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Die Akte – Franka Sozzani spricht Klartext

Früher sind Mädchen und Frauen ohne guten Geschmack einfach auf leisen Sohlen schnell an uns vorüber gehuscht, heute dokumentieren Dieselben jeden Fehlgriff mit Bezugsquellenhinweisen in Echtzeit auf dem eigenen Modeblog. Das heißt dann Tagesoutfit oder mein neues Outfit von… (den immer gleichen Bloggerlabels)…
…aber zuerst widmen wir uns der Akte Sozzani: Von allen überflüssigen Diskussionen um die aktuellen Kräfteverhältnisse zwischen Online und Offlinemedien, ist die bei Bloggern sehr beleibte Ansicht, „wir sind die neuen Meinungsmacher und Stilbildner – Print ist Old School, zu langsam und undemokratisch“, die allerfalscheste! Nichts gegen einen gut gemachten Modeblog, aber allzu viele gibt es davon eben nicht. Daisy hatte sich schon darüber gewundert, was all die Leute, die keinen blassen Schimmer von Mode haben und das im besten Falle mit ihrer jugendlichen Begeisterungsfähigkeit und „Haben-will-Attitüde“ zu camouflieren versuchen, in den Frontrows und dahinter zu suchen haben. Ganz besonders dürfte sich dieser Missstand auf den empfindlichen Magen der Vogue Italia Chefin, Franca Sozzani, einer hocheleganten und zu tausend Prozent geschmackssicheren Elfe mit den golden gelockten Haaren der Venus von Botticelli, geschlagen haben. Siegmarbelin, einer unserer treuen Horstsonians, hatte in seinem Kommentar zu meinem Bericht „Die Präsidentinnen“ freundlicherweise die Kernaussage der harten Worte von Signora Sozzani gepostet. Bei refinery29 gibt es den ganzen Text, zusammen mit den Kommentaren der Bloggerin Connie Wang.
Für die unter euch, die das nicht gleich lesen wollen, hier die Essenz ihrer Gedanken und meine dazu:

Die meisten Blogger hätten nichts anzubieten, das von ihnen stammte. Man redete ohnehin am liebsten über sich und seinesgleichen, würde sich in absurden Outfits* fotografieren, so Signora Sozzani. Viele der Blogger seien ohnehin naiv, im Sinne von unwissend. Deren Meinung sei, so sie eine eigene haben, irrelevant. Mit Modejournalismus, da gebe ich ihr recht, hat das rein gar nichts zu tun, was auf den meisten Blogs herumfliegt. Modeblogs sind so eine Art Zweitverwerter der Nachrichten, die schon bei anderen Blogs oder auf Websites berichtet wurden. Daisy hatte das mal die Nabelschau einer sich selbst bestäubenden Branche genannt. Mir ist das auch in der Regel zu selbstreferenziell, was Blogs als News ansehen. Wozu gibt es den Reader von Google. Wenn der journalistische Background, das nötige Wissen zur Mode und das handwerkliche Können fehlen, dann werden das eben nur mit sehr viel Glück Berichte, die zumindest in Spurenelementen Interessantes enthalten. Und interessant ist sicher nicht, was jemand anzieht, der keinen guten Geschmack hat. Diesen großen Nachteil können kleine Hobbyblogs von mir aus mit Charme und jugendlichem Wetteifer egalisieren. Obwohl ich mir ehrlich gesagt Sorgen mache, wenn ich beobachte, wie viele dieser Blogs alleine nach dem Gewinn des LeadAward durch den Marktführer, LesMads, im Frühjahr 2010, gegründet wurden. All die kleinen und größeren Mädchen, die sich nun auch in ihren Klamotten fotografieren und dann brav täglich die Links auf LM und anderen exponierten Modeblogs in sinnlosen Einzeilern hinterlassen, um so mehr Klicks für den eigenen Blog zu bekommen. Soll jeder nach seiner Fasson glücklich werden, ist ja alles legal, aber im Grunde ist es nur Zeitverschwendung, so inhaltsleer für mehr Menschen als die Freundinnen und die Familie zu bloggen. Man möchte meinen, wie Franca Sozzani das so treffend bemerkte, die Modebloggerei nehme die Ausmaße einer Krankheit an, die sich rasend schnell verbreitet. Mir ist nicht bekannt, ob Signora Sozzani das als Metapher auf die gefürchtete Alle-wollen-Modebloggen-Schweinegrippe verwendet hatte. Dagegen gäbe es ohnehin noch keine Impfung. Leider!

Der Punkt ist, man findet die Guten unter den Neuen nicht, weil es viel zu viele sind. Herrlich, dass Franca Sozzani dann auch noch schwadroniert: Alle sind gleich und machen sich ständig Gedanken, was sie anziehen sollen um dann am Ende als eine sich permanent selbst darstellende Masse zu erscheinen. Dem muss man nichts mehr hinzufügen, wenn man weiß, wie wenige Labels es zu Bloggerlabels gebracht haben, und, dass der dann noch freie Raum im Kleiderschrank in aller Regel mit Klamotten aus der Altkleidersammlung gefüllt wird, die man kess Vintage nennt. Wichtig ist, sie müssen richtig schlecht sitzen und sich über sowas wie Proportionen hinwegsetzen.

Daisys Fazit: Es hätte mich schon sehr gewundert, wenn aus dem Mund einer so erfahrenen und begabten Frau etwas Dummes oder Falsches gekommen wäre. Solange sich Steven Meisel und Peter Lindbergh nicht um den Job bewerben, ihre legendären Editorials für LesMads an Stelle der Vogue Italia zu fotografieren, liegen klassische Hochglanzmagazine als die Modemedien schlechthin weiter ganz vorne. Und dieser Tag dürfte, so er denn kommt, lange nach dem Termin des Jüngsten Gerichtes liegen.
Natürlich ist das, auf alle Modeblogs weltweit bezogen, in den klassischen Modefarben Schwarz-Weiss gemalt, was die Chefredakteurin der nach einhelliger Meinung besten Vogue der Welt, da sagt. Der Tenor ihrer Aussagen trifft aber mitten ins Schwarze. Modeblogs müssen besser werden und besser werden sie dadurch, dass sie die inhaltliche, beschreibende und visuelle Qualität – ähnlich der von guten Modemagazinen – beherrschen. Es heißt also lernen, Mädels!
Ich gebe es zu, ich habe vor Vergnügen gequiekt, als ich das mit den absurden Outfits* bei Franca Sozzani las und erinnerte mich daran, dass ich ohnehin schon seit Wochen brisantes und belastendes Material für einen Bericht darüber habe. Der heißt dann: „I’m So In Love With Me – Das neue BloggerInnen-Biedermeier“ und kommt demnächst.

  • blomquist
    6. Februar 2011 at 19:09

    Die von mir sehr geschätzte Frau Sozzani spricht mir aus der Seele.

    Ich durfte ja bereits mehrmals einige der gehypten Blogger/innen auf diversen Veranstaltungen erleben.
    Erschreckend zu sehen das ein bekannter „Star-Blogger“ nicht mal im Stande ist ordentliche Fotos während einer Modenschau zu machen.
    Ich glaube auf etwa jedem fünften Foto war mal ein Anschnitt des Models zu sehen.
    Alle anderen Fotos zeigten den leeren Laufsteg!
    Herrlich!
    : )

  • beautydelicious
    6. Februar 2011 at 19:11

    Danke für den Beitrag. Kann dem nur beipflichten. Aber nicht nur die Mädels müssen noch lernen, sondern auch viele männliche Mode-Blogger.

  • Rene Schaller
    6. Februar 2011 at 19:26

    Liebe Daisy,
    heute sind die neuen Wikio-Zahlen raus. Diese zeigen mal wieder, dass es eben nicht auf Qualität oder einen eigenen Stil ankommt, sondern um Selbstvermarktung geht. Und das haben die jüngeren BloggerInnen einfach drauf. Bevor sie sich um Inhalte kümmern, haben sie alle perfekte Pressemappen.
    Egal wie gut ein Blog ist, Aufmerksamkeit erlangen die die am lautesten schreien. Und wahrscheinlich hat Frau Sozzani (und Kolleginnen) die überhaupt nur wahrgenommen.
    Gruß R.

