Der Glanz von Byzanz – Oder Chanel im Orient-Rausch

Jedes Jahr gibt es kurz vor Weihnachten eine Überraschung bei Chanel. Eine Kollektion, die auf den handwerklichen Raffinessen der Ateliers von Chanel beruht und deren angeschlossenen Handwerkerateliers: Massaro für die Schuhe, Robert Goosens für den Glasfluss-Schmuck, Lemarie für Federn und Blumen, Lesage für prachtvolle Stickereien!! Und es wird eine Stadt oder eine Kultur gewürdigt, die in fernen Ländern liegt, aber ganz eng was mit Chanel zu tun hat. Nach Chanel-Moskau, Shanghai, Monte Carlo etc. geht Karl Lagerfeld nun in das Sagen umwobene Byzanz dem heutigen Istanbul.
Warum Byzanz? Weil es Coco Chanel nachhaltig beeinflusst hat und das kam so:

Chanel lehrte es ja den Frauen, echten Schmuck und üppigen Modeschmuck zu mischen. Ihr Freund Fulco Duce di Verdura, der in den dreißiger Jahren mit ihr Schmuck entwarf, zeigte ihr die Werke des Mittelalters und der Welt des alