Allgemein

Flügelschläge der Libellen – CHANEL Haute Couture Frühjahr Sommer 2011

Karl Lagerfeld ist als Norddeutscher präzise wie ein Uhrwerk und man hätte wetten können, dass auf den byzantinischen Feldzug der Paris–Byzance-Kollektion eher der Hauch von Schlichtheit und Reduziertheit die neue Haute Couture Kollektion prägen würde. Bingo – Karl hält was er verspricht: Schon die Einladung in silberfarbenen Karton zeigt mal wieder etwas aus der Historie von Chanel: Das hölzerne vergoldete Tor von Christian Bellos zierte einst den Haute Couture Salon in der Rue Cambon und bildete die Trennwand zwischen der Umkleidekabine der Mannequins und dem Couture-Salon im ersten Stock, den man über die berühmte Spiegeltreppe erreicht.
Nachdem die letzten Schauen eher großangelegt im Grand Palais inszeniert waren (ich erinnere an den meterhohen Löwen mit der Perle, die große Chaneljacke oder das Karussell), wurde die neue Haute Couture Kollektion für das Frühjahr im Pavillon Capucine Cambon gleich neben Chanels Stammsitz präsentiert. Eher eine angenehme, intime Präsentation in schlichtem Dekor nur durch Chanels Bellos-Tor akzentuiert.

Die Haute Couture Klienten bildeten neben den Damen und Herren der Presse eher den Löwenanteil der Zuschauer, da die Haute Couture ja eine echte Verkaufskollektion ist, die in den letzten Jahren ihren Umsatz fast verdoppelt hat und deren Altersdurchschnitt durch die neuen Märkte wie Naher Osten und China deutlich nach unten gerutscht ist. Libanesische Schönheiten oder arabische Petrodollar-Prinzessinnen kaufen schon manchmal zusätzlich zu den Unmengen Kleidern und Accessoires aus den Boutique-Kollektionen gerne noch sieben-acht Outfits aus den jeweiligen Couture Kollektionen und das bei Preisen die auch gern mal die 100.000 Euro übersteigen – vor allem wenn es aufwendig bestickt ist.

Man könnte meinen, dass in diesem Frühjahr die Maxime ist: unaufwendig ausschauend und den Teufel in die Raffinesse legen. So kombiniert Karl Jeans mit kleinen Knöpfchen an der Seite mit trapezförmigen Oberteilen, die Insekten- oder Libellenflügel-schlicht wirken, aber auch Lagen von feinsten Chiffon strukturiert durch allerfeinste perlmuttige Lesage-Stickerei, auf den zweiten Blick sich als fragile Kunstwerke erweisen. Überhaupt lässt mich der Gedanke nicht los, als wenn permanent ein Wind durch die Transparenz der Stoffe und der fast aus durchscheinenden Zaubermaterial gemachten Mousseline-Keider, -Röcke und -Tuniken weht. Elfenhaft erscheinen wie von Zauberhand gewebte feinste Materialien.

Perlmuttnuancen von Schneekönigin-Weiß über Chamois bis zu zarten Roseweiß-Tönen beherrschen, gefolgt von zartem Bleu de Ciel die gesamte Kollektion. Ganz wenig schwarz akzentuiert ein wenig als Klassiker des Hauses dem Kammerzofen-Kleid mit weißem Kragen oder Spitzen-Gipsykleid und vereinzelt taucht ein Mango-Ton auf, der an die untergehende Sonne erinnert. Es ist eben ganz sommerlich und die Welt schein ungetrübt von Kälte und Unwettern.
Raffinesse von unbegrenzter Handwerklichkeit, wie es nur die Couture von Chanel leisten kann, deren erfahrene Direktricen Wunder bewerkstelligen, was Nahtführungen und Technik betrifft. So gibt es einen Outfit der von vorn fast schlicht wie ein Sechziger-Jahre-Kleid wirkt und eine an Courreges denkende Kragenlösung präsentiert und die Rückenpartie ist mit Dutzenden von Schmuckknöpfen, die kleine Eulen in perlmuttfarbenen Material bei genauerem hinsehen ergeben. Materialien, die sich nur in hunderstel Nuancen der Farbe unterscheiden, sind geschickt übereinandergelegt und drapiert und so überstickt das nur ein Hauch der sich mischenden Farbtöne hindurchschaut.

Meisterhandwerk, wie es nur noch in der Meisterdisziplin der Mode möglich ist und deren wenige erfahrende Handwerker hoffentlich die Fertigkeiten weitergeben.
Teilweise erinnerte die Silhouette an die zwanziger Jahre, mit tiefsitzender Taille und Echarpen um die Hüften a la Isadora Duncan, teilweise hatte aber die Schnittführung auch Sixties Anklänge mit quergeführten Kappnähten.
Märchenhaft-feenhaft beschreibt den Gesamteindruck der Kollektion am besten.

