Interview

Nachgefragt bei … TOMS – Teil 2

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„One for one“ – Wir haben uns auf die Suche gemacht und mit TOMS ein verantwortungsvolles Unternehmen gefunden, das mit jedem Schuhverkauf an eine bedürftige Person spendet. Sebastian Fries, gebürtiger Deutscher mit Wohnsitz in Los Angeles, gehört zu den Experten im Bereich Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell. Anbei die Fortsetzung des Gesprächs für Horstson (Teil I gibt es hier zum Nachlesen).

Wie groß ist dein Team?
Mein Team bezüglich aller „Giving“-Fragen besteht aus 25 Mitarbeitern. Insgesamt hat TOMS um die 400 Mitarbeiter weltweit, was wirklich wenig ist. Gerade in Asien, Europa und Zentraleuropa expandieren wir und finden Anklang mit unserem Geschäftsmodell.

Welche Rolle spielen Blogger für euch?
Das ist wirklich eine sehr, sehr gute Frage: Bei uns gestaltet sich der Bereich Marketing ganz anders als bei anderen Unternehmen. Wir haben uns in den letzten Jahren ziemlich auf den Bereich Social-Media konzentriert und da spielen Blogger natürlich eine entscheidende Rolle. Sie sind wichtig und wir haben Blogger auf beiden Seiten.

Welche Seiten meinst du?
Einerseits haben wir Blogger, die uns verteidigen und unsere Arbeit schätzen. Andererseits gibt es auch Blogger, die kritisch hinterfragen, was wir machen und welchen Stellenwert der Bereich „Giving“ bei uns hat. Ich finde beide Seiten immens wichtig, denn oftmals sprechen sie gute Punkte an und regen zur Diskussion an.

Bist du bei den Projekten auch selbst vor Ort?
Natürlich. Nächste Woche geht es nach Indien, danach geht es wieder woanders weiter. Die einzelnen Projekte und Produktionsstätten besuche ich regelmäßig mit meinem Team. Kürzlich war ich in Peru unterwegs, um unsere Kaffeeplantagen zu besuchen. Vor Ort habe ich eine Frau beim Wasserholen begleitet und war schockiert: Das Wasser war von Tierkadavern verunreinigt, es wurde jedoch trotzdem genutzt. Die ältere Dame lief kilometerweit zurück zum Dorf, schleppte und schleppte. Angekommen, musste sie erst einmal das gesamte Wasser abkochen. Die betroffenen Menschen vor Ort warten händeringend auf Trinkwasser. Das sind persönliche Erlebnisse, die mich immer wieder bestärken und motivieren, weiterzumachen.

Stichwort Weitermachen: Irgendwelche Anknüpfungspunkte für andere Unternehmen?
Es ist natürlich klasse, dass wir mit unserer Arbeit Anklang finden. In fünf Jahren hoffe ich, dass wir, ähnlich wie beim Thema „Organic“, gemeinsam wachsen. Heute ist es normal, dass „Organic“-Produkte von Freunden und Familie gekauft werden und auf dem Tisch stehen. Vielleicht führt unsere Arbeit dazu, dass wir in fünf Jahren bei der Bekleidung ähnlich denken und handeln. Wie wäre es denn, wenn sich andere Unternehmen stärker in „Giving“-Fragen einbringen würden und somit ein Kollektiv bilden? Dann steigt die Messlatte höher und es muss übergreifend im Bereich Nachhaltigkeit investiert werden. Es entsteht Druck für die übrigen Unternehmen, sie müssen etwas ändern um weiterhin mitspielen zu können.

Klingt ziemlich vorausschauend…
Für uns als Unternehmen ist es einfach sinnvoll, diese Punkte mit in Betracht zu ziehen.
Zusätzlich trete ich als Redner für diese Themenbereiche auf: Bill Clinton hat mich eingeladen und ich habe auch schon in Harvard gesprochen. Das ist ein ganz spannendes Feld, denn ich bekomme viele Anfragen. Es kommen kleinere Unternehmen auf mich zu und fragen, wie man so ein Geschäftsmodell aufbaut. Wir stehen mit TOMS als Beispiel dafür, was es bedeutet, auf eine neue Art Geschäfte zu machen. Es gibt vielleicht zehn Unternehmen, die das wirklich toll machen und neben uns fallen dabei Namen wie Patagonia. Wir werden immer wieder zu unterschiedlichen Anlässen eingeladen und siehe da, die wirklich großen Unternehmen bekunden Interesse: Coca-Cola, Unilever und Starbucks machen aktiv mit und initiieren zum Teil Projekte zum Thema Nachhaltigkeit.

„Chapeau“ – Hut ab!
Dieses Jahr habe ich schon mehrere Einladungen zu Konferenzen wahrgenommen. Wir haben es uns bei TOMS zum Ziel gesetzt, eine Millionen Schuhe für syrische Flüchtlinge zu spenden. Diesbezüglich waren wir in New York bei der CGI, der Clinton Global Initiative, dabei und haben zwanzig Nichtregierungsorganisationen zum einstündigen Brainstorming eingeladen.

