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Mit Joop in Gold gegen Achtundsechzigkommasechs Prozent

Foto: Deutsche Oper Berlin/Andre Rival

Ich musste mich erst mal kurz statistisch schlau machen, bevor ich etwas zu den neuen Kampagnenbildern des Fotografen André Rival vom Berlin-Potsdamer Platzhirsch Wolfgang Joop für die Deutsche Oper in Berlin, die immerhin an jedem Vorstellungstag rund 2000 Plätze zu verkaufen hat, schreibe. Denn Horst würde niemals dulden, dass wir Horstson Schreiber dieses Thema rein visuell beschreiben. Nun gut: In der Opernsaison 2008/2009 warb die Intendantin, Kirsten Harms, immerhin mit der mehr als fotogenen Nadja Auermann, die als Suzie Wong Verschnitt für Turandot und als Nackedei Venus für den Tannhäuser die Werbetrommel rühren durfte. Die Idee, die man nunmehr mit Joop in verschiedenen Rollen mit extrem hohem Goldanteil umgesetzt hat, ist simpel die: Man verkleidet bekannte Menschen als Operndarsteller und lässt sie von André Rivals Kamera mehr oder weniger bedeutungsgeschwängert portraitieren. Ist das heute eigentlich schon eine konzeptive Leistung, wenn man in Potsdam oder Berlin wohnhafte Künstler zur Eintrittskartenabsatzsatzsteigerung einsetzt?
Ganz ehrlich, als ich die Sujets mit Barbara Schöneberger sah, musste ich unvermittelt losprusten, so danebengegangen finde ich die. Und damit noch nicht genug: Wolfgang Joop, den ich wirklich mag, weil er kein Berufsdarsteller ist, sondern wirklich was kann, der wirkt auch eher tragisch und urkomisch in diesen von ihm selbst gewählten – ohnehin schon auf das Mindeste reduzierten – Kostümen. Wer ist bloß auf die Idee gekommen, dass man all den vielen Menschen innerhalb und außerhalb von Berlin, die noch nie in ihrem Leben ein Opernhaus von innen gesehen haben, damit in die heiligen Hallen lockt, dass man den meisten Menschen völlig unbekannte Opernfiguren karikiert und mäßig spannend fotografiert. Das kommt dann auch noch dazu. Hätte Annie Leibovitz eine oder mehrere ihrer beeindruckende Inszenierungen für diesen Zweck schaffen dürfen, dann sähen die Ergebnisse ganz anders aus. Darüber setzt sich diese Kampagne einfach mal hinweg, als wüssten wir nicht genau, wie wichtig gute fotografische Ideen beziehungsweise fulminante Inszenierungen sind. Ich finde, ohne zu wissen über wie viele Laufmeter die Plakate affichiert werden, dass es relativ flaue Ergebnisse geworden sind, die mich jedenfalls nicht in Bewegung setzen würden, da sie mich nicht vom Hocker hauen, Herr Rival!. Aber ich war ja auch schon so oft in meinem Leben in der Oper, wie andere Menschen die Tagesschau aufmerksam verfolgt haben…… Bin gespannt, ob diese Kampagne zu dem Turboeffekt führt, der die mäßige Auslastung von unter siebzig Prozent auf knapp neunzig Prozent anhebt. Wenn nicht, liebe Frau Harms, empfiehlt die Kulturabteilung von Horstson vollkommen kostenlos folgendes: Fragen Sie Claus Peymann, der sitzt doch um die Ecke im Berliner Ensemble und ist über den Berliner Tellerrand hinaus bekannt dafür, mit künstlerischer Qualität überall eine tolle Auslastung hinzubekommen. Und dann könnte man ja auch noch am Spielplan und den Besetzungen mit Sängern, Regisseuren und Bühnenbildnern arbeiten…. Horstson wünscht der Intendantin Kirsten Harms gutes Gelingen, dem eitlen Herrn Joop viel Spaß dabei, sich in den nächsten Wochen häufiger mal auf nicht eben gelungenen Fotos selbst zu begegnen – und bittet euch, liebe Leser ausdrücklich darum die maroden und chronisch unterfinanzierten Berliner Kulturbetriebe zu unterstützen….. Ohren weit auf, Augen zu – und durch!

