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Die ZEIT Lesetipp x The Model Alliance x Sara Ziff initiiert erste Modelgewerkschaft in New York

Der Name Sara Ziff ist einigen unter euch sicher schon ein Begriff. Das Topmodel, Tochter einer Upper-Class Family, hat schon in ihrem viel beachteten Film Picture Me tiefe Einblicke in das angeblich so unglaublich schillernde Leben von Models, den schwächsten Akteuren des Modebusiness, geboten. Ihre Dokumentation der sattsam bekannten Missstände sollte aber kein Strohfeuer zum Thema bleiben. Sara wollte viel weiter gehen, um den heute zu Beginn der Karrieren schon überwiegend sehr jungen und unerfahrenen Models mehr Schutz und geordnete Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Aber eigentlich geht es um alle in den USA arbeitenden Kolleginnen und Kollegen. Zeitgleich mit der Eröffnung der New York Fashion Week wurde nun The Model Alliance, Saras Modelgewerkschaft, der Öffentlichkeit vorgestellt.

The Model Alliance
 
Die Organisation, The Model Alliance, die Sara mit fachlicher Hilfe und Beratung von Rechtsprofessoren und Diskriminierungsexperten der Fordham Law School und der Columbia Universität, sowie mit tatkräftiger Unterstützung von prominenten Topmodel-Kolleginnen wie Amy Lemons, Lisa Cant, Coco Rocha und anderen auf die Beine gestellt hat, verfolgt diese Ziele: Eine Absicherung der Models, finanzielle Transparenz bei den Abrechnungen der Agenturen, einen verbesserten Schutz vor Diskriminierung, in jeglicher Hinsicht. Aber auch Schutz vor sexueller Belästigung und Übergriffen, sowie dem Verbot von Kinderarbeit für Models.

Da werden viele von euch denken: Reichten da nicht auch die Gesetze in den jeweiligen Ländern aus? Kinderarbeit ist ja überall in der westlichen Welt verboten und in den USA ist man bei sexueller Belästigung schnell im Knast oder muss hohe Strafen zahlen, auch wenn das Opfer nicht minderjährig ist. Die Antwort ist ja und nein. Irgendwie hat es das Modebusiness mit seiner Strahlkraft und all den weltberühmten Akteuren, Designern wie Karl Lagerfeld, Tom Ford oder Marc Jacobs, Editors In Chief wie Anna Wintour, Franca Sozzani oder Carine Roitfeld, geschafft, selbst eine weiße Weste zu behalten, obwohl genau diese Leute dazu beigetragen haben, dass heute für normale Models alles außer Rand und Band ist.

Es geht nur um‘s große Geld. Jeder kennt den weltberühmten Satz von Linda Evagelista …. Auf die für die Fashion-Industry sündteure Ära der Supermodels folgte die sehr teure Ära der echten Topmodels wie Kate Moss, Gisele Bundchen, Amber Valetta, Carolyn Murphy und Co. Die Models dieser Zeit waren schon zu mehreren, als die handverlesenen Supermodels, und diese klugen Mädchen und Frauen wussten auch sehr genau, was sie wert sind und ihre Agenturen hatten keine Mühe, die Mondpreise auf dem Markt durch zu setzen. Trotz Tagesgagen von 50.000 Dollar aufwärts, zuzüglich Buyouts, Reisetagen und First Class Flügen sowie 1A Behandlung, waren und sind viele dieser Models noch immer ausgebucht. Models wie Kate Moss oder Gisele Bundchen könnten jeden Tag im Jahr zweimal verkaufen.

Irgendwann haben sich dann Designer wie Karl Lagerfeld und Kollegen dagegen aufgebäumt. Sie empfanden den Markt als ein Diktat der Modelagenturen und Topmodels mit viel zu hohen Preisen. Natürlich hat man sich dann wie Kaiser Karl auf beliebte Allgemeinplätze gerettet und behauptet, allzu bekannte Topmodels würden nur von der Hauptsache, den Kollektionen, ablenken. Da traf es sich sehr gut, dass durch den Fall des Eisernen Vorhangs und durch die Neuordnung von Russland und seinen früheren Ländern, Heerscharen guter Mädchen nach Paris drängten, die aus bitter armen Verhältnissen kamen, blutjung, unerfahren und schüchtern waren und keine Ahnung von dem hatten, was sie da erwartete. Der überwiegende Teil der neuen Mädchen konnte weder englisch noch französisch. Binnen einem Jahr war der Markt so voll mit diesen Mädchen, dass Agenturen ihre New Faces durch unbezahlte Jobs pushen mussten, damit immer einige es unter die besser oder sehr gute bezahlten, neuen Topmodels schafften. Das hat den Markt komplett umgekrempelt, das Überangebot, auf das Magazine, Designer und Fotografen nun nahezu kostenlosen Zugriff hatten, und heute noch haben …
 
