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Peter’s Cuttings – Christian Lacroix, ein Modestern geht auf

Es ist Frühjahr 1987 und der französische Unternehmer, der einen Luxuskonzern aufbauen möchte und soeben die Champagner Firma Moet & Chandon gekauft hat, Bernard Arnault, hält Ausschau nach jungen Talenten und Marken, die er aufbauen kann.
Bei Jean Patou (wir berichteten), macht Christian Lacroix mit seinen ungeheuer spektakulären Couture-Kollektionen Furore und zieht ungewöhnlich junge und spannende Kundinnen an. Arnault nimmt Verhandlungen mit Christians Partner Jean Jaques Picart auf und beide kommen überein, ein neues Couture-Haus zu gründen. Es soll ungewöhnlich luxuriös werden und zunächst ist es angedacht, erst mal mit reiner Couture zu starten und dann später eine hochwertige Prêt à Porter dazu zu nehmen.
Ungewöhnlich zu der Zeit, weil die Couture für sterbend erklärt ist und man davon ausgeht, dass sie eher ausstirbt und die Zukunft komplett den Boutique-Linien gehören wird. Man will langsam starten und dann peu à peu aufbauen. Keiner rechnet mit der Modesensation, die wenig später folgen wird.

Christian ist begeistert davon, wir sind damals schon in Kontakt, und berichtet mir, dass er sich auf die Suche machen will nach einem Haus, möglichst aber abgelegen von den typischen Pariser Prestige-Adressen Avenue Montaigne und Co.
Er guckt sich verschiedene Locations an und landet in der Rue du Faubourg Saint Honore Nummer 73. Durch einen Torbogen gelangt man in einen Garten mit einem Palais-artigen Gebäude, das vorher Jaques Esterel gehört hatte, der wie Lacroix Südfranzose ist. Daher sind alle Böden mit Terrakotta ausgelegt, genau wie bei Christian zuhause in der Camargue. Es ist ein Coup de Fou und genau die richtige Adresse, zwar in der Rue du Faubourg Saint Honore aber am oberen Ende, gegenüber dem Bristol.
Umgerechnet 15 Millionen DM stellte Arnault zur Verfügung, das hört sich viel an, wenn man aber weiß, mit welchen Summen man kalkulieren muss, für die komplette Einrichtung eines Couture-Hauses und die Kollektionserstellung, musste schon gut gerechnet werden.

Die Salons sollten anders als bei den Mitbewerbern nicht so altmodisch und steril werden, sondern flamboyant und fröhlich. Die Crux war aber, dass relativ wenig Zeit für die Planung blieb und die Ausführung binnen drei Monaten passieren musste, denn Ende Juli sollte die erste Kollektion für Herbst-Winter 1987 gezeigt werden.
Mattia Bonetti und Elisabeth Garouste hatten einen komplett neuen Stil kreiert, was Einrichtung und Möbel betraf, den „Style Barbares“, eine Mischung aus Fred Feuerstein, Alberto Giacometti und Alice im Wunderland.
1981 wurden sie bekannt, weil sie bei dem berühmtesten Interieur Ausstatter „Maison Jansen“ eine Ausstellung hatten und total Ungewohntes und Neues zeigten. Parallel zum in Italien aufkommenden Memphis-Stil wurde eine neue Ästhetik gezeigt, die völlig von allem abwich, was die Siebziger und die Postmoderne ausgemacht hatte. Sie kreierten einen total eigenständigen Stil.

Der vorhandene Terrakotta-Boden gepaart mit den Entwürfen von Bonetti und Garouste und schwarz roten Flammen Teppichen, die Tisca in der Schweiz anfertigte, ergaben ein phantasievolles Dekor, das mehr einer Theaterbühne als einem Modehaus entsprach. Modehäuser, die nicht elegant, sondern humorvoll waren und eher dem fröhlichen Spielplatz des verrückten Hutmachers in Alice im Wunderland glichen, hatte es davor noch nie gegeben.

Wie in einem Taubenschlag begann die Arbeit. Unten wurde der Salon eingerichtet und die Büros für Laure, die Pressedame. Oben die Ateliers notdürftig bestückt, damit die Kollektion beginnen konnte.
Rollen mit den feinsten Seiden von Corisia und Canepa, Jacob Schlepfer-Spitzen und tonnenweise Knöpfe herbei gebracht.
Sidonie Larizzi machte sich Gedanken über die Schuhe, Täschner und Korbflechter gaben sich die Klinke in die Hand, dazwischen wie ein gutgelaunter Koch Christian, der seine flamboyanten Ideen und Entwürfe auf den Zeichenblock wirft. Womens Wear Daily unter John Fairchild, dem einflussreichsten Modeblatt dieser Zeit, machte ein Making Of, das nach der ersten Schau veröffentlicht wurde.

Am 29.Juli sollte es soweit sein, die Einladungen in knalligem Schiaparelli-Pink mit Goldschrift sind verschickt und alles was zu dieser Zeit Rang und Namen in der Modewelt hatte, ist eingeladen. In der Salle Imperial im Hotel Intercontinental in der Rue de Castiglione. Der Saal ist gemietet und das Dekor wird vorbereitet. Sylvie Skinazzi entwirft eine sonnige fauvistische Szenerie und bemalt auch gleich noch die Stoffe damit für ein Modell.