Alle Fotos: Deutsche Oper Berlin/Andre Rival

  • Christian
    8. September 2010 at 19:58

    also ich mag vor allen dingen joop in der rolle der schöneberger!

  • corinna
    8. September 2010 at 20:17

    Ach herrjeh, Du meinst wirklich Dir etwas über den Spielplan der DO anmaßen zu können? Schade, würdest Du in die Oper gehen könntest Du an dieser Stelle nämlich fundierter von den guten Auslastungszahlen, den hervorragenden Dirigenten und Solisten, geschweige denn dem wunderbaren Orchester berichten.
    Und Deinen Vorschlag an Kirsten Harms, den find‘ ich echt süß.

  • Daisydora
    8. September 2010 at 20:35

    @corinna

    Das war nicht als Bericht über die DO gedacht! Hast du die aktuellen Auslastungszahlen? Ich habe lediglich Angaben in Höhe von knapp siebzig Prozent gefunden und habe diese mit denen führender Opernhäuser und Theater der Welt verglichen. Vielleicht hätte ich das ja dazuschreiben sollen. Aber es gibt ja noch eine Welt außerhalb von Berlin und da sind knapp siebzig Prozent Auslastung zu wenig. Über den Spielplan der DO habe ich kein Wort verloren. Aber darüber, dass Werbung, noch dazu diese Kampagne, die so simpel und geschmäcklerisch daherkommt, etwaige Impulse die im Bereich des Künstlerischen vielleicht noch möglich und angebracht wären, niemals ersetzen kann. Und zu meiner Kulturfestigkeit kannst du mich ja gerne prüfen… Ich bin dort groß geworden, wo Hochkultur das für die Menschen ist, das in Deutschland Fußball und gute Autos sind…… Und von Claus Peymann zu lernen, wäre auch für die sicher ganz großartige Kirsten Harms keine Schande 🙂

  • corinna
    8. September 2010 at 20:55

    Richtig, 70% Auslastung sind in der Tat nur ein mittelmäßig zufriedenstellendes Ergebnis (das Opernhaus an dem ich arbeite erzielt seit sage und schreibe 13 Jahren mind. 92% Auslastung). Meines Wissens nach liegen die Auslastungszahlen der DO aber weit über 80%, aber das nur am Rande.

    Und entschuldige, Deinen Satz „Und dann könnte man ja auch noch am Spielplan und den Besetzungen mit Sängern, Regisseuren und Bühnenbildnern arbeiten….“
    habe ich dann scheinbar in den falschen Kontext gesetzt (obwohl dieser für mich nur den Schluss zulässt, dass Du KH empfiehlst an ihrem Spielplan zu feilen).
    Und hey, von Claus zu lernen, heißt leider oftmals ihn zu überleben. Das haben einige gestandene Größen dann vielleicht nicht mehr nötig (-;

  • Daisydora
    8. September 2010 at 21:03

    @corinna

    Glückwunsch zu deinen 92 Prozent, mit denen auch die besten Opernhäuser der Welt ganz zufrieden sind….. Ich wollte Frau Harms ganz bestimmt keine künstlerischen Ratschläge erteilen, da ich weder Intendantin bin noch eine Musikspezialistin. Ich habe nur das Glück, schon Vieles gesehen zu haben und weiterhin sehen zu können…. das mit Claus Peymann verstehe ich nicht, der hat einfach überall die bestmöglichen Auslastungszahlen weil seine Spielpläne auf der Höhe der Zeit sind. Aber Oper ist in D und erst recht in Berlin sicher noch schwerer verkäuflich als Theater….

