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Wie kann man nur, Frau Wulff?

Ist das Naivität, ist es sowas unschönes wie Gier oder einfach nur der Verlust jedweden Realitätssinnes?
Man hat noch nicht verdaut, was der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland da an halbgaren Ausflüchten und beherzten Einsichten von sich gab, von der zusammenfassenden Antwort seiner Anwälte auf über vierhundert Fragen, ganz zu schweigen … und nun geht es plötzlich um die Garderobe von Frau Wulff. Wer jetzt denkt, das sensible Thema hatten wir hier doch schon: Stimmt. Aber diesmal geriet die Herkunft der Garderobe der Präsidenten-Gattin in den Fokus des Focus, wie Spiegel online berichtet.

Nach Angaben des Focus soll Bettina Wulff mehrfach aufwendige Kleider deutscher Luxus-Modehersteller kostenlos genutzt haben. „Frau Wulff wurde von verschiedenen deutschen Modehäusern Bekleidung aus den im Handel käuflichen Kollektionen zur Verfügung gestellt“, sagte Wulffs Anwalt Gernot Lehr dem Magazin. „Einige Kleider wurden kostenlos bereitgestellt.“ Bei der Erstellung der Steuererklärung seien sie jedoch berücksichtigt worden.“

Du gute Güte, das macht es doch nicht besser. Wie konnte es dazu kommen, dass die First Lady eines der wichtigsten Industriestaaten der Erde Klamotten für angeblich mehrere hunderttausend Euro geliehen beziehungsweise zur Verfügung gestellt bekam und niemand vom Protokoll ist dagegen eingeschritten. Man kann sich doch nicht Klamotten schenken oder leihen lassen, wenn der Herr Gemahl und sein Umfeld über jeden Zweifel erhaben sein müssen. Von der Peinlichkeit, sowas anzunehmen, trotz ordentlicher Bezahlung, mal ganz zu schweigen. Und wo endet das, bei geliehenen Diamanten für den Bundespresseball?
Interesse von Luxus-Modeherstellern, selbst die Kanzlerin einzukleiden, gebe es, berichtet der Focus, aber die Chefin ist offenbar mit dem besseren Gespür für das, was der Würde des Amtes zuträglich ist, ausgestattet. Hersteller wie Basler und Rena Lange, deren Kleider Bettina Wulff gerne und oft bei offiziellen Anlässen trägt, geben zur Ausstattung der Präsidentengattin allerdings keine Kommentare ab.

Ich verstehe überhaupt nicht, wie es dazu kam, dass ganz stinknormale Prominente ohne jeden Hollywood Glamour oder Cannes-Appeal bei den Labels zu so begehrten Werbeträgern wurden. Ich habe nichts gegen Jenny Elvers oder Mirja Dumont, die interessieren mich schlichtweg nicht. Aber ich würde auch nie ein Kleid kaufen, das ich vorher an diesen Frauen gesehen habe.

Drum meine Frage: Warum haben Firmen Bettina Wulff überhaupt eingekleidet? Wer sollte sich an ihr ein gutes Beispiel nehmen und dann auch wie verrückt Rena Lange oder sonst was kaufen. Das hat ja ohnehin nicht funktioniert mit der deutschen Michelle Obama oder Carla Bruni, dem First Couple als Kennedys.

Über die Wulffs und ihre Chuzpe kann man ohnehin nur noch den Kopf schütteln. Sowas von akribischer Vorteilssuche und möglicherweise auch Vorteilsannahme ist eine Zumutung, die meiner Kenntnis nach alle Vorgänger und Vorgängerinnen dem Volk zum Glück erspart haben.

Wenn Wulffs so weitermachen, muss sich das Protokoll um eine Art Prinzessinnen-Vorbereitungs-Coachings für die First Lady kümmern. Irgendwann sollte ihr dann auffallen, dass Out Of Burgwedel die Würde des Amtes ein untadeliges Verhalten in allen Lebenslagen verlangt.

  • Stephan Berlin
    7. Januar 2012 at 12:03

    Daisydora, ich liebe deinen erwachsenen Blick auf die Welt. Man merkt, daß du was gesehen hast und keine 19-jährige in Prenzlauer Berg bist!