Worüber wurde diskutiert?
Wir haben uns mit der Frage beschäftigt, wie man die Lebensgrundlage von Flüchtlingen in Flüchtlingslagern aufbauen kann: Nicht nur spenden, sondern auch die betroffenen Menschen miteinbinden. Es kamen Ikea, Procter & Gamble und Uniqlo, wir haben uns gemeinsam hingesetzt und sind der Frage nachgegangen, wie man aus dieser schrecklichen Situation heraus eine Lebensgrundlage erschaffen kann. Man muss sich mal vorstellen, dass die betroffenen Menschen bis zu fünfzehn Jahre in Flüchtlingslagern verbringen. Diese Menschen haben nicht die Möglichkeit, nach Hause zu gehen, denn sie haben kein Zuhause. In diesen Lagern leben Menschen, die verständlicherweise Aufgaben und Zugehörigkeit suchen. Was können wir da machen?

Einen Dialog anstoßen.
Genau, die Leute waren begeistert. Erst einmal sitzen alle da und warten darauf, dass irgendjemand anfängt, etwas zu tun. In diesem Fall waren wir mit TOMS diejenigen und haben Anklang gefunden. Das macht Spaß und es entwickelt sich eine Dynamik, ein Vorwärtskommen.

Diese Bewusstsein beschäftigt durchaus auch uns Konsumenten: Was können wir tun?
Eine sehr gute Frage, als Kunde hast du immer die Wahl: Wenn der Preis stimmt und das Produkt ansprechend ist, unterstützt du das Unternehmen mit einem Kauf. Es liegt letztlich am Kunden, ob er zusätzlich darauf achtet, welche Botschaft und Idee hinter den einzelnen Produkten steckt. Du bestimmst maßgeblich mit, wer erfolgreich verkauft. Ich hoffe natürlich sehr, dass sich das Bewusstsein dahingehend entwickelt, dass wir vor dem Kauf nachdenken.

Ein reflektierter Umgang?
Ja. Es wäre doch spannend herauszufinden, wie viele Kunden es gibt, die sich darüber Gedanken machen. Wie kann man mit diesen Kunden in einen Dialog treten um dieses Nachdenken langfristig zu verstärken? Ich höre immer wieder, dass wir Deutschen so viele skeptische Fragen stellen würden. (lacht) Es wäre doch interessant zu erfahren, wo wir diese Dialoge führen: Im Laden selber? Im Café nebenan? Viele Leute haben den Anspruch nachzufragen, mich interessiert, wo sie es tun.

Discount-Alarm, Halbjährlicher Ausverkauf und Massenware: Dein Statement zu Fast-Fashion?
Man muss immer aufpassen, wo, was und vor allem wie herkommt. Wir sollten uns alle mit diesen Fragen auseinandersetzten, soviel steht fest. Wenn etwas so billig ist, dass es nicht einmal den Herstellern vernünftiges Geld einspült, sollte man kritisch nachhaken. Beim Thema Kaffee, ich lenke einmal von der Modewelt ab, habe ich sofort gedacht: Wir müssen etwas ändern. Die Kaffeebauern bekommen nicht ausreichend ausgezahlt, als dass es für die nächsten Generationen lohnen würde, im Geschäft zu bleiben. Es müssen die Versorgungen für Bauern ausgebaut werden, damit diese sich ein eigenständiges Leben aufbauen können.

Um gleichzeitig einen Anreiz für die nächsten Generationen zu schaffen…
Diesen Gedanken müssen wir auch in der Textilindustrie vertiefen: Es müssen vernünftige Arbeitsbedingungen geschaffen werden, um generationsübergreifend fortgeführt zu werden.

Ein zukunftsfähiger Ausbau?
Ich denke als Modeindustrie muss man sich definitiv mit solchen Themen befassen. Mode hat einen hohen Stellenwert für uns, wir wollen gut aussehen und haben gleichzeitig den Anspruch, ununterbrochen daran teilzunehmen.

  • Siegmar
    11. November 2014 at 13:32

    Die Idee isrt großartig und ich hoffe es wird dann auch 1:1 umgesetzt. Interessant finde ich die Aussage das sich die Riesenunternehmen wie Coca Cola, Uni Lever etc. auf einmal für Nachhaltigkeit interessieren, das nehme ich denen so nicht ab, sie wallen auf den Zug “ Nachhaltigkeit “ mit aufspringen, da gibt es ja auch noch genügend zu verdienen, siehe den Betrug bei Bio-Produkten. Solange Unternehmen wie Nestlé in Afrika und Indien den armen Menschen in den Dörfern im wahrste Sinne des Wortes “ das Wasser abgraben “ um es abgefüllt in Plastik dann an die gleichen teuer zu verkaufen, glaube ich solchen Unternehmen in keiner Weise.