Interview Music

„Meine Songs sind Schnappschüsse und ich sehe jeden Song als eine eigene Welt“ x Jan Who trifft Kat Frankie

Brennnessel- oder Pfefferminztee? Das ist an diesem von Sturmtief „Friederike“ geplagten Tag die Frage. Die Entscheidung fällt auf Brennnessel und der Tee, das ist das Außergewöhnliche, wird von Kat Frankie selber aufgegossen. Im Büro von „Grönland Records“ in Berlin treffe ich die in Australien geborene und in Berlin lebende Singer/Songwriterin, die nun vergangenen Freitag ihr neues Album „Bad Behaviour“ veröffentlicht hat. Ganz anders als es der Albumtitel vermittelt, ist sie sehr höflich. „Obnoxious“ und „Messy“ klingt aber das neue Album. Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an. Also habe ich mit Kat über einem Brennnesseltee auf Deutsch und Englisch über ihr neues Album, Chicks on Speed, Loopstations und Rummach-Songs gesprochen.

Jan Who: Ich habe dich das erste Mal zusammen mit Clueso gehört und dachte: coole deutsche Sängerin. Dabei bist du eigentlich gar nicht aus Deutschland. Wie ist dein Deutsch so gut geworden? 
Kat Frankie: Wenn du in ein neues Land kommst, dann solltest du auch die Sprache lernen, finde ich. Als ich vor 13 Jahren nach Berlin kam, habe ich viel mit amerikanischen Musikern abgehangen und es war echt geil. Aber ich wollte immer Deutsch lernen, weil ich denke, dass man sonst in dieser Experten-Blase hängenbleibt und ich wollte ja Teil der deutschen Musikszene sein.

Du hast Chicks on Speed zitiert, die gesagt haben, Berlin sei die geilste Stadt um Musik zu machen. Ist das in deinen Augen noch immer so?
Leider ja (lacht). Alles was ich in diesem Artikel von Chicks on Speed gelesen habe, stimmt noch immer mehr oder weniger. Es ist noch immer eine billige Stadt, es gibt geile Künstler, die hier arbeiten und Clubs, Plattenfirmen und Proberäume sind auch noch relativ günstig. Auch wenn die Gentrifizierung ein immer größeres Thema wird, ist es noch immer die geilste Stadt in Europa, um Künstler zu sein.

Hast du mit deutscher Musik auch die Sprache gelernt?
Ich habe einen ganz klassischen Volkshochschulkurs in Kreuzberg gemacht (lacht) und außerdem ist meine Band Deutsch. Ich habe auch schon viele Interviews in Deutsch gegeben und alle Mitarbeiter um mich herum sprechen Deutsch.

Hast du denn mal darüber nachgedacht ein Album auf Deutsch aufzunehmen?
Aber natürlich! Ich habe schon ein paar deutsche Songs aufgenommen und wollte das auch in Zukunft weiter tun. Allerdings habe ich ein bisschen Angst wegen meiner Grammatik (lacht).

Das Duett mit Clueso hat dir einen zusätzlichen Bekanntheits-Boost verschafft. Ihr seid musikalisch aber eigentlich sehr verschieden. Wie kam es zur Kooperation?
Clueso ist mehr oder weniger auf mich zugekommen. Ich habe ihn über Tim Neuhaus (Anm.: Schlagzeuger von Clueso und selbst auch Solokünstler) kennengelernt, ihn persönlich aber vorher nur einmal auf der Straße getroffen. Er hat irgendwann mal zu Tim gesagt, wenn er ein Duett schreibt, dann möchte er das mit mir singen. Damals gab es kein Duett, aber als er ein paar Jahre später „Wenn Du Liebst“ geschrieben hatte, fragte er mich dann.