Keiner ahnte, dass es keine normale Premiere werden würde, sondern die Modewelt Kopf stehen wird. Couture soll Spaß machen und wie ein Kostümball sein, das ist Christians Devise.

Anstatt elegisch über den Steg zu schreiten ist die Schau von Christian Lacroix wie ein Feuerwerk, das zwischen Volare und Gipsy-Kings, Arien aus Carmen von Bizet, wie ein südfranzösisches Fest alle Register zieht. Seine Entwürfe kombinieren ungewöhnliche Materialien wie Ponyfell und Hahnentritt, 18.Jahrhundert-Röcke mit Torerojacken, der Ballonrock taucht das erste Mal nach Balenciaga wieder auf. Insgesamt wirkt alles, als wenn man einen großen Mixer angeschmissen und voller Freude historische Roben mit dem Zeitgeist von 1987 gepaart hätte.
Taschen haben Bronze-Henkel und sind wie kleine Ridiküle aus Seide gearbeitet. Körbe ersetzen die Taschen. Der Schmuck ist aus vergoldeter Terrakotta, dazu Sonnenbrillen aus Bambus.
Die Namen der Kleider auf der Liste in der Pressemappe sind Caramba, Fanfare, Au Bain Marie, Aioli oder Cap Ferrat.
Christian liebt das Spektakel und will Mode für Frauen machen, die reich sind und nicht langweilig aussehen möchten.

Alle sind gekommen: Carrie Donovan, Polly Mellen, John Fairchild, Suzy Menkes (sie wird sein größter Fan) und alle Vogue und Harper’s Leute.
Auf der Seite der Kundinnen, nicht wie in den anderen Häusern, wo eher die betagtere Couture-Kundin regiert, sind es bei Lacroix die Töchter der Couture Kundinnen. Daphne Guiness, heute Fashion Ikone, sie verliebt sich in das erste Couture-Kleid ihres Lebens. Die absoluten Dauerbrenner der Achtzigerjahre, Ivana Trump, Lynn Wyatt, Marisa Berenson und Carolina Herrera machen sofort Termine für die Order im Salon.

Die Schau und die Kollektion schlagen ein wie eine Bombe, die Zeitungen sind randvoll mit Photos und Berichten. Die New York Times wählt Christian zum Designer des Jahres 1987. Der Stern titelt „Ein Neues Kapitel in der Modegeschichte muss aufgeschlagen werden“. Life stellt das Titelbild um und die Modestrecken in den Modemagazinen sind voll mit der Corrida-Mode. Das kleine Team ist total wie im Rausch und vom Erfolg überwältigt.

Im Salon führt Lieblingsmodel Marie Seznak ununterbrochen die Kollektion vor und die Orders der amerikanischen Kundschaft werden in New York im Plaza, auf einer extra anberaumten Tournee der Kollektion vorgenommen.

Alles ist wie ein großer Traum für Christian Lacroix und schon steht wieder die Vorbereitung der nächsten Kollektion auf dem Plan.

Aber durch diesen Sommer hat sich die Couture-Welt verändert und die Tendenz, dass Couture jünger wird, ist endgültig manifestiert. Aber Christian steht eben auch für Couture und die Besonderheit des Handwerks .Wie wird das in die kommerzielle Prêt à Porter übertragbar sein??? Fragen, die in den nächsten Jahren unter dem Druck von Arnault aufkommen werden. Wie die Geschichte von Christian Lacroix und seinem Modehaus weiter geht, werd ich euch berichten.

Die Couture-Schauen werden auch in den nächsten Jahren immer wieder ein Großereignis sein, fast jede Saison hat mich Christian eingeladen und ich konnte es nie erwarten, es war jedes Mal ein Fest der Sinne und für die Seele.

Die Premiere von Christian Lacroix war eines der Highlights der Mode der Achtzigerjahre und für mich ein unvergesslicher Meilensteine der Mode.

Merci a vous, Christian Lacroix

  • siegmarberlin
    19. Dezember 2011 at 13:10

    ich finde es ganz toll einmal wirklich komplett über den Aufstieg eines so berühmten Hauses zu lesen und zu erfahren warum es dann letztendlich nicht so ausgangen ist.

  • Daisydora
    19. Dezember 2011 at 13:18

    Ich kann mich noch wie heute daran erinnern, als ich zum ersten Mal von der Strasse aus in diesen Hof geschaut habe und dort die kunstvolle Schmideeiserne Türe sah … ohne zu wissen, dass ich neben Christian Lacroix auch dich hätte dort schon entdecken können …

    Die Geschichte ist ganz wunderbar, ich schließe mich siegmarberlin an, es ist toll, das mal aus dieser perspektive wie einen Livebericht lesen zu können, wie diese Marke entstanden ist … Danke dafür. 🙂

  • Dana Li
    19. Dezember 2011 at 13:27

    Damals war ich vier und ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie begeistert meine Mutter von der Kollektion war…

    Vielen Dank, Peter!

  • Horstson » Blog Archiv » Vintage Highlight – Die Tutenchamun-Lampe von Bonetti und Garouste
    14. Februar 2012 at 09:03

    […] wurden daraufhin auch in kleiner Serie produziert. Berühmt wurden die beiden dann durch die Einrichtung des Modehauses von Christian Lacroix. Angeregt durch dieses Ereignis, stieß ich damals auf diese Lampe, und verliebte mich sofort […]