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Over Your Cities Grass Will Grow – Sophie Fiennes über Anselm Kiefer

Wie ticken Künstler, was treibt so jemand wie das Genie Anselm Kiefer an?
Würde man mehrere hundert Menschen aus Deutschland fragen, was denn so die Stärken der Deutschen sind, wahrscheinlich würde sich niemand drunter finden, der bildende Kunst als solche benennt. Auch wenn es dabei nicht darum gehen kann, herauszuarbeiten, was Deutsche besser als andere können, so wie man die Stereotype der Pünktlichkeit, Genauigkeit und Verlässlichkeit als Volkstugenden gerne strapaziert, empfinde ich das Selbstbild vieler Bundesbürger als gelinde gesagt arg verknappt und unrichtig. Um hier noch einen nachzuschieben, soll das wirklich alles sein, was die spätere Kanzlerin, danach befragt, was sie an Deutschland denn so toll fände, antwortete: Dass hier die Fenster so dicht wären …. Armes, geistreiches Deutschland, möchte man da beinahe sagen.

Die Britin Sophie Fiennes, Schwester der Schauspieler Raph und Joseph, hatte das Glück, sozusagen qua Geburt, aus einem ganz anderen Blickwinkel auf einen der bedeutendsten Vertreter der Bildenden Künste der Moderne blicken zu können. Ihre schon während der Filmfestsiele in Cannes 2010 außerhalb des Wettbewerbs vorgestellte Dokumentation über Anselm Kiefer als Mensch und Künstler ist nun endlich auch bei uns zu sehen.

Fiennes und der Kameramann Remko Schnorr begleiteten Anselm Kiefer während der kurzen Zeit seiner letzten Tage auf dem von ihm selbst erschaffenen Filmset auf dem Gelände La Ribaute in Südfrankreich, das in Wirklichkeit der von Kiefer geschaffene Kosmos aus dort vorhandener Umgebung – sprich Natur – und seiner ebendort seit 1993 entstandenen Kunst darstellte.
Es ist der Filmmacherin gelungen, uns durch ihren mitreißend rauen Blickwinkel in die Seele des Künstlers ein wenig in dessen Haut schlüpfen zu lassen. Dabei nachempfinden zu können, wie der Künstler Anselm Kiefer tickt. Angetrieben von seiner politischen Identität, erschuf er auf der Grundlage von nicht mehr als alten Industriegebäuden, Studioräumen, einem eigens gegrabenen Labyrinth aus unterirdischen Tunneln und einer Serie von Betontürmen, das bizarre Szenario einer fremd anmutenden Siedlung, von der jeder Location Scout im Bereich Science Fiction träumen könnte. Architektur, Malerei, Installationen und Landschaft verbinden sich im Werk Kiefers zu dem Gesamtkunstwerk Over Your Cities Grass Will Grow.

Für mich eine sehr gelungene Dokumentation, deren langsame und stille aber tiefe Bilder etwas fast Meditatives haben. Für alle unter euch, die gerne auch mal einen Film sehen, in dem es anders raucht und nur die Gedanken zischen, sicher sehr sehenswert.
Wohin sich Kiefer nun als Künstler getrieben sieht, da er in Paris neue Pläne verfolgt, könnt ihr in dem Artikel Keine Kühe und keine Wolken im aktuellen Spiegel lesen, das ich trotz Mitwirkung von Dr. Mathias Döpfner auch empfehle. Hilft ja nichts, ich bin eben Fan von Anselm Kiefer.

  • siegmarberlin
    2. November 2011 at 15:31

    guter Artikel, irgendwie find ich kein Zugang zu den Arbeiten, geht mir mit im wie mit Beuys, da haabe ich wirklich mit richtig einlesen müssen und bin jetzt von Beuys sehr beeindruckt.

  • Daisydora
    3. November 2011 at 10:12

    @siegmarberlin

    Mir ging es glaube ich ganz ähnlich, wobei ich an Beuys noch immer zu knabbern habe. Vielleicht magst du die Doku ja trotzdem. Die wirkt so ähnlich wie mein Lieblingsmedidationsfilm: Thirteen Lakes 😉

  • siegmarberlin
    3. November 2011 at 10:39

    @ daisydora

    Die Doku ist ist wirklich gut und ich werde mich jetzt auch mal mit ihm mehr beschäftigen, bei Beuys habe ich den Zugang durch quer lesen, seine Vita sowie über einen freund der Beuys-Kenner ist, gefunden, war sicherlich nicht ganz einfach.

  • Daisydora
    3. November 2011 at 16:34

    @siegmarberlin

    Ich werd mich da auch noch mal rantasten, immer wieder, bis ich einen Zugang finde …

    Und, ich wollte mich noch für deinen abschließenden Kommentar von gestern bei dir bedanken 🙂