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Technobohemian by John Malkovich

Man muss meistens nicht lange nach Leuten suchen, die es auch nervig finden, wer heute so aller seine eigene Kollektion hat. Das fängt ja irgendwo bei der Part-Time-Designerin Lindsay Lohan und den fashionverrückten Olsen Sisters an und endet leider nicht mit Heidis Maternity Collection. Auch wenn wir fast alle keine Tom Fords und Stella Mc Cartneys sind, wissen wir doch, dass da ganz schön viel dazugehört, Designer einer richtig guten Kollektion zu sein. Daher war ich im ersten Moment skeptisch, als mir durch Zufall beim Quergucken der Harald Schmidt Show John Malkovich als Designer seiner eigenen Kollektion vorgestellt wurde. Und das nur en passant, denn es ging um sein Opern-Engagement als Casanova in The Giacomo Variations an einem Theater im Ruhrpott. Eigentlich seltsam, dass ich das davor nicht auf dem Schirm hatte. Das änderte sich nach der ersten Sichtung der Website und mit dem Kontakt zur Company in Italien schlagartig.

Das, was da unter dem innovativen Begriff Technobohemian, den John Malkovich aus einem unveröffentlichten italienischen Roman heraus für sein Label autorisieren lassen konnte, an Klamotten zu sehen ist, gefällt mir ausgesprochen gut. Auch deshalb, weil eine Handschrift erkennbar ist, die sich klar von denen anderer Kollektionen unterscheidet. Und das ist umso erstaunlicher, als tatsächlich der Schauspieler selbst die Sketches für die Modelle liefert, die Stoffe mit seinem italienischen Team aussucht und die Produktion der Kollektion mit Ausnahme der Denimteile, die in Japan geschneidert werden, in italienischen Lohnschneidereien organisieren lässt. Mehr Premiumanspruch geht eigentlich nicht in der Prêt à porter, oder?

Was John Malkovich – dem vielschichtigen Mann aus Hollywood – dabei vorschwebte, als er zum Designer einer außergewöhnlichen Kollektion wurde, hier im O-Ton: In the creation of my collections I am inspired by the appearance of a bohemian of the new millennium. I thought it was necessary to update the figure of the bohemian but not in the traditional way, it was necessary to make it a cosmopolitan present and fully engaged in the technological world we live in today.

So, wie John Malkovich sich kleidet und in Interviews verhält, ist da für mich zwischen dieser Aussage und dem, was der Schauspieler als Designer transportiert eine Deckung von hundert Prozent. Ich gebe es zu, mich schockiert das rein professionell betrachtet ein wenig, wenn Leute, die für weltbekannte Kollektionen verantwortlich zeichnen dann in einer Art weißem Nachthemd aus dem Fundus der Ahnfrau bei der Met Costume Gala zu Ehren Alexander Mc Queens auftauchen…. Daisy findet, die Kompetenz eines Designers sollte bei offiziellen Anlässen immer auch für den Zuschauer erlebbar sein. Das ist einfach professioneller, wenn man Klamotten verkaufen will, die nicht selten mehr als tausend Euro pro Teil kosten.

Was mag ich nun an den Designs am liebsten? Also: Die Stoffe und deren Texturen. Ich liebe diese edlen Stoffe, die man bei fast jedem italienischen Stoffhändler bekommt. Den Farb- und Mustermix, der weniger plakativ als der von Etro ist, aber auch diese gute italienische Tradition verfolgt, durch visuelle Brüche ein paar extra Kicks in die ansonsten klassischen Outfits mit ihren gut sitzenden Schnitten zu bringen. Und natürlich die Individualität der Silhouetten, der Details und der ganzen Looks. Technobohemian sieht aus wie Technobohemian und nicht wie Ann Demeulemeester mit einem Schuss Acne und Einflüssen von Dries Van Noten….

Aber guckt am besten selbst, ob ihr meinem Urteil zu Technobohemian bis hierher folgen wollt und etwas in der Kollektion findet, das euch gut gefällt. Ich finde, je nach Anlass, kann so ein Outfit als elegantes Stilstatement abseits von Gucci, Burberry, Bottega Veneta, Christian Dior und all den tollen Labels als echter Hingucker in der Garderobe von Männern mit dem Hang zu Individualität und Modernität wirken. Bin schon gespannt, wann ich die ersten Technobohemians mit freiem Auge im Straßenbild erkennen kann….

www.technobohemian.it In Deutschland zu kaufen bei:The Corner Berlin Franzosische Strasse 40 10117 Berlin

  • Epi
    8. Mai 2011 at 20:45

    Sehr schön! Die „gröberen“ Stoffe, ihre Texturen, sind einfach hinreissend, die Schnitte klassisch und doch frisch umgesetzt; allerdings sagen mir die meisten Farben nicht so sehr zu. Besonders schade finde ich, dass es (vielleicht nur bisher) nichts Schwarzes gibt… Womöglich sind John dunkle und/oder anderweitig gedeckte Töne zu „trist“?
    Alles in Allem aber sehe ich wie du einen schönen Anspruch an modische Gestaltung, deren Umsetzung/Fabrikation und nicht zuletzt an den Designer selbst – was ja nun weiß Gott nicht selbstverständlich ist, wie man leider oft genug sieht.

  • Daisydora
    9. Mai 2011 at 19:41

    @Epi

    Danke für deinen Kommentar und das Feedback darin… ich hoffe, man stellt das Lookbook auf ganz normale Lookbookfotos um, damit man sich künftig einen kompletteren Eindruck von der Kollektion verschaffen kann…. bin wie du gespannt, ob der Winter auch Schwarzes bringt …

    @Chris

    Ich habe auch gestaunt, weil das ja in aller Regel nur behauptet wird, aber bei JM klingt das nach einem Quäntchen Wahrheit ….

  • H-C
    9. Mai 2011 at 21:34

    Ach, jetzt weiß ich endlich, warum ich ihn immer auf der Premiere Vision gesehen habe. Das ist ja schon mal ein Indiz für die Ernsthaftigkeit, mit der er diese Kollektion gestaltet. J Lo hab ich da noch nie gesehen. Komisch…

  • Daisydora
    10. Mai 2011 at 08:45

    @H-C

    Na siehste, Stoffe auf der Premiere Vision suchen, klingt wirklich gut …. die Messe finde ich übrigens ganz großartig ….

  • Not quite like Beethoven
    10. Mai 2011 at 10:20

    Ich meine mal gelesen zu haben, dass JM eine Schneiderlehre oder irgendeinen ähnlichen Background hat.