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Peters Cuttings – Justine Picardies grandioser UK Bazaar

Dass der Print, der zur Zeit häufig für tot erklärt wird, nicht nur lebt, sondern auch Triumphe feiern kann, zeigen einem nicht nur Beispiele wie das Magazin „Landlust“, das neu gegründet über 1 Million verkaufte Hefte per Quartal vorweisen kann. Es gibt ja vielleicht auch mal wieder für das ein oder andere Verlagshaus die Gelegenheit, an seinen bestehenden Titeln etwas zu verändern, um die Auflage und vor allem Qualität der Inhalte wieder deutlich zu steigern.
Denn eines ist klar, gerade im Bereich der Luxusmode gibt es immer noch viele Menschen, die das Lesen von Print- und Onlinemedien verbinden und für High-End-Marken – seien wir mal ehrlich – gibt es auch nicht viele Blogs, die über eine Leserschaft verfügen, die nicht nur vom eigenen Portemonnaie ausgehen, sondern angeregt und inspiriert werden wollen und auch mal Träumen wollen. Auch in Vogue oder Harper’s Bazaar geht es nicht nur darum, dass die Leser alles auf der Stelle sklavisch nachkaufen und konsumieren, sondern Zusammenhänge, Bilder und Visionen des Genres ‚Mode‘ dazustellen.

Früher war es eine selbstverständliche Maxime der Chefredakteurinnen, dass nicht nur bei jedem Produkt, sondern auch bei jeder Seite und jedem Layout sich die Redakteure fragten, ob sie auch eine Art Vision damit vermittelten, scheint aber heute ein solches Hinterfragen, zumindest bei der Masse der Magazine, aus der Mode gekommen zu sein.
Vielleicht ist dieser Ansatz, in einer Zeit, wo es hauptsächlich darum geht, dass ein Magazin Gewinn abwirft, etwas träumerisch und altbacken. Für die meisten Entscheider scheinbar schon – für den Massenmarkt der „Wir-covern-den-Look-in-billig“-Magazine sowieso. Dabei haben Modemagazine auch einen pädagogischen Auftrag, denn sie sollen zukünftigen Generationen auch Stil- und Qualitätsempfinden vermitteln. Nichts gegen Massmarket-Anbieter wie H&M und Zara, aber vielleicht macht es ja auch einem jungen Menschen eines Tages Freude, die Originale zu entdecken. „Wer einmal einen Cashmere-Pullover getragen hat, will nie wieder einen aus Lambswool tragen“, pflegte meine Mutter immer zu sagen.

Um die Mode zu entdecken, braucht man Magazine, die einen inspirieren und bei denen man sich auf jede Seite freut. Magazine, die Humor haben und die man am liebsten jahrelang aufbewahrt. Dazu braucht man Persönlichkeiten an der Spitze, besonders bei den wenigen verbleibenden tonangebenden Magazinen.
Auch wenn es vielleicht ein anderer Weg ist, aber so was geht manchmal am besten mit Menschen, die nicht klassisch aus der Branche kommen und vielleicht auch mal mit eher intellektuellen Personen.

Euch ist durch Horstson schon eine ganze Weile die britische Schriftstellerin Justine Picardie bekannt. Nicht nur das wir anlässlich der Veröffentlichung ihrer Chanel Biografie ein Interview mit ihr führten, wir stellten sie euch auch als Person vor und ihr Interview „In Coco’s Clothes“ ist mittlerweile legendär.
Die intelligente und ungeheuer stilvolle Britin ist jetzt seit einiger Zeit Chefredakteurin von Harper’s Bazaar Uk und lässt das Magazin in einem völlig neuen Licht erscheinen. Ich gebe es ehrlich zu – lange haben mich Magazine nicht mehr so fasziniert wie die Juli Ausgabe „Best of British“ mit Model Stella Tennant auf dem Heft und vor allem im Heft …
Die langen Artikel, wie „The Nouveaux Peasants“, in dem von der neuen Lust auf das Landleben und das ermüdende Leben im Neureichen-Stil die Rede ist, ist nicht nur ein reines Vergnügen für den Leser, sondern auch eine Sternstunde des britischen Humors.

Die Auswahl der Mode, die Strecken, bis hin zur Integration der Anzeigen auf eine wohltuende ästhetische Weise, ist faszinierend und macht einfach Spaß. Man merkt, dass so eine Ausgabe nicht lieblos produziert wird, sondern sich über Platzierungen und Themen sehr ausgiebig Gedanken gemacht wurde und das soviel Schönheit nur mit Knochenarbeit der Redakteure entstanden sein kann. Wie schön, dass sich das Redaktions-Team für die Träume der Leser so viel Arbeit gemacht hat, aber das merkt man diesen Heften auch auf jeder Seite an.
Man blättert immer wieder durch und entdeckt jedes Mal etwas Neues sowie raffinierte Facetten. High-End-Mode, aber auch typisch Britisches, wie die Duchess of Devonshire, die ihre Hühner wie Reichsinsignien präsentiert. Gegensätze gekonnt und vor allem mit sicherer Hand kombiniert.

Justine Picardie ist dabei, einen völlig eigenständigen Stil für Bazaar UK zu entwickeln. Dieser Stil erscheint so spannend und facettenreich, so intelligent und unterhaltsam, wie Picardie selbst zu werden. Wir sind sehr gespannt auf die nächsten Ausgaben – wer noch eine Juli oder August Ausgabe erwischt, sollte sie unbedingt kaufen!
Was Justine Picardie für Harper’s UK angeht: nicht nur ihre Editorials sind lesenswert, die Auswahl ihrer Lieblingsteile beinhaltet auch mal ein Buch von Nancy Mitford und sie gestattet sich Day Dreams von Valentino.

Eine tolle Frau, die ein tolles Magazin macht und uns zeigt, dass Print nicht nur lebt, sondern sich auf Top-Niveau immer wieder neu erfindet. Oder zumindest mit bemerkenswerten Persönlichkeiten neue Wege geht …

  • Daisydora
    8. August 2013 at 14:12

    Davon kann man jede Zeile unterschreiben … 🙂

    .. nur die Arbeiten der Fotografin Cathleen Naundorf finde ich im Editorial nicht so stark, wie bei den Einzelbildern von Couture … aber auch interessant … und ich freue mich immer, wenn ich Stella Tennant sehe …