Paris Fashion Week

Königsklasse der Couture – Valentino Alta Moda Winter 2013

header
Bild: Valentino

Manchmal tut man sich schwer, einen Artikel zu einer Kollektion zu schreiben. Man findet keinen Zugang oder unter 50 Modellen sind nur zwei, die etwas aus der Masse herausragen. Beim Anblick der Valentino Haute Couture hab ich das äußerst seltene Bedürfnis, von den 57 Modellen, die die beiden Designer Maria Grazia Chiuri und Pierpaolo Piccioli in ihrer Schau für Valentino in der letzten Woche in Paris vorstellten, mindestens 50 zu besprechen und euch zu zeigen.
Dieses ist natürlich unmöglich, doch wer nachher neugierig geworden ist, kann sich die gesamte Show, die in einem fast intimen Rahmen und Ambiente gezeigt wurde, auf valentino.com anschauen. Man erinnert sich sofort an das Zitat von Diana Vreeland, die, als sie einmal bei Balenciaga kaum glauben konnte, wie schön eine Kollektion war, schrieb, dass sie stets bemüht war, Haltung zu bewahren, auch wenn man außer sich über das Gesehene war …
HC AI1314_9HC AI1314_12
Bilder: Valentino

Ehrlich gesagt, in diesem Fall, erleben wir, wie wir es so gerne nennen, ein echtes Trafalgar. Die Kollektion ist sensationell und ein echtes Stück „Alta Moda“, wie die italienische Form der Couture heißt. Alleine schon die Dekoration mit den Sonnenspiegeln und den Hirsch-Trophäen deutet darauf hin, dass es in Richtung Wunderkammer, aber auch die goldenen 50er Jahre geht – also zurück in eine Zeit, in der mit Emilio Schuberth, Roberto Capucci und eben dem jungen Valentino Garavani das goldene Zeitalter der Alta Moda begann.
Wunderkammern, auch eine sehr italienische Eigenheit aus der Renaissance und vor allem das prachtvolle Zeitalter der Medici und Sforza, inspirieren die beiden Designer immer wieder. Schon in der unfassbar schönen Frühjahrs Haute Couture hatte man das Gefühl, aus Botticelli Gemälden entstiegene Geschöpfe zu sehen.
HC AI1314_14HC AI1314_21
Bilder: Valentino

Tweeds und Gitterkaro-Doubleface Tageskostüme machen den Anfang, natürlich raffiniert überstickt mit Arabesken, Ranken und dem Motiv des Löwen, der für Stärke und royale Führung steht. Cape-Ensembles tragen Motive aus der Architektur, wie „Scraffito“, eine Technik, die wie mit schwarzer Kohle gemalt zu sein scheint und gerne für Trompe-l’œil Effekte genommen wurde und Federstickereien, die die Muschelmosaike von römischen und florentinischen Brunnen aufnehmen. Dazu durchgehend durch die gesamte Kollektion, alles was für die Wunderkammern des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts typisch war: exotische Nashorn-Stiche, Korallen, Muscheln, Insekten und Schlangen. Dazwischen schlichte und raffinierte Cocktail- und Abendkleider in schwerem Taroni Duchesse in „Tête-de-nègre“, einem Braunton, der nur in der Couture verwandt wird und Rot, das den Roben der Kardinäle entsprungen zu sein scheint.
HC AI1314_24HC AI1314_38
Bilder: Valentino

Alles ist so extra und so sophisticated, wie es sich nur noch sehr selten ein Modehaus gestattet. Dazwischen typische Motive, die immer wieder in der Couture als Glücksbringer vorkommen, wie die Weizenähren – Chanel und Saint Laurent liebten sie übrigens auch. Der Abendmantel in schwerem Seidenmoire mit der Insektenstickerei wirkt wie einer Königin von heute würdig und könnte direkt vom Laufsteg in die Kostümsammlung des Fashion Institute of Technologie oder des Metropolitan Museums wandern.
Die beiden Valentino Designer schaffen im wahrsten Sinne des Wortes „Traumroben“, die aber sicherlich ihre Kundinnen im Handumdrehen finden werden, da man ihnen ansieht, wie viel Arbeit, Mühe und Raffinesse in ihnen stecken. Teilweise wirken die Ensembles fast religiös – aber auf eine moderne und sehr heutige Weise.
HC AI1314_55HC AI1314_56
Bilder: Valentino

Bei den großen Abendroben, für die schon Namensgeber Valentino weltberühmt war, hat man das Gefühl, dass der Prachtrausch unendlich wird, ohne jemals laut oder schreiend zu werden. Guipure-Spitze oder Dentelle de Calais, teilweise überstickt oder in golddurchwirkten Ausführungen, wird mit Samt kombiniert. Brokat Ensembles wechseln sich mit Crêpe-Kleidern mit Spitzen-Inkrustationen ab.

Die Valentino Alta Moda Winter Kollektion 2013 ist eine Kollektion, die zum Träumen verführt und handwerklich von unglaublichem Aufwand ist. Sie steht nicht nur in bester Tradition des Hauses Valentino, sondern zeigt auch, dass man nicht nur dessen Handschrift weiter führt, sondern eine eigene entwickelt.
val
Maria Grazia Chiuri und Pierpaolo Piccioli; Bild: via style.com

Chiuri und Piccioli wirken wie ganz normale und sympathische italienische Mittvierziger. Wenn die beiden Designer nach dem Defilee herauskommen oder man sie in der Öffentlichkeit erlebt, wirken sie fast immer ein bisschen so, als wenn es ihnen unheimlich ist, dass sie so unglaublich schöne Kollektionen machen. Aber vielleicht ist es dieses Understatement, was sie in diesem Fall die Königsklasse der Haute Couture schaffen lässt.
In diesem Fall ist es wirkliche „Alta Moda“, denn sie unterscheidet sich sehr von den französischen Kollektionen, obwohl sie in Paris gezeigt wurde. Denn eines ist klar, und das war auch schon immer bei Valentino Garavani so, Maria Grazia Chiuri und Pierpaolo Piccioli sind echte Italiener und ihre Kollektion ist ein ungeheuer luxuriöses italienisches Märchen – eben eine Wunderkammer. Chapeau!

  • Siegmar
    10. Juli 2013 at 12:01

    wunderbarer Artikel über eine traumhafte Valentino-Kollektion.

  • Horst
    10. Juli 2013 at 14:50

    Das ist natürlich die totale Königsklasse… Well done, Maria Grazia Chiuri, Pierpaolo Piccioli und Peter 😀

  • Markus Brunner
    10. Juli 2013 at 15:18

    ganz großes kino, fantastische sympathische designer, einer der schönsten couture kollektionen, atemberaubend

  • Daisydora
    10. Juli 2013 at 17:35

    Sehr, sehr beeindruckend und wieder ein so Peter Bericht, nach dem man sofort au8ch zu den Couture-Kundinnen gehören will 🙂

  • monsieur_didier
    11. Juli 2013 at 11:29

    …ein wunderbarer Bericht, lieber Peter…

    mir gefällt besonders, dass die Linie weiterentwickelt wird…
    ich finde sie zeitgemäß und modern mit einem klassischen, „typisch Valentino“-Touch…
    gefällt mir sehr…!