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Chanel Cruise Collection 2014/15 Dubai – Karls West-östlicher Divan

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Bild: Olivier Saillant

Karl Lagerfeld lud für die Cruise Collection 2015 in eine Stadt ein, die futuristischer nicht sein könnte und vor fünfzig Jahren noch kaum existierte – Dubai. Das Set der Präsentation war ein in sechswöchiger Arbeit errichteter Pavillon auf einer vorgelagerten Sandinsel, der komplett mit goldenen orientalischen Gittern, den sogenannten „Marshrabiyas“, allerdings in der Form der ineinander verschlungenen C’s, ausgekleidet wurde …
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Bild: Olivier Saillant

Bei Sonnenuntergang bildete mit dem magischen Licht vor der Skyline von Dubai alles eine unglaubliche Atmosphäre, die wie ein in Gold gehüllter Traum wirkte. Das Dekor beeindruckt sicherlich nicht zum ersten Mal in der Geschichte der Cruise Kollektionen von Chanel. Ursprünglich wurde die Cruise Kollektion als leichte Zwischenkollektion für die Kreuzfahrten konzipiert, doch mittlerweile ist sie mit ihren fast hundert Looks und der Aufwendigkeit einer Arts et Métiers Kollektion zu einer der Hauptkollektionen des Jahres. Ein Pensum, das Lagerfeld scheinbar mühelos stemmt und das nach einer der umfangreichsten Prêt-à-porter Schauen, die er im März im Grand Palais zeigte …
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Bilder: Chanel

Chanel setzt statt auf Expansion auf die Perfektionierung und die immer detailliertere Ausarbeitung der einzelnen Teile und der Looks. Kein Teil ist aus einem Stoff, der frei bei den Webern verfügbar ist und die Drucke und Seidendesigns wurden alle eigens für die jeweilige Kollektion passend zum Thema erarbeitet. Exklusivität steht im Vordergrund und die Paraffection-Ateliers entwickeln immer neue Handwerkstechniken, um die Designs von Karl Lagerfeld perfekt umzusetzen.
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Bilder: Chanel

Das Thema „Orient“ auf eine genau so futuristische Weise umzusetzen, die das Tempo und Wachstum von Dubai beschreibt, genügt dem Phänomen Lagerfeld natürlich nicht. Lagerfeld, einer der gebildetsten Menschen, den ich kenne. Als Allroundgenie setzt er mit einem Augenzwinkern Bezugspunkte zu den drei größten Einflüssen in den letzten drei Jahrhunderten, die der Orient auf unsere europäische Kultur hatte, und schlägt damit spielerisch den Bogen Paris-Dubai.
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Seine moderne Orientalin ist inspiriert von der Suleika aus Johann Wolfgang von Goethes West-östlichem Divan, der die Gemüter Anfang des 19.Jahrhunderts bewegte und der Revolution des Fin de Siècle, den Roben des Paul Poiret, wie „Minaret“ oder „Sagesse“, die an seiner Frau Denise eine Moderevolution einleiteten. Die orientalischen Farben des Bühnenbildners Léon Bakst für das Ballett „Scheherazade“ ließen Europa in leuchtendem Orange und Rottönen der arabischen Mosaike erstrahlen. Diana Vreeland war zeitlebens fast besessen von der Idee der Farbtöne von Bakst. Kultureller Hintergrund und kindlicher Blick wird verbunden mit dem Know-how unserer Zeit und „chanelisiert“ mit den Ikonen des Hauses – so etwa lautet des Meisters Patentrezept. Herausgekommen ist ein Feuerwerk an Ideen, das ab Ende November einen Hauch von Dubai in die weltweit über dreihundert Chanel Boutiquen wehen wird …
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Bilder: Chanel

Schaut man sich die einzelnen Looks an, die gewürzt durch typische Lagerfeld Gadgets wurden, wie Taschen in Form eines Ölkanisters, orientalischen Mondsichel-Broschen oder Kaskadenperlen, wird mit Effekten wie Transparenz und Verhüllung, Glanz und mattem Gold gespielt. Tweed Kleider und Kostüme werden über gebauschten Haremshosen getragen. Die Hosen wurden, umgesetzt in Crochet oder Gazar, bis auf die Spitze getrieben. Besonders aufregend war die Kombination aus schmalen Zigarettenhosen und Tuniken aus aufwendigsten Materialien, wie goldenen Tweed aus Honan-Seide oder luftigen Blusen aus Musselin, die sanft die weibliche Silhouette umspielen. Die Chanel-Jacke in weiterer und verlängerter Form wird zu kunstvoll plissierten Pluderhosen ebenso kombiniert, wie einige Jacken, die in einer Art Trompe-l’œil mit den Effekten einer Doppeljacke spielen.
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Bilder: Chanel

