Paris Fashion Week

Abheben im A 380 in die Zwanzigerjahre – Chanel Haute Couture

Im Grand Palais in der Galerie traute man vorgestern seinen Augen nicht, hatte man sich in der Tür geirrt, oder war nur zu früh im Flugzeug? Die komplette Kabine des A 380 lud ein, die Chanel Haute Couture Show für den Frühling – entworfen von Karl Lagerfeld – anzusteuern. Destination Chanel.
Und schwupps begann eine Reise, die nicht in eine bestimmte Stadt führte, sondern genau dorthin, wo man mit Chanel als Haute Couture Kundin reisen möchte, in die Zeitlosigkeit und Tragbarkeit. Im Gegensatz zur äußerst gelungenen und romantischen Dior Haute Couture, die an Bälle des Conte Etienne de Beaumont oder die Ära des Gründers Dior erinnern, wirkt die Chanel Linie klarer und strenger.

Lagerfeld besinnt sich auf Chanels erfolgreichste Zeit, die Zwanzigerjahre, als Chanel die Frauen befreite. Nach der Flapper und Charleston-Zeit rutschte die Taille auf die Hüfte und umspielte sanft die Silhouette der Frau. Die Rocksäume rutschten wieder tiefer. Chanel begründete damit die Sirenen-Silhouette der Dreißigerjahre.
Bei den Tageskostümen nutzt Lagerfeld als Fortsetzung der Paris Bombay-Kollektion die weiche Kragen-Lösung des kleinen halsfernen Stehrevers. Dieser lässt das Gesicht besonders weich und betont erscheinen, wirkt klassisch und doch avantgardistisch zugleich. Eine typische Lagerfeld Raffinesse.

Beim zweifarbigen Strick, Sonia Delaunay lässt grüßen, rutscht diese Kragenlösung als Passe auf die Schultern. „Simple Couture“ à la Mademoiselle, wie sie tausendfach die Mode in den Roaring Twenties beeinflußte. Neben Schwarz-Beige-Kombinationen wird gern zu Nachtblau und luftigem Blau gegriffen.
Überhaupt haben Karl Lagerfeld zu dieser Kollektion scheinbar die Blicke aus dem Flugzeugfenster zum Himmel inspiriert. Degradé in diversen Blautönen, leichte irisierende „bleu ciel“ Farbtöne, übergehend in wolkige Weiß-Schattierungen. Bei den Materialien reizvolle Kombinationen von leichten himmelblauen Tweeds mit irisierenden Pailetten und Stäbchen-Stickereien.

Für den Nachtflug bei den langen zweifach unterbrochenen Roben, werden kaum sichtbar, viele verschiedene Nachtblaus mit Asphalt und Schwarz, wie die Federn eines dunklen Raben schattiert.
Alle Kleider sind zeitlos und können von den Trägerinnen x-mal zu großen Anlässen getragen werden. Auch das hat sich bei der Haute Couture geändert, früher trug die Kundin ihre Roben maximal zweimal. Heute will man, wenn man schon so viel Geld ausgibt, so ein Kleid immer wieder tragen können. Auch wenn es mal ein paar Jahre den Schrank gehütet hat.

Insgesamt ist die Kollektion, die zweifellos in bester Handwerkstradition, mit hunderten Schnitt- und Material-Details ausgestattet ist, eine tief in der europäischen Kultur verwurzelte Kollektion.
Sie ist, wie der Franzose sagt, „Chanel a mort“. Das heißt, sehr sehr stark beeinflusst von dem Stil der Gründerin Coco Chanel. Lange war keine Kollektion mehr so ultraklassisch und hat sich befreit davon, Trends setzten zu wollen. Dies gelingt Karl Lagerfeld ja immer wieder mit den Arts et Métiers Kollektionen und für den täglichen Gebrauch im Frühjahr gibt’s ja schließlich auch die Croisiere-Kollektion. Sie ist Couture in der Spielart des Handwerks in reinster Form und läuft völlig außerhalb der Mode.

Ein bisschen kam mir immer wieder der Film „Midnight in Paris“ in den Sinn und die Zwanzigerjahre mit ihrer Leichtigkeit und ihrer Freiheit. Luxuriös und doch selbstverständlich – eine Kollektion, die durchaus in die Zeit des wirtschaftlichen Wandels zwischen Unsicherheit und Marktverschiebung passt.

Chanels A380 hob ab, ohne abgehoben zu wirken und lässt uns eine Reise zu den Wurzeln Chanels und der Couture erleben – sur le ciel de Chanel. Destination rue Cambon.

Alle Bilder: Chanel

  • Renate
    26. Januar 2012 at 09:16

    Wunderschön Peter!

  • O
    26. Januar 2012 at 09:19

    I DIOR YOUR CHANEL !

  • Martine
    26. Januar 2012 at 13:16

    Ganz toll, Peter!

  • FrolleinSuzy
    26. Januar 2012 at 21:15

    Oh die Sachen sind alle so toll.

  • Siegmar
    27. Januar 2012 at 11:28

    wunderbar und die Idee mit A380 ist ganz toll

  • Horstson » Blog Archiv » Willkommen an Bord – Zeitreise zurück zu einer Fluggesellschaft mit Kultdesign
    2. Februar 2012 at 14:22

    […] ich die Präsentation der von Peter beschriebenen Chanel Haute Couture Kollektion gesehen habe, wusste ich, dass mich das Defilee der Modelle durch die von Meister Lagerfeld […]