  • Rene Schaller
    7. Januar 2012 at 12:49

    Grundsätzlich stimme ich dir ja zu, aber gleichzeitig frage ich mich auch ob nicht andere Präsidentengattinnen auch bevorteilt wurden und werden.
    Es gibt ganze Galerien, die sich den Outfits von Michelle Obama widmen. Zahlt sie für all ihre Kleider den Ladenpreis oder bekommt sie vielleicht auch Sonderkonditionen? Und die französischen Damen sehen sich ja auch als Botschafterinnen der Haute Couture. Madame Chirac trug meist Chanel, Carla Bruni viel Dior.
    Ich finde es nicht verwerflich, wenn eine Präsidentengattin, die ja auch die deutsche Textilindustrie vertritt, Kleider mit Sonderrabatten direkt von den Labels kaufen kann. Wenn sie sie aber geschenkt bekommt, ist es ein ganz anderes Thema und natürlich inakzeptabel.

  • Daisydora
    7. Januar 2012 at 13:14

    @Stephan Berlin

    Ich danke dir … den Prenzlauer Berg habe ich mit dem Geburtsort Wien und dem Wohnort Hamburg wohl ganz schön verfehlt … 🙂

    @Rene Schaller

    Du hast recht, so einfach aufzudröseln ist das wahrscheinlich gar nicht, aber die Vorgängerinnen haben es ja auch geschafft, gut gekleidet bei öffentlichen Anlässen zu erscheinen. Ich finde, so ferne das nicht ohnehin der Fall ist, was ich ehrlich gesagt nicht weiß, es sollte dafür ein Budgt geben, das dann auch ausreicht und es überflüssig macht, dass es zu solchen Auswüchsen kommt, die schlichtwerg nicht zu Deutschland mit seinem seriösen Ruf passen. Die fünfzig Teile, die da gebraucht werden, sollten dann auch zu ganz normalen Preisen gekauft werden. Das müssen Leute, die weit weniger gut verdienen, doch auch machen. Dabei geht es ja auch um ein Signal in Richtung Volk, für die diese Leute ein leuchtendes Vorbild sein sollten.

    In den USA und Frankreich gibt es dafür sicher ein Budget und es spricht ja nichts dagegen, das in Deutschland auch generell zu regeln und nicht dem individuellen Feingefühl der Gattin zu überlassen. Ich finde nicht, dass Bettina Wulff die deutsche Textilindustrie zu vertreten hat. Für mich ist das eher unglaublich nervig, dass heute jeder Promi und viele Firmen denken, man würde das Zeugs nur kaufen, weil die Bunte oder die InStyle Bettina Wulff oder Collien Fernandez darin abgelichtet hat. 🙂

  • Milli
    7. Januar 2012 at 14:59

    „… Für mich ist das eher unglaublich nervig, dass heute jeder Promi und viele Firmen denken, man würde das Zeugs nur kaufen, weil die Bunte oder die InStyle Bettina Wulff oder Collien Fernandez darin abgelichtet hat“
    … ganz neutral: Ist es nicht aber genau so? Haben nicht gerade deshalb auch diverse Modebloggerinnen als Püppchen im Netz-Showroom für die Modeindustrie Bedeutung? Eben weil Begehrlichkeiten geweckt werden? Ob das gut oder schlecht ist muss jeder selbst bewerten und hängt sicher vom persönlichen Standpunkt ab…
    Zu Frau Wulff: eine Politikerin sollte sich durchaus mit Scheinchen aus dem eigenen Geldbeutel einkleiden. Ebenso wie ein Politiker. Es könnte meiner Meinung nach auch nicht schaden, das mit einem Blick auf die deutsche Textilindustrie zu tun, um vielleicht sogar junge Labels zu unterstützen (wenn es denn passt). Hattet ihr das nicht ohnehin gerade gefordert? Bedeutung hat Mode in der Politik (und umgekehrt) allemal.
    Das „Prinzessinnen-Vorbereitungs-Coaching für die First Lady“ klingt prima 😉 Ohnehin mag ich deine Texte gerne, egal ob ich mit deiner Meinung übereinstimme oder nicht. Deine Posts regen immer zum Nachdenken an. Danke dafür, Daisydora!

  • Daisydora
    7. Januar 2012 at 17:06

    @Milli

    Ich verstehe dich, glaube ich zumindest, du meinst damit die andere Seite, auf der all die Frauen sind, die diese Magazine mit diesen Bildern kaufen. Das schon. Aber Einfluss auf den Absatz der Klamotten betimmter Marken hat das nicht. Das wissen ja oft nur Insiderm von wem der Fummel ist.