  • fsh
    18. September 2010 at 17:10

    die auslastung der deutschen oper berlin (dob) liegt derzeit bei 79%.

    der autor kann getrost davon ausgehen, dass vor der entwicklung einer fotokampagne gewissenhaft ueber spielplan, premieren, dirigenten, regisseure, besetzungen nachgedacht wird. die kampagne soll den kuenstlerischen kern lediglich begleiten.

    das ziel der kampagne ist, dass die leute sich ueber sie austauschen. wenn ein laie – wie der autor – so heftig darauf eingeht, scheint das ziel erreicht. leider auf keinem hohen argument-niveau. ausser ein paar beleidigenden allgemeinplaetzen ueber geschmacksfragen hat der autor nicht viel bieten.

    peymann und kuenstlerische qualitaet? das BE hat eine gute auslastung ist aber in der fachwelt ziemlich abgeschrieben.

    herzlichen gruss
    felixschniederhenninger
    pressesprecher der dob

  • Daisydora
    18. September 2010 at 18:51

    @fsh

    Lieber Herr Pressesprecher,

    vielen Dank für die aktuellen Auslastungszahlen….. der Autor ist übrigenseine Autorin, die sich lediglich über die etwas geschmäcklerisch daherkommende Kampagne hergemacht hat und in Sachen Kommunikation und Werbung kein Laie ist. Was das Ziel von Werbekampagnen – auch solcher für Opernhäuser und Theater – ist, dass weiss ich bei aller Bescheidenheit ganz gut. Ich gehe bei meinem Gegenüber immer vom Besten aus, man weiss ja nie, wen man vor sich hat. Das wissen Sie in meinem Falle auch nicht. Und einen derart erfolgreichen und verdienten Theaterleiter und Regisseur wie Claus Peymann dessen zu zeien, er sei in der Fachwelt ziemlich abgeschrieben, finde ich fast schon rührend. Man sollte erst mal ein paar Jahrzente des Erfolges auf dem Buckel haben, bevor man auf den Pudding haut. Zu einer persönlichen Kulturnagelprobe trete ich gerne bei Ihnen an. Wie gesagt: Es ging nur um die Kampagne mit Wolfgang Joop!

  • fsh
    19. September 2010 at 14:31

    auf den pudding hauen? wieder so eine kurzgegriffene behauptung. die verdienste und erfolge von peymann sind unbestritten. aber einer der gradmesser fuer kuenstlerische qualitaet sind nun mal die einladungen zum berliner theatertreffen. wann war das BE zum letzten mal dabei? und weil ich nicht den ganzen tage zeit habe, die tatsachen zu belegen hier nur ein beispiel:

    http://www.tagesspiegel.de/kultur/domina-trifft-tuntenritter/1708340.html

  • Daisydora
    19. September 2010 at 19:04

    @fsh

    Lieber Herr Schnieder-Henninger,

    Kann ja gut sein, dass die Pferde der Begeisterung mit mir durchgehen, da ich den einen oder anderen großartigen deutschen Theatermacher, darunter Claus Peymann, sehr verehre…das könnte daran liegen, dass ich einfach fast alles (ca. seit 1980, als ich noch klein war) gesehen habe, das er und andere Theaterdinosaurier künstlerisch schon abgeliefert haben. Und ich empfand ihren Hinweis auf das Urteil der Fachwelt als etwas flapsig … werden frühere Erfolge etwa aberkannt? Ich habe die genaue Zahl der Einladungen nicht im Kopf, bin aber relativ sicher, dass C. Peymann zu den Regisseuren gehört, die schon die meisten Einladungen zum Theatertreffen hatten. Wenn man dann noch die zum Theatertreffen eingeladenen Stücke dazunimmt, die er als Direktor des Schauspielhaus Bochum, des Burgtheaters und Akademietheaters mit verantworet hat, dann ist die Bilanz eher glänzend als nur respektabel.

    Herzlichen Gruß von mir in die DO nach Berlin!