Würden Modelagenturen generell nur Mädchen aufnehmen, von denen sicher feststeht, dass es einen Markt für sie gibt, dann hätte jede Agentur rund um den Erdball nur höchstens halb so viele Mädchen, eher weniger, im Portfolio. Nach dem Prinzip, Kleinvieh macht auch Mist, nimmt man jede auf, aus der mit viel Fantasie und Glück etwas werden könnte. Man muss die Mädchen schließlich nicht bezahlen, auch wenn die jeden Tag zehn Castings machen und nicht wissen, wovon sie ihre Miete und ihr Essen bezahlen sollen. Agenturen wissen also, dass sie niemals alle Models unter ihren Fittichen halbwegs vernünftig beschäftigen könnten. So wurden Models zur Ware ohne Wert. Es zählt die Einzelne nur dann, wenn einer der Gurus sie zu seiner Muse erhebt. Dann gibt es auch wieder besseres Geld, aber schon lange nicht mehr so viel, wie die erste Garde der Topmodels heute noch immer Job für Job bekommt.

So wenig erst mal zu den Hintergründen, man könnte Bücher damit füllen, wie eins zum anderen kam und wer sich da besonders negativ hervorgetan hat. Fakt ist aber, dass die Agenturen dafür verantwortlich sind, dass Mädchen nicht zu früh in den Beruf einsteigen und wie deren Arbeitsbedingungen sind. Und man sollte das per Gesetz verbieten, dass unter Sechzehnjährige als Models im Erwachsenenbereich arbeiten.
 
The Model Alliance hat gewiss Hand und Fuß und es setzen sich tolle Leute dafür ein. Aber ich glaube nicht daran, dass eine an sich sehr gute Idee, wie The Model Alliance, die Branche per Diktion wieder anständig machen kann. Aber es ist sehr wichtig, die Missstände detailliert zu dokumentieren und weiter auf breitester Ebene bekannt zu machen, um die Schwelle für diesen Wahnsinn wieder höher zu setzen. Am Ende werden aber immer Auftraggeber wie Designer, Magazinmacher und Fotografen am längeren Ast sitzen und Agenturen einfach nach deren Pfeife tanzen, weil deren Karteien mehr als übervoll sind … weil ja heute jedes halbwegs gerade gewachsene Mädchen unbedingt Model werden will. So nimmt mit dem Wert der einzelnen Model-Arbeitstage auch die Wertschätzung für die jungen Menschen ab. Und wenn die Eine nicht pariert, stehen schon fünf weitere am Start, die alles tun würden, um den Job auch unter unmöglichsten Rahmenbedingungen zu machen.
Hier bei ZEIT online könnt ihr jedenfalls weiteres zu Ursache und Wirkung im Modebusiness und zu The Model Alliance nachlesen
Eine kleine Kritik habe ich an Sara Ziff: Sie reflektiert nicht, in wie weit auch berühmte Kolleginnen, die wahrscheinlich auch aus Konkurrenzgründen, alles machen, zum Verfall der Sitten bei Magazinen und Fotografen beigetragen haben. Gisele Bundchen hat sich noch nie auf einem Foto ganz nackt gezeigt und wird das auch künftig nie tun. Von pseudokünstlerischen Editorials, die an der Grenze zur Pornografie entlang schrammen könnten, erst ganz zu schweigen.
 
Topmodels wie Lily Cole, Freya Beha Erichsen oder Lara Stone, um nur einige zu nennen, sind schneller aus den Klamotten, als wir bis drei zählen können und haben auch mit mehr als grenzwertigen Abbildungen keine Probleme. Ebenso wenig wie weitberühmte Fotografen wie Mario Testino, der im Auftrag von Carine Roitfeld, Lara Stone schon vor Jahren in einem ganz normalen Fashion-Editorial für die Französische Vogue unten ganz ohne fotografierte …..
 
Und wenn wir schon dabei sind, zur Erinnerung:

„Picture Me“ Film Premiere (a real look at the modeling industry)

 

  • Eveline
    17. Februar 2012 at 23:06

    Die Idee einer Modelgewerkschaft finde ich super, aber natürlich gewinnt eine solche ihre Macht erst durch eine Vielzahl an Mitgliedern. Solange die nicht erreicht ist wird es sicher genügend Mädchen geben, die sich als „Streikbrecher“ über weniger Konkurrenz freuen. Aber irgendwo muss man doch anfangen wenigstens zu versuchen etwas zu verändern. Von mir deshalb Daumen hoch.

  • The Model Alliance: Das Model Sara Ziff initiiert Modelgewerkschaft in New York | kalinkakalinka
    26. Februar 2012 at 06:34

    […] Die Liste der Negativseiten dieser Berufssparte ist unendlich. Wir hoffen, dass Sara Ziff und ihre Model Alliance gewisse Dinge verbessern können. Aber klar ist, dass solche Projekte mit der Masse an Leuten, die sich beteiligt oder eben nicht, steht und fällt. Und natürlich auch mit den Eltern der Jungmodels. Aber das wäre wieder ein anderes Thema, mit noch größeren Abgründen. Weitere Informationen und interessante Stimmen zur Model Alliance findet ihr zum Beispiel bei Zeit Online oder Horstson. […]