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Der König des Interieur – Jean-Michel Frank

Ein Mann steht am offenen Fenster in New York – er ist Franzose, es ist zweiter Weltkrieg in Europa und er springt in die Tiefe aus seinem Apartmenthaus – er ist sofort tot.

Der Mann heißt Jean-Michel Frank und ist das größte Phänomen des 20. Jahrhunderts was die Inneneinrichter und Interieur-Szene in Europa betrifft. Anfang der dreißiger Jahre hat er sich mit Adolphe Chanaux zusammen selbständig gemacht und einen total eigenen Stil kreiert. Sein Apartment für die Comtesse de Noilles in der Maison Bischoffsheim (heute Firmensitz der Cristallerie Baccarat) hat ihn in der Welt der Pariser Schönen und Reichen berühmt gemacht und seine Ausstattung für Nelson Rockefellers Apartment in New York unsterblich.
Er arbeitete mit Alberto Gicometti zusammen – dem begnadeten Bronzegiesser, dessen Bruder Diegos Figuren zu den hochgehandelsten Bronzeskulpturen des Kunstmarktes zählen. Seine Entwürfe wurden in den Ateliers von Hermès mit Leder bezogen wie die berühmten Clubsessel und die Galuchat- (Rochenhaut-) Tischchen. Paravents wurden mit allerfeinsten Stroh Marqueterien überzogen. Sein Stil war clean und doch verspielt – klar, aber ungeheuer luxuriös.

Im Gegensatz zum strengen französischen Art Deco waren seine Farben weiche Cameltöne, warmes Beige und die Ungewöhnlichkeit der Materialien revolutionär.

Sein Laden am Faubourg Saint Honoré wurde zum Wallfahrtsort für alle Menschen, die sich für Einrichtung und dem damals noch nicht erfundenen Design interessierten. Sämtlich nachfolgenden franz. Designer diente Jean-Michel als Vorbild. Frank perfektionierte die Handwerklichkeit der Möbel und brachte ungeheure Meisterwerke hervor. Christian Berard entwarf für ihn Teppiche und Tappisserien, die romantisch und doch auch ein bisschen melancholisch wirkten – der Stil war vollkommen durch die kongeniale Kombination der Handwerker von Hermès und der Tischler und Ebenisten, die die Möbel schufen.

Gelangen heute Stücke von Jean-Michel Frank in den Antiquitätenhandel, werden Mond-Preise aufgerufen. Nach dem Tode von Yves-Saint Laurent wurden viele Möbel aus der Pierre Bergé und YSL Sammlung für ungeheure Summen versteigert und in der Rue de Sein in Paris widmet sich eine Galerie (Arc En Seine) nur seinen Entwürfen.

Ende der dreißiger Jahre verdüsterte sich die Zeit über Europa und als sich abzeichnete das die Deutschen Frankreich besetzen würden, musste Jean-Michel Frank seine Heimat als jüdischer Mitbürger verlassen. Er emigrierte nach Amerika. Trotz Aufträgen und vieler, die auch vor dem Gräuel der Nazis fliehen mussten, wurde er nie warm mit New York, und so kam es zu diesem Morgen 1941 an dem er am offenen Fenster stand. Seine Cousine erlangte traurige Berühmtheit weil man, nachdem sie in Bergen Belsen gestorben war, ihr Tagebuch in dem Familienversteck in Amsterdam fand „Das Tagebuch der Anne Frank“

Die Firma Hermès hat jetzt fünfzehn seiner Entwürfe – unter anderem den tollen Clubsessel und die Strohparavents wieder aufgelegt, sie haben sie ja schließlich damals auch gemacht und so lebt sein Werk ein bisschen weiter fort.
Jean-Michel Frank hat die Masstäbe gesetzt für Möbel des zwanzigsten Jahrhunderts und ich verehre ihn zutiefst. Ein introvertierter Sonderling, der der Welt soviel Schönes geschenkt hat und doch ein so unglücklicher Mensch war.
Tausend Dank Jean-Michel…

  • peter kempe
    22. Dezember 2010 at 13:52

    @ann.kathrin leider nur in paris im neuen st.germain laden!!

  • Daisydora
    22. Dezember 2010 at 14:07

    @Peter

    Ich weiss nicht, wie du das machst: Jedenfalls habe ich wieder ganz ergriffen geseufzt und finde den Bericht wunderschön und lehrreich!
    Danke Peter und viel Spass noch in der Weihnachtsmannwerkstatt 🙂

  • siegmarberlin
    22. Dezember 2010 at 14:32

    @Peter

    ein wirklich sehr schöner Bericht, besonders gefallen mir von ihm, die Tische die mit Rochenleder überzogen sind. Wen ich ich im Zusammenhang mit diesem Bericht auch ganz grossartig finde geht aber meistens unter, die wunderbare Eileen Gray.

  • dacio
    19. Januar 2011 at 17:36

    Hallo,
    super Artikel, geht mal im Vergleich zu anderen Blogs (ich nehme mich da nicht aus) mehr in die Tiefe. Sehr interessanter Einblick!