Insgesamt finde ich die Kollektion für das Klientel sehr tragbar und zauberhaft gemacht. Ganz klar grenzt sich die Couture immer mehr zu den Prêt-à-Porter Kollektionen ab und lädt mich immer wieder zum träumen ein. Wie schön das es Menschen gibt, die dafür das Geld ausgeben können – so kann die Tradition weitergeführt werden und die Welt kann weiter davon träumen, dass die Mode in Üppigkeit schwelgt. Karl Lagerfeld hat eine Kollektion präsentiert, die durchgehend überzeugt und zeigt, dass er für Chanel immer noch Meisterwerke kreiert. Bei allem was er nebenbei macht und manchmal nicht überzeugt – bei Chanel hat er immer recht.

Ich freu’ mich wenn im Frühjahr seine perlmuttfarbenen Libellen durch die leichte Luft schweben.

  • Jan Who
    29. Januar 2011 at 18:49

    Dieses mal fand ich Givenchy wirklich überzeugender. Und ich VERGÖTTERE Karl!

  • Daisydora
    29. Januar 2011 at 19:30

    Ich liebe dieses ganze Seidentüllbrimborium bei Chanel Couture, wenn auch in anderen Farben und Schnitten … zähle aber ohnehin nicht zur Zielgruppe …

    Der Bericht ist großartig, wie immer …. da steckt so viel Neues an Informationen drin, dass selbst so ein alter Hase wie ich ins Schwelgen gerät – Danke, Peter! 🙂

    @Jan

    Man will das ja auch anziehen können … 😉

  • muglerette
    29. Januar 2011 at 23:15

    scheussliche kollektion!!!!!!!hässliche hosen…horror schuhe!!und die mädchen sehen aus wie ihre eigenen omas….die modernste ist kristen!!

  • peter kempe
    31. Januar 2011 at 13:50

    hallo ihr lieben vielen dank für die tollen kommentare ich finde es gut das mode spaltet und interessant edi meinungen auseinander gehen.toll!!!
    ga ws wir bei horstson zeigen es sol zur diskussion anregen und was ich wichtig finde das man sich damit beschäftigt.
    hrss zeig te und günstige sachen was ich wichtig finde ist das man nicht nur danach geht ob einem sachen stehen oder ob man sie sich leistenkann ich kann mir eine million sachen auf der welt nicht leisten sie aber trotzdem schön oder hässlich finden.blöd finde ich wenn man gleich sachen doof findet die man nicht kaufen kann.es geht ja darum sich damit zu beschäftigen und wenn wir teure kollektionen oder sachen zeigen sollen sie zum träumen anregen oder auch zeigen was möglich ist.ausserdem was in diesen kollektionen gezeigt wird wird später tausendfach kopiert und das wäre nicht möglich sich dann zu kaufen wenn die teuren kollektionene s nicht vor machen würden die leute es kaufen und dann die mittel dazu da sind um es günstiger umsetzten zu können.
    schön das ihr alle so verschiedene geschmäcker habt das macht die sache hier für uns so spannend.

  • siegmarberlin
    31. Januar 2011 at 16:31

    wunderbare Kollektion und wie ich mitbekommen habe in der internationalen Presse nur hochgelobt !

  • Horstson » Blog Archiv » Quai des Brumes – Es wird neblig bei Chanel im nächsten Winter
    9. März 2011 at 17:47

    […] wirds bei Chanel ziemlich neblig und streng zur nächsten Saison. Eben noch flatterten Libellen in der Haute Couture Show über den Laufsteg in hunderten fragilen Pastellabstufungen, nun dreht der Meister den […]

  • Horstson » Blog Archiv » Filmfestspiele Cannes – Die goldene Palme für Chanel
    5. Mai 2011 at 11:24

    […] die Paris-Byzance Kollektion präsentiert. Karl Lagerferlds Arts des matières Kollektion (Horstson berichtete) strotzt vor koptischen Kreuzen, goldenen Mosaiken und Lame-Kleidern. Also genau der Look, der das […]

  • Horstson » Blog Archiv » Chanel en Cannes – Festival mit glänzendem Auftritt
    16. Mai 2011 at 18:29

    […] (rechts) – die eines der libellen-artigen, pastelligen Kleider der Aufsehen erregenden, im Januar präsentierten Kollektion anhatte. Der Wettbewerb dauert ja noch ein bisschen und der Chanel-Fundus gibt bestimmt noch einer […]