Stickereien und Drucke spielen mit den starkfarbigen Designs der Iznik-Keramik und der Kacheln in den Moscheen. Motive in flamboyanten leuchtenden Kontrasten werden gegen schlichte, zurückhaltende Materialien gesetzt. Absolutes Highlight der Kollektion sind die traumhaft fließenden und lässigen Kleider, die man mit „im Garten Allahs“ umschreiben könnte.
Romantisch aber auch strikt nehmen sie die für Chanel typischen Kleider-Formen auf und bekommen durch die starken aber eleganten Muster neue Optiken. Einige Drucke oder auch Stickereien, die Materialien wechseln sich bei den Kleidern ab oder ergänzen sich, erinnern auch an die Designs des Malers Raoul Dufy für Paul Poiret. Lagerfeld selbst sagte, dass er sich lieber von Poirets Epoche inspirieren lässt, als von den Sechziger oder Siebzieger Jahren, wie es fast alle Designer im Moment machen …
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Bilder: Chanel

Natürlich darf die Referenz an die klassische „Djaballah“, das für Dubai typische Gewand, nicht fehlen und die orientalischen Schlupf-Pantoletten, die kunstvoll aus einem Stück feinstem Kalbsleder genäht werden, finden auch durchgehend ihre eigene Version für Chanel. Lagerfeld fügt ihnen einfach kleine, elegante Fesselriemen hinzu und macht sie dadurch zu einer „angezogeneren“ Variante.
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Bilder: Chanel

Die Paris-Dubai Cruise Kollektion ist ein weiteres Beispiel dafür, dass durch Lagerfelds Handlungsfreiheit die Welt von Chanel immer ein Stückchen größer wird und das sich die Kulturelemente der verschiedenen Kontinente auf das 21.Jahrhundert in moderner Form übertragen. Es gelingt ihm mühelos, sich mit uns auf eine Reise zu begeben und doch immer bei seinen Wurzeln zu bleiben, die immer einhundert Prozent Chanel beinhalten.
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Bilder: Chanel (links); rechts: Benoit Peverelli

Die Individualität der Trägerinnen und deren Kombinationen lassen diese Teile in einem anderen Licht erscheinen und machen sie überraschend zeitlos. Das ist eben Lagerfelds Trick, die Gegenwart mit der (von ihm so gehassten) Vergangenheit so zu verbinden, dass daraus die Zukunft wird.
Dubai ist eines der besten Beispiele dafür, wie wandlungsfähig, schnell und unberechenbar die Zukunft aussehen kann. Auch setzt Dubai den Maßstab für Superlative – sicherlich genau das, was Lagerfeld als Location daran reizte und was ihn herausforderte, die arabischen Nächte stilvoller und „très Chanel“ zu machen. Das Märchen von 1001 Nacht ist jetzt ein bisschen mehr Parisienne und Scheherazade trägt Chanel – eine ganz wunderbare Vorstellung von Karl Lagerfeld.
Glücklicherweise hat das, was Mode ausmacht, trotz Business und Fast-Fashion-Rhythmus, bei Karl Lagerfeld immer noch seinen Platz – das Umsetzen von Träumen in perfekt gemachte Kleider …

  • blomquist
    15. Mai 2014 at 10:29

    Wundervoll.
    Ich finde die Muster auf den Stoffen so toll und die Kanister-Tasche würde ich gerne besitzen!
    : )

  • Siegmar
    15. Mai 2014 at 10:41

    Peter,
    wie immer ein wunderbarer Bericht, einige Teile muss ich mir genauer ansehen. Erst dachte ich zu bunt, um dann feststellen gerade das gefällt mir und die Kanister-Tasche ist dekadent aber als Sammlerstück umwerfend. 🙂

  • Horst
    15. Mai 2014 at 10:44

    Gibts gar keine Broschen?? 🙁
    Die Kleider etc sind natürlich wundervoll und die Inszenierung dekadent 😉 🙂

  • J
    15. Mai 2014 at 16:57

    Gefällt von A bis Z, die Insel ist mir allerdings too much

  • Claudia Grande
    18. Mai 2014 at 14:03

    Wunderbar geschriebener Artikel!

  • Monsieur_Didier
    18. Mai 2014 at 14:42

    …sehr bunt, sehr hippiesk…
    aber im Sommer in südlichen Gefolden großartig…
    und ich mag bei jeder einzelnen Kollektion den spielerischen, gekonnten, humorigen Umgang mit den Accessoires…!