Du sagst über dein neues Album „Bad Behaviour“, dass du darauf „messy“ und „obnoxious“ sein wolltest, aber dir ein deutsches Wort für „obnoxious“ fehlt. Ich habe mal recherchiert und meiner Meinung nach könnte man „rotzig“ ganz gut verwenden. Kennst du das Wort?
Ah! Nein ich habe tatsächlich viele Journalisten gefragt und denen ist nie ein Wort dafür eingefallen.

Ist so ein bisschen wie frech. MIA zum Beispiel ist so ein „rotziges“ Mädchen.
Rotzig. Habe ich vorher noch nicht gehört. „Obnoxious“ heißt auch, dass du ein bisschen ein „jerk“ (dt: idiot) bist. Aber gut, dann sagen wir ab jetzt mal „rotzig“.

Vom Rotzigen einmal abgesehen, ist das Album tatsächlich „messy“, da es keinen thematischen roten Faden oder so etwas hat. Gehst du grundsätzlich an Alben ran in dem du sagst: Ich schau mal was kommt, oder hast du eigentlich schon einen thematischen Rahmen?
Nein, nein. Für mich geht es immer um die Lieder selbst. Meine Songs sind „Schnappschüsse“ und ich sehe jeden Song als eine eigene Welt. Ein Album folgt für mich keinem Konzept im klassischen Sinn. Ich schreibe Songs, die interessant sind, sich gut anfühlen beim Singen, packe diese auf ein Album und teile das dann mit der Außenwelt. Wenn man einen roten Faden benennen müsste, gäbe es den eher in Bezug auf den Produktionsvorgang oder die textliche Entwicklung von Album zu Album. Aber ein übergreifendes Thema gibt es nicht.

Stimmt es, dass du beatboxen kannst?
Oh Gott nein ich bin ein schrecklicher Beatboxer. Ich habe als Kind öfter mal Acapella-Songs aufgenommen. Damals hatte ich noch Kassetten in meine Stereoanlage eingelegt und einen „Beat“ aufgenommen, also so „Bum bum tschk“ und dann habe ich eine neue Kassette eingelegt und zu dem Song mit Lyrics performt.

Das klingt relativ komplex für ein Kind.
Ja so habe ich damals Musik aufgenommen. Ich mache das heute mit meiner Loopstation genauso. Ich nehme Beats mit der Loopstation auf, um sie dann weiterzuverwenden. Aber als Beatboxing würde ich das nicht bezeichnen.

Wo wir gerade dabei sind. Die „Loopstation“ wird von dir oft erwähnt. Kannst du kurz mal erklären, was es damit auf sich hat?
Die Loopstation ist eine „Station“ auf der man Tonspuren aufnehmen kann, die man dann „loopen“, also sich wiederholen lassen kann. Dann kannst du eine weitere Tonspur aufnehmen und diese darüberlegen, sodass du zwei Spuren hast, die sich gleichzeitig wiederholen. Ich mag die Loopstation deshalb so sehr, weil sie sehr intuitiv ist und es sehr viel Spaß macht, damit zu arbeiten.

Als du jung warst, hast du deiner Großmutter gesungene Briefe geschickt.
Das ist richtig. Ich habe davon aber erst erfahren, als meine Großmutter verstorben war. Ich war damals vier Jahre alt. In den Achtzigern hat meine Mutter meiner Oma anstatt Briefe Kassetten geschickt. Sie hat Nachrichten aufgenommen wie: „Hallo Oma, Katherine hatte heute ihren ersten Schultag und sie hat einen Song gelernt“. Und dann fragte sie mich, ob ich diesen Song nicht mal singen möchte. Ich wollte damals aber lieber meinen eigenen Song singen. Meine Mutter hat dann nachgegeben und meinte, ich solle doch diesen Song für Oma singen. Ich habe dann einen Song gesungen, der eine Mischung aus Kindergarten-Reimen und so seltsamen Dingen war. Ich erinnere mich noch daran, dass ein Song von Schafen auf der Wiese, Jesus und solchen Dingen handelte.

Schon wieder so tiefgründige Thematiken in dem Alter.
(lacht) Ja, aber alles sehr komisch. Als ich die Kassetten hörte, dachte ich mir: Shit, ich konnte damals nicht mal schreiben, aber ich wollte schon immer Songs machen.

„Finite“ ist ein Break-Up Song. Im Falle eines Break-Ups: Würdest du deine eigenen Break-Up Songs hören?
Oh nein! Das wäre so falsch auf allen Ebenen und total komisch.

Und was hörst du, wenn du eine Trennung durchmachst?
Ich bin gar kein Fan davon Herzschmerz-Musik zu hören, wenn man sich getrennt hat. Ich höre dann eher Musik, die mich aufbaut. Weißt du, eigentlich ist es so: Wenn ich eine Trennung hinter mir habe, dann höre ich keine Musik, dann schreibe ich Musik! Dafür sind Break-Ups da! Ich meine du schreibst vielleicht nicht gleich einen Song wenn du dich trennst, aber der Grundbaustein ist da. Und wenn du dann ein halbes Jahr oder Jahr später einen Song schreibst, kommt es wieder hoch, irgendein Thema der Trennung kristallisiert sich raus und das ist dann der Song, welcher den Schlussstrich unter allem zieht.

Bäm.
Ja genau. Done.

Ich weiß du benennst nicht gern „deinen Lieblingssong“, aber wenn du müsstest, welcher vom Album wäre das?
Weißt du komischerweise hat mich das noch keiner gefragt (überlegt). Also ich würde sagen, es ist ein dreifaches Unentschieden zwischen „Finite“, „Back To Life“ und „Spill“, allein weil „Back To Life“ und „Spill“ zu singen soviel Spaß gemacht hat.

„Spill“ ist ein Song, bei dem es ums Rummachen geht, was mir zum Beispiel erst beim zweiten Hören aufgefallen ist. Was ich interessant fand: Du hast gesagt, es sei komisch,
dass man je älter man wird, immer weniger Songs zum Rummachen hat, obwohl man natürlich eigentlich mehr rummacht. Hat es Spaß gemacht, einen Song darüber zu schreiben?

Ja total und ich fand die Idee ganz lustig. Meiner Meinung nach macht ja keiner mehr gute Songs zum Rummachen bzw. habe ich in letzter Zeit kaum welche gehört. Es war außerdem cool so etwas zu singen, weil das im Grunde nicht so wirklich ich bin. Also jemand der übers Rummachen singt. Vielleicht ist es also auch ein wenig ironisch.

Natürlich kommt jetzt die Frage nach deinem Rummach-Song in der Jugend.
Oh ok das ist der Punkt wo mein Alter rauskommt (lacht). Also das war auf jeden Fall „Moon Safari“ von Air und Morcheeba. Viel Morcheeba.

„Big Calm“?
Ja genau, das rote Album. Ich glaube das war das Rummach-Album der 90er Jahre.

Eine nicht ganz ernst gemeinte Frage am Schluss: Es taucht eine Menge „Drag“ in deinen Pressemitteilungen auf und es wurde mal gesagt, du klingt wie James Blake als Drag Queen?
(lacht) Ja das habe ich über „Back To Life“ gesagt. Ich habe gesagt, dass ich meine Stimme darauf mag und denke ich klinge wie „James Blake als Drag Queen“.

So und jetzt die Frage: Was wäre dein Drag Name als Drag Queen?
Oh toll, spontane Drag Namen. Ich würde sagen vielleicht „Fat Krankie“?

Und hier noch Kat’s derzeitige fünf Lieblingssongs:

Itaca – „Mi manchi“
Janet Jackson – „Rhythm Nation“
Fleetwood Mac – “Everywhere”
Dirty Projectors – “About To Die”
Schmieds Puls – “Play Dead”

  • Peterkempe
    5. Februar 2018 at 08:42

    Super Interview und eine mega tolle Musikerin ! Danke Jan !

  • JanWho
    5. Februar 2018 at 12:10

    Gerne Peter 🙂