    Ob den Modebloggerinnen als Püppchen im Netz-Showroom für die Modeindustrie und deren Verlaufszahlen große Bedeutung beizumessen ist, das sehe ich geteilt. Textilketten wie H&M sind ganz sicher in Deutschland so überproportional erfolgreich, weil Modeblogs hier jeden Kram sieben Mal vorstellen und mit Gehirnwäsche in den letzten Winkel der jungen Leser pflanzen …. Das grenzt ja manchmal schon an Massenhysterie … aber wirklichen Einfluss auf die Sicht der Verbraucher auf bestimmte Labels haben Modeblogs in Deutschland glaube ich noch nicht, weil die Bandbreite der Möglichkieten nicht adäquat abgebildet wird.

    Vielen Dank für dein wohlwollendes und nettes Feedback, ich freue mich sehr darüber .. 🙂

  • Rene Schaller
    7. Januar 2012 at 18:31

    @Daisy: Angenommen es würde ein Budget eingeplant werden, was ja somit bedeuten würde die Garderobe der Bundespräsidentengattin wird vom Steuerzahler finanziert, wären dann nicht die Medien schon wieder auf der Palme? Ich glaube fast, dass egal wäre wer für die Klamotten aufkommt, die Bild-Zeitung würde immer wissen wie sie einen Strick draus dreht.
    Insgesamt kann man eine Bundespräsidentengattin nicht mit den Boulevard-Sternchen vergleich, zumindest in meinen Augen nicht. Die eine steht für ein ganzes Land, ob man das will oder nicht, die anderen nur für sich selbst. Die Gattinnen werden ja schon bewußt als ‚Schmuck‘ eingesetzt und mit vor die Kameras gestellt, um der Politik ein bisschen Glanz zu verleihen.

  • Daisydora
    7. Januar 2012 at 19:22

    @Rene Schaller

    Schon wegen der deutschen Tradition einer ganzen Latte von Schirmherrschaften, die von der jeweilgen Frau des Bundespräsidenten übernommen werden soll und auch wird, sollte man das inoffizielle Amt auch irgendwie vergüten. Zumindest muss man sich qua Vertrag offiziell darum kümmern, dass es eine angemessene Aufwandsentschädigung für die Garderobe gibt, da es erwartet wird, dass der Bundespräsident auf Reisen von seiner Frau begleitet wird und diese auch wie aus dem Ei gepellt aussehen sollte. Was die Bild und der Mob zu so einer Aufwandsentschädigung sagen, ist sekundär … auf jeden Fall ist das besser, als das Wischiwaschi, das jetzt in dem Bereich herrscht.

    Ich vergleiche Bettina Wulff nicht mit irgendwelchen Sternchen, aber eine Stilikone wie Jackie Kennedy oder eine tolle, gestandene Persönlichkeit wie Michelle Obama ist sie auch nicht gerade, dazu gehören etwas mehr Weltläufigkeit, Weisheit und Eleganz….oder?

  • Rene Schaller
    7. Januar 2012 at 19:43

    Nein, natürlich ist sie nicht so elegant. Kann man aber auch nicht sein, wenn man Basler trägt…
    Wie schon gesagt, es ist nicht wirklich ein so einfach zu klärendes Thema.

  • muglerette
    7. Januar 2012 at 22:32

    was ist denn daran verwerflich wenn sich frau wulff(wie ungefähr 90% aller „prominenter“) ausstatten lassen??????
    glaubt ihr wirklich das die obamas,die gute carla und co auch nur einen cent für ihre garderobe ausgeben???????und das die red carpet outfits von frau berben,frau kidman und co alle bezahlt sind???

    ich verstehe nicht warum da so ein fass aufgemacht wird……..

    es kommt ja fast so rüber als wäre sie eine schwerverbrecherin

  • Daisydora
    8. Januar 2012 at 00:38

    @muglerette

    Ich kann dich beruhigen, wir haben unsere sieben Zwetschgen im Kopf noch alle beisammen, und wissen daher, dass Promis für Veranstaltungen ausgestattet werden.

    Und selbstverständlich ist das Thema der Klamotten und deren Herkunft und Bezahlung in den USA und Frankreich offiziell geregelt. So, wie man das professionell organisiert, um keinerlei Diskussionen und Skandale im Nachgang von Fehlern zu riskieren. An den Skandal, den Sarah Palin, die Kandidatin, mit ihrem Garderobeskandal auslöste, kannst du dich vielleicht noch erinnern. In anderen Ländern gibt es bei sowas null Toleranz und der unglückliche Akteur muss gehen.

