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Campana Brother – Brasiliens tolle Möbel-Barbaren

Die beiden brasilianischen Brüder Humberto, geboren 1953 und Fernando Campana, geboren 1961 sind mit die originellsten Möbel-Designer die ich kenne. Humberto war zunächst Rechtsanwalt, sein Bruder hat in verschiedenen Berufen gearbeitet. Lange vor dem Recycling-Fieber und Nachhaltigkeits-Trend verwandelten sie scheinbaren Müll in Möbel. 1983 machten sie sich selbständig mit einer Art „Favela Stil“ (die Vorstädte von Rio de Janeiro), indem sie Stühle aus geschichtetem Abfallholz, die wie Skulpturen wirkten, vorstellten.
Weit weg von der zu der Zeit in Paris aufkommenden Bewegung unter Designern wie Bonetti und Garouste, die ihren Barbaren-Stil präsentierten und zum Beispiel mit der Einrichtung des Modehauses von Christian Lacroix Möbel- und Interieur-Geschichte schrieben, hatten sie doch die gleichen Grund Inspirationen: Eine Art Mischung aus Fred Feuerstein/ Ethnik-Chic und Humor diente als Basis um einzelne Möbelstücke, die zunächst in kleiner Auflage gefertigt wurden, zu entwickeln.

Berühmt wurde der an Saarinens Form erinnernde Sessel ,der ganz aus Plüschtieren eine Sitzschale bildete und der Traum eines jeden Kinderzimmers ist. Der Ruf der beiden humorigen Brüder schwappte schnell über nach Europa und zunächst als Exoten belächelt: Brasiliens Recycling-wütigen Gebrüder.

Originelle Serien Stühle aus gerollten und zerschnittenen Filzrollen entstanden, die wie Paperweights gemustert wirkten. Ein Schrank der wie eine afrikanische Kraal Hütte aussah und viele Modelle, die mich immer wieder begeisterten. Der Sessel „Shar Pei“, der wie ein chinesischer Falten-Hund aussieht, ist mein absoluter Liebling.

Im letzten Jahr machten die Campanas eine Aktion und eine kleine Capsule Kollektion für Lacoste. Der Plüsch Tier Sessel wurde kurzer Hand in ein Steiff-Lacoste-Krokodil-Eldorado umgewandelt und in feinster Haute Couture Manier wurde ein Lacoste Polo gemacht, das aber nicht aus Piqué mit einem Krokodil bestand, sondern ähnlich wie die berühmte Spitze von Calais aus tausenden, ineinander verkeilten, zusammen genähten Krokodilen gefertigt wurde. Das Polo war limitiert und kostete um die 2000 Euro. Etwas für absolute Freaks. Aber ein weißes Piqué Hemd mit acht in Unordnung gekommenden Krokodilen auf der Brust, tröstete dann auch die weniger begüterten Lacoste-Groupies und war in höherer Auflage zu bekommen.

Die Designs der flotten Jungs wirken trashig – sind es aber überhaupt nicht. Ihre Entwürfe haben eher wie die von Gaetano Pesce Klassiker-Charakter und das Zeug dazu, in die Möbel Geschichte einzugehen. Kleine Ausflüge der beiden zu Kartell oder auch das designen eines Regenschuhs bleiben wohl eher die Ausnahme. In Deutschland wurden die Campanas berühmt, nachdem sie im Metropolitain Museum in New York 1998 gemeinsam mit dem deutschen Designer Ingo Maurer ausgestellt wurden – dort fielen sie mir auch das erste Mal ins Auge und ich liebe ihre Möbel weil sie auch etwas beschützendes haben, einen lachen lassen und der Phantasie freien Lauf lassen. Sicherlich ist eine ganze Wohnung zu viel mit ihren Objekten aber so ein Stück als Eye-Catcher macht Furore in der Wohnung.

Welch schöne Vorstellung wenn morgens beim Anziehen die Jacke und die Schuhe aus der Basthütte heraustreten und mit mir gemeinsam die Wohnung in den Großstadtdschungel verlassen.

Tausend Dank Humberto und Fernando für Eure tollen Phantasien…

Alle Bilder: Campana

  • siegmarberlin
    27. Juli 2011 at 12:59

    ein so gelungener Artikel über 2 “ Chaoten „. Mein Lieblingssessel ist “ Favela “ für Edra, ganz aus Holzstückchen und erinnert trotzdem ein bißchen an den LC2 von Le Corbusier. Das weisse Hemd find ich ganz klasse, da ich eh Lacoste Fan bin und die Idee morgens aus Basthütte zu treten ist grandios, Danke

  • Therese
    27. Juli 2011 at 13:53

    Ich musste auch sofort an einen Faltenhund denken als ich das Bild gesehen habe 🙂

  • Daisydora
    27. Juli 2011 at 15:09

    Ein herrlicher Artikel über gutes und originelles Design … ich liebe diese Stühle aus den Filzrollenscheiben ….

    Während ich das gelesen habe, fiel mir ein TV Bericht von vor Jahren ein, in dem es um Concept Stores, K&K und auch um dich ging. Ich fand das sehr interessant und stellte mir die Frage, wie geschmackssicher und beschlagen man sein muss, um du zu sein. Mittlerweile hast du alle mienre Fragen durch deine Berichte beantwortet… :-))

  • Horst
    27. Juli 2011 at 20:58

    Das Lacoste Shirt wollte ich damals unbedingt haben und spare immer noch 😀
    Der Kuscheltier-Sessel war neulich im Museum für Kunst und Gewerbe HH ausgestellt, dolles Ding, passt aber nicht in jede Wohnung…. 😉

  • Tina Süss
    9. August 2011 at 08:35

    OMG, ein Sessel aus Plüschtieren? Unglaublich! Weiß nicht in wie weit funktionell kann das sein, aber auf jeden Fall sieht er sehr originell aus.