort wird sicherlich toll sein und einige Frauen werden sicherlich dankbar sein.

  • Gerd
    7. Juni 2013 at 15:58

    Peter, Du in Jogginghose ?
    Kann ich mir nicht vorstellen.

  • Annemarie
    7. Juni 2013 at 20:32

    Na ja, hauptsache keine Ballonseide…

  • Daisydora
    8. Juni 2013 at 09:24

    Weite oder auch enge Ballonseide, da stimme ich Annemarie zu, die ist tabu ….

    … aber ich finde, heute gibt es von so vielen auch teuren Labels (Junya Watanabe & Co.) und den Sportartikelherstellern so tolle, auch elgante (engere) Sporthosen, die ich manchmal sogar unter Kleidern trage …. erst recht, wenn ich zum Bäcker um die Ecke gehe. Und in meinen Sporthosen mit Makramee Trench drüber, sehe ich eleganter aus als Lidsay Wixson in diesem Beigen Pyjama von der großen Schwester mit old fashioned Gruselstyling … Ganz im Ernst: Ich verstehe, was Karl Lagerfeld meint, aber Eleganz kommt immer von Innen und es gibt Leute, die in modischen Sportklamotten, mit Fantasie kombiniert, auch untertags toll aussehen …. und manchem hilft alle Kunst von Karl Lagefeld nichts, beim Versuch, Eleganz darzustellen … Der Bericht ist aber wie immer sehr interessant und toll geschrieben, danke! 🙂

  • Markus
    8. Juni 2013 at 18:57

    Peter, was soll ich sagen, i love, der bericht ist mal wieder klasse

  • natuerlich fit
    13. Juni 2013 at 09:01

    Also ich muss sagen ich hab mich totgelacht als du von den russen erzählt hast die mit den 3 streifen Hosen rumlaufen 😀 😀

    Wenn ich ganz ehrlich bin hab ich schon oft gedacht, man ich will auch so einen Jogginganzug.
    Solange ich damit nicht in der Firma aufkreutze ist doch alles gut 🙂

  • Über Mode nachdenken | Horstson
    23. Juni 2013 at 12:09

    […] habt ja in Peters wunderbarem Bericht „Jersey ist das neue Jogging – oder wie man die Kontrolle über sein Leben wieder bekommt &#823…“ gelesen, was Karl Lagerfeld allen Trägern von Jogginghosen hat ausrichten lassen: “Wer […]