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Peter’s Cuttings – Tod in Venedig: Tadzios Metamorphose

Death In Venice
Death in Venice; Bild: M.Tursi/ Warner Bros.; Screenshot

Manchmal ist es für einen Schauspieler nicht unbedingt nur ein Vorteil, die Rolle seines Lebens zu bekommen. Der Schauspieler wird zum Teil auf diese festgelegt und sie begleitet denjenigen nicht nur seine gesamte Karriere lang, sondern schlägt auch die Türen für kleinere Rollen zu, die ein Schauspieler ja auch zum Überleben braucht. Es ist wie eine Allmacht, die einem verfolgt.
Ursula Andress blieb, obwohl dem Mädchen-Alter um ein halbes Jahrhundert entwachsen, immer das Bond Girl und in dem Fall, an den ich heute erinnern möchte, war es sogar so, dass es nie wieder einen wirklichen Anschluss gab.

Luchino Visconti drehte 1971 nach der gleichnamigen, stark autobiographischen Novelle von Thomas Mann, seinen vielfach ausgezeichneten Film „Tod in Venedig“. Visconti war ein Perfektionist und noch heute sind seine Meisterwerke wie „Rocco und seine Brüder“ oder „Der Leopard“ an Ausstattung und Kostümen nicht zu übertreffen. Der aus einer wohlhabenden italienischen Adelsfamilie mit 15 Vornamen geborene Ästhet Visconti, hatte dem Schauspieler Dirk Bogarde eine Rolle in seinem nächsten Film versprochen, nachdem er „Die Verdammten“ mit Helmut Griem gedreht hatte.

Das Meisterwerk von Thomas Mann wurde leicht abgeändert und die Musik von Gustav Mahler sollte den Hintergrund um den, heute würde man sagen „sich in einer Midlife-Crisis befindlichen“, Komponisten Gustav von Aschenbach bilden.
Neben Dirk Bogarde sollten Silvana Mangano und Schiaparelli Enkelin Marisavenedig Berenson Rollen erhalten. Die wichtigste Rolle, neben der des Aschenbach, war die des polnischen Jünglings Tadzio. Visconti wählte einen schwedischen 15jährigen Jungen, der zum Synonym der Verführung und der Sehnsucht als Symbol dienen sollte. Björn Johan Andrésen, 1955 in Stockholm geboren, erfüllte genau die von Visconti gesuchten Eigenschaften für die Handlung des Filmes, der übrigens zu den unbedingten „Musts“ der Filmgeschichte gehört.
Der Film wurde ein sensationeller Erfolg und mit Preisen überschüttet. Andrésen tourte mit Weltstars wie Romy Schneider durch Europa und keiner konnte sich seinem Charme und seiner Anziehungskraft entziehen. Mit heutigen Augen betrachtet, könnte man sicher sagen, dass er auch so etwas wie eine Gay Ikone wurde. Allerdings war er damals ein völlig normaler, blonder schwedischer Junge, der in bester Abba Manier sein Haar lang trug, groß war und halt sehr nordisch aussah. Der elegische Film, die Handlung und die Musik hatten ihn praktisch so erhöht, dass die Rolle und sein Aussehen zu diesem Wunschbild wurden.
Bjorn
Björn Andrésen 2004 für den Film „Pelikan Man„; Bild: H.Aaltonen

Heute ist Björn Andrésen, der immer noch ganz normal mit Frau und Sohn in Stockholm lebt, weit weg von all diesem und konnte, er wurde Musiker und Schauspieler, nie wieder an diesen Hype anknüpfen. Es gibt nur sehr wenige Interviews mit ihm, 2003 gab er der deutschen Illustrierten „Der Stern“ eines und er lebt in eher bescheidenen Verhältnissen. Er hat eine eigene Band, ist mittlerweile in dem Alter wie Gustav von Aschenbach in dem Film und spielt in schwedischen Fernsehserien kleinere Rollen. In der bekannten schwedischen Krimi Reihe „Wallander“, die auch in Deutschland sehr erfolgreich ist, sah man ihn 2010 das letzte Mal.

Tadzio ist die Rolle seines Lebens, vielleicht aber auch der Fluch. Auf jeden Fall hat Visconti mit ihm nicht nur eine Rolle besetzt, sondern auch sein Bild auf Ewigkeit geschaffen. Der Blick und diese verspielte Unschuld sind zum Mythos geworden und vielleicht zum Lebenstrauma eines jungen, schwedischen Schauspielers.

  • Horst
    25. Februar 2013 at 12:03

    Im Interview mit dem Stern bezeichnet er seine Gage für Tod in Venedig sogar als Schmerzensgeld… Kinder und Jugendliche in der Filmindustrie scheinen kaum langfristig glücklich zu sein…

  • Monsieur_Didier
    25. Februar 2013 at 23:17

    …neulich noch sah ich in einer Dokumentation von Rosa von Praunheim einen Regisseur, der seine Hauptarbeit in der DDR leistete…

    er sagte, dass es in der DDR das ungeschriebene Gesetz gab, dass die jugendlichen Hauptdarsteller in Filmen immer nur eine Hauptrolle bekamen um sie nicht komplett für das „normale“ Leben zu verderben und ihnen durch eine weitere Hauptrolle und die Vorspiegelung einer Karriere das komplette weitere Leben zu verbauen…
    dies stand wohl so auch in den Verträgen…

    …nicht die schlechteste Entscheidung…

  • Daisydora
    26. Februar 2013 at 12:37

    @peter

    Auch dafür darf man Dich bewundern und als Schreiber lieben, dass Du solche Gedanken hast … Ich habe den Film schon so oft gesehen und nicht ein einziges Mal daran gedacht „was macht eigentlich …“ Ein sehr schöner Bericht, danke Peter! 🙂