  • Veyron Graves
    6. Februar 2011 at 20:03

    Seht schöner Kommentar zu F. Sozzanis Artikel. Ihre Ansicht zu den zum Teil wirklich absurden Outfits teile ich vollkommen. Das dies der eigene Stil der jeweiligen Person sein soll, kann ich bei Outfits die in mir automatisch die Asdoziation „Zirkus“ hervorrufen, nicht glauben. Hier geht es den entsprechenden Personen wohl eher um Effekthascherei. Dennoch bin ich der Ansicht, dass Modeblogs ihre Berechtigung haben, und sei es nur um sich inspirieren zu lassen oder eine zweite und dritte Meinung zu einem Bestimmten Kleidungsstück einzuholen. Allerdings laufen auch Modeblogs Gefahr, sich, so wie es heute den Hochglanzmagazinen geschieht, vorwerfen lassen zu müssen einen bestimmten Stil, ein Label, ein eindimensionales Frauen-/Männerbild in der Mode zu propagieren.

  • Daisydora
    6. Februar 2011 at 20:05

    @blomquist

    Ach ja, du hast es gut, du bist ja vom Fach und triffst die Leute, von denen ich nur fantasieren kann ja auf freier Wildbahn… du merkst. ich bin ein wenig neidisch auf dich 🙂

    @beautydelicious

    Da hast du sicher recht; nur gibt es, so zumindest mein oberflächlicher Eindruck, nicht solche Riesenschwärme von männlichen Modebloggern …. danke für dein Feedback! 🙂

    @René Schaller

    Zuerst mal danke für den Tipp – es ist wirklich schlimm mit mir, ich bekomme sowas sonst nicht mit. Sicher läuft das GEschäft mit der Selbstvermarktung so, wie du das kurz beschreibst. Ich war gerade kurz drin und habe gesehen, dass z.B. Emily van der Hell auf Position 6 ist.Die ist mir bisher ehrlich gesagt nur mit ihren völlig dinnfreien Einzeilern aufgefallen, die sie mit doppeltem Link in Kommentaren auf LesMads hinterlässt ….

    Für Horst und seine Schreiber ist so wie wahrscheinlich auch für dich nur relevant, wie zufrieden die Blogleser sind und wie gerne wir schreiben. Mir ist bis heute nich klar, wie Wikio sich dieses Ranking errechnet, aber ich glaube auch nicht dran, dass es nur diese eine Möglichkeit gibt, einen Blog lesenswert und von der Verbreitung her erfolgreich zu machen. Guck dir mal Dandy Diary an, der ist Fräulein Weiss doch in letzter Zeit sonstwo hineingekrochen, kam wiederholte Male im Blogwatch vor und hat anscheinend (laut Wikio)nicht davon profitiert. Du weisst es, es gibt nur einen Weg zu bloggen, was Gutes für die Leser zu machen, auch wenn es dann manchmal mühsamer ist und länger braucht, bekannter zu werden.

    Und zum Glück haben wir ja nicht auch noch das Pech, uns dann auch so wie die Mädels anziehen und auch noch fotografieren zu müssen….

    Grüße, Daisy

  • Daisydora
    6. Februar 2011 at 23:27

    @Veyron Graves

    Vielen Dank für dein wolwollendes Urteil zu meinem Bericht.

    Bestimmt gibt es BloggerInnen, die mit ihren Zirkusoutfits das Kalkül verfolgen, durch Effekthascherei mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Für den größeren Rest ist das aber eher so, dass man sich und seinesgleichen als Maß aller Dinge ansieht und das bei nachweislich schlechtem Geschmack.

    Aber sicher soll das nicht zu einer reinen Schwarz-Weiss-Malerei führen. Es gibt Modeblogs, die ich gut finde und auf deren Outfitbilder ich fliege….. Und ich lese auch gerne in wenige Blogs rein, weil da immer was steht oder vorgestellt wird, das mich interessiert …

    Was nun die Käuflichkeit anbelangt, da finde ich Modeblogs um Längen schlimmer als die Printkollegen …. ich habe mir das mal reingezogen, was Glam da an Werbeformen implementieren kann und das auch tut, und da flog mir buchstäblich der Hut weg … Meiner Ansicht nach sollte auf Blogs schon wegen der teilweise sehr jugendlichen Leser nur echte Werbung in Form von Bannern, etc. stattfinden. Diese systematische Gehirnwäsche im redaktionellen Teil, die sich dann Advertorial nennt, geht ja wohl auf keine Kuhhaut … aber das sprichst du ohnehin schon ganz richtig in deinem letzten Absatz an…. Dankeschön!