    Die Frau des Bundespräsidenten ist weder Iris Berben, noch Nena und es macht Sinn, hier klare Vorgaben zu haben und ein Budget für solche Zwecke bereit zu stellen und alles zu bezahlen.

    Das Fass haben der Focus und der Spiegel aufgemacht, also gibt es da sicher was rechtlich und /oder moralisch relevantes, das dagegen spricht, wie Bettina Wulff sich mit Klamotten versorgte. Am besten, du schreibst einen Leserbrief an den Focus oder den Spiegel …

  • muglerette
    8. Januar 2012 at 10:06

    aber wäre ein budget nicht noch blöder weil es denn von steuergeldern bezahlt wird?

    schlagzeile auf der bild wäre dann

    WIESO MÜSSEN WIR FÜR DESIGNERKLEIDUNG VON FRAU WULFF BEZAHLEN!

    ich glaube da wird aus ne mücke ein elefant gemacht……

  • Daisydora
    8. Januar 2012 at 10:52

    @muglerette

    Man kann nicht vermeiden, dass es Neid und Mißgunst gibt, wenn ein Budget dafür bereitgestellt wird …

    … aber Tatsache ist, dass die First Lady tadellos gekleidet sein soll, während sie in aller Welt für Deutschland lächelt und keiner kann von ihr verlangen, dass sie dafür an ihre Ersparnisse geht …. oder das Gehalt des Bundespräsident zu großen Teilen dafür draufgeht …

  • Rene Schaller
    8. Januar 2012 at 12:44

    Aber warum ist es dann so schlimm, wenn sie Sachen einfach geliehen bekommt? Es kostet dem Staat nichts, nicht mal wirklich der Firma die verleiht.

  • Daisydora
    8. Januar 2012 at 14:00

    @Rene Schaller

    Es verträgt sich einfach nicht mit den Erwartungen an das Amt, da auch das Ausleihen immer wieder für Fragezeichen bei den Firmen, die nicht zum Zuge kommen und bei der Bevölkerung, die nie in den Genuss solcher Vergünstigungen kommt, führt.

    Man kann vom Bundespräsident, seiner Frau und allen Repräsentanten, die gut bezahlt werden, verlangen, dass es zur Beschaffung ihrer garderobe niemals offene Fragen gibt.

    Das sind natürlich beim Gehalt ganz andere Größenordnungen, aber es wäre auch delatziert, würde man erfahren, dass Ackermann oder Obermann Anzüge zur Verfügung gestellt bekommen ….

  • muglerette
    8. Januar 2012 at 18:03

    also ich glaube es gibt nun wirklich andere dinge über die man sich mal gedanken machen sollte…aber doch nicht über frau wulff und ihre kleider…….meine güte!!!!

  • siegmarberlin
    9. Januar 2012 at 12:12

    Ich bin der Meinung, das grundsätzlich bei Frau od. Herr Politiker alles aus eigener Tasche gezahlt werden sollte.Ist es nicht so, das es da ein Budget od. Steuerfreibeträge gibt? Politiker/in liegen gehaltsmässig im oberen Drittel der Einkommen, dann sollen sie verdammt nochmal ihre Flüge, Urlaub und Kleidung selbst bezahlen!

  • klear
    10. Januar 2012 at 02:55

    mal abgesehen dass angesichts der weltproblem die affaire wolf nervt
    aus steuergeldern die garderobe von frau x staatspräsi zu finanzieren NEIN Danke da bevorzuge ich die variante „kostenlosese sponsoring“ von klamottenfirmen, im zweifel müssen die selbe wissen was sie tun

  • Daisydora
    10. Januar 2012 at 07:05

    @siegmarberlin

    Wahrscheinlich ist das so, dass es eine Audwandsentschädigung oder einen Steuerfreibetrag dafür gibt. Ob die ausreichen, um auf Reisen immer tipptopp wie aus dem Ei gepellt zu sein, weiß ich nicht. Tendenziell stimme ich deiner Meinung zu. Nur ist es mir lieber, es gibt ein ausreichendes Budget, als diese Wischiwaschi-Geschichte.

    Von mir aus kann die Frau des Bundespräsident auch ihrem Beruf nachgehen und gar nicht mitreisen. Das wäre zeitgemäßer.

    @klaer

    Schön, mal wieder von dir zu lesen …

    Klar nervt das, es hat aber eben auch Aussagekraft über die Beiden, leider.