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Hermès Women Spring Summer 2012 – A Family Affair

Es gibt Modekonzerne und es gibt Modehäuser, die wie Familien wirken. Chanel ist das Präziseste und Hermès das geborgenste Modehaus der französischen Hauptstadt.
Alle Häuser machen immer größere Shows in bombastischen Locations. Hermès Präsentationen werden immer intimer und die Besucherzahl der Schau wurde auch in dieser Saison weiter reduziert. Es wirkt wie eine Rückkehr in die Zeiten, als zu den Schauen nur wenige Gäste zugelassen waren und es um die Tiefe der Kollektion ging und weniger um deren Inszenierung.

Dem Zugriff auf das Familien-Unternehmen durch Konzerne wie LVMH oder andere Investoren, die sich gerne ein Stück dieser Marke sichern möchten und Teil des prestigeträchtigen Luxus Sattlers werden wollen, machte die Familie kurz vor den Prêt à Porter Schauen den Garaus: Ein Vertrag mit sämtlichen Teilhabern aus der Familie besiegelt, dass die nächsten zwei Jahrzehnte keiner mehr Anteile an Heuschrecken oder Ahnliche verkaufen kann.
Wie weise, wenn man diesen wunderbaren Kosmos der Handwerker, die noch jedes Teil in Einzelanfertigung herstellen und Firmenzugehörigkeiten aufweisen wie vor dem zweiten Weltkrieg, schützt.
„Achte auf deinen kleinen Kreis, die Welt kannst du eh nicht retten“ dachten sich die Hermes Leute und zogen eine deutliche Grenze zur unendlichen gierigen Globalisierung der Welt. So bleibt mein Lieblings Luxus Prêt à Porter und Lederwarenhaus also bis auf wenige Anteile A Family Affair!!
Man kann nur gratulieren zu so viel Mut und der Überzeugung, immer bei seinen Wurzeln zu bleiben.„Wer gut zu den Dingen ist, zu Dem sind auch die Dinge gut“ – dieser Wahlspruch spielt hier die Hauptrolle seit über 150 Jahren.

Die Frühjahrs Kollektion für Damen, die in der letzten Woche gezeigt wurde, spiegelt eine große Eigenständigkeit wieder und wirkt sehr, sehr individuell und passt so gar nicht in das Bild der allgemeinen Tendenzen, die in Paris und Mailand gezeigt wurden.
Eine Mischung zwischen Sonia Delaunay inspirierten Drucken und den dem Haus eigenen Seidendrucken dominierte, in einer starkfarbigen aber durchaus fragilen Kollektion das Bild der Durchgänge.
Christophe Lemarie setzt teilweise die Grundlinie fort, die er in der Winterkollektion schon manifestiert hatte und bringt eine ganz neue Facette hinzu: Feminine Sportswear, damals Casual Look genannt, von Modemarken wie Anne Marie Beretta, Ted Lapidus oder Dorothee Bis geschaffen. Anfang der Achtziger etabliert, zeigten diese Häuser erstmals legere fließende Seidenhosen und Tunika-Kombinationen. Genau diese könnten Pate gestanden haben bei Lemaries nächster Sommerkollektion.

Einfach, aber doch ganz, ganz weit weg vom Purismus gibt es Blusenblazer zu City-Bermudas, knielange, weitere Knickerbocker mit Stehkragen-Blusen, leicht oversizede, fließende Blazer-Jacken zu Haremshosen.

Irgendwie stehen diese Teile für mich weit neben der landläufigen Tendenz, die zur Zeit gezeigt wird, die sehr ins Angezogene und „Coutureige“ tendiert.
„Poverty de luxe“ schrieb Harper’s Bazaar 1926 als Chanel ihr kleines schwarzes zweiteiliges Kleid lancierte und genau das triffts. Moutarde wechselt mit Bleu Eclat und Hermes Orange und Soleil in einer insgesamt eher starkfarbigen Farbpalette ab.

Ausgestellt Röcke und an Chasubles erinnernde Westen runden das Bild ab. Trotz der starken Farben vermittelt die Kollektion insgesamt intellektuelle Zurückhaltung und wirkt eher kosmopolitisch. Ohne Frage eine Linie, die Persönlichkeit und eine emanzipierte Frau fordert, weniger ein erotisches oder gar weibchenhaftes Frauenbild anspricht.

Hermès ist Kultur und genau so sieht die Kollektion auch aus: Frauen, die ihre Linie, ihren Stil und ihr Standing haben und sich zeitlos und ultrachic kleiden wollen.

Besonders liebenswert fiel bei der Präsentation auf, dass auch die Eltern von Christophe Lemarie im Publikum saßen und ganz stolz auf ihren Sohn waren. Sie fühlten sich wohl und gaben ihrem Sohn die tiefe Bestätigung, dass er nicht nur in seiner Familie geborgen ist sondern auch in seiner Berufsfamilie Hermès.

Die Kollektion wurde mit sehr großem Applaus bedacht und mit vielen liebevollen Blicken bedacht, sie überzeugte durch ihre Eigenständigkeit. Weil sie vielleicht auch von Menschen gemacht ist, die nicht nur gut zu Dingen sind, sondern auch zu den Mitarbeitern und den Kunden des Hauses. Es ist und bleibt a Family Affair – und das ist auch gut so.

Alle Bilder: Hermès

  • Therese
    10. Oktober 2011 at 15:58

    leider gefällt mir diese Kollektion nicht sonderlich, sehr kastig und scheichelt der Trägerin nicht 🙁

  • siegmarberlin
    10. Oktober 2011 at 16:52

    @ peter kempe
    Dein Berichte wie immer grandios, die Entscheidung von Entscheidung von Hermes nicht sich kaufen lassen, zeugt wirklich von Famliensinn und nicht nur “ Geld zu schaufeln „, in einem muss ich Therese Recht geben, die Kollektion gefällt mir auch nicht wirklich, sie hat keine Ausstrahlung.

  • Daisydora
    11. Oktober 2011 at 10:19

    Die Damenkollektion verstehe ich diesmal auch nicht, gehe aber davon aus, dass du recht hast Peter und die goldrichtig ist für die Clientele von Hermès ….

    ….deine Begeisterung und Emphase für das Traditionshaus haben mich schon so angesteckt, dass ich mich auf jeden neuen Bericht freue …