    @Rob

    GEnau das ist die schwierige Situation für Medialeute, Werber und andere Entscheider … man bringt der Branche und ihren Exponenten momentan sehr viel Vetrauen entgegen beziehungsweise werden Vorschusslorbeeren verteilt und man will auch schon mal den Fuß in der Tür haben….. und am Ende kommt das, dass in deinem letzten Satz steht. Sehr gut Rob, danke!

    🙂

  • Peaches
    7. Februar 2011 at 00:27

    schöner artikel und schöne kleine diskussion.
    ich schließe mich dem gesagten an und möchte zu rob’s kommentar noch hinzufügen: am ende werden sich die guten (hochwertigen) blogger durchsetzten. spätestens dann, wenn wieder alle zu verstand kommen.

    😉

  • Daisydora
    7. Februar 2011 at 11:43

    @Peaches

    Dankeschööööön!

    Es gibt unter den Horstsonians also auch jung und schlau 🙂

  • siegmarberlin
    7. Februar 2011 at 12:34

    @ daisydora
    Fr. Sozzani hat ausgesprochen, was sicherlich viele denken. Es kann nicht sein, das ein Brianboy während einer haute couture show neben einer Anna Wintour sitzt. Ich finde diese Aussage über die “ obskursen Outfits “ auf den Punkt gebracht. Mit “ dandy diary “ trifft du es auf dem Punkt, völlig aufgeblasener Typ, nach dem er Lesmads für sein, von kaum niemanden gesehenen “ Berlin Fashion TV “ vor der Kamera hatte wird gegenseitig gelubhudelt.Bei ihm trifft es auch auf dem Punkt, nur weil ich mich obskurs und aus dem Altkleidercontainer anziehe, bin ich nicht der tolle Blogger und wer tatsächlich wie er, weil er keine t-shirts mit V-Ausschnitt mag sich wortwörtlich auf dies t-shirt schei… lässt ( siehe sein blog Juli 2009 ) ist für mich nur bescheuert. Es kann auch nicht sein, das ein Bloger, der bekennender H&M- u. Primark-Käufer ist, sich ammaßt über die Qualität von YSL herzuziehen.
    Blogs sollten inspirieren, informieren und nicht nur noch ein Werbebanner sein

  • Daisydora
    7. Februar 2011 at 13:38

    @siegmarberlin

    Wir sind uns da einig, wobei Bryan Boy es wahrscheinlich mit seiner Begeisterungsfähigkeit und dem eher netten Umgang mit den Lesern so weit gebracht hat … Wirklich Essentielles kommt aber immer noch von den Fachleuten.

    Lustig, dass du das auch alles verfolgt hast bei Dandy Diary … daran sieht man mal wieder, dass der Blogleser nich per se denkfaul ist 😉 du schildest alles so, dass ich mich dem nur anschließen kann … schön war auch die Aktion mit dem Kleinwüchsigen, der in einem Filmchen wegen seiner Jeansjacke mit dem Baseballschläger drangsaliert wurde ….dazu hat dann das Lachsbrötchen auch noch kommentiert, wie großartig sie David findet. Ich fürchte, die halten das für Kunst 🙂

  • siegmarberlin
    7. Februar 2011 at 13:43

    @ daisydora

    leider wird es sicherlich als Kunst deklariert

  • peter kempe
    7. Februar 2011 at 15:24

    @daisy
    sieben zu null für dich tante daisy der artikel spricht mir aus der seele!!!
    und frau sozzani ist für mich eh so eine der bastionen die hoffentlich nicht dem mode kartell zum opfer fallen wie madame roitfeld!!

  • Daisydora
    7. Februar 2011 at 15:45

    @siegamerberlin 🙂

    @Peter

    Dankeschön, musste über deine Tante Daisy natürlich sehr lachen 🙂

  • Katrin
    24. Juni 2011 at 10:34

    Franca Sozzanis Worte sind zwar hart, aber sie hat recht. Es gibt schlecht gemachte Modeblogs der Selbstbeschau, die niemanden interessieren. Es gibt aber auch gut gemachte, die auf Inhalte, gute Schreibe und qualitytive Bildsprache setzen und die es schaffen, mit der Print-Konkurrenz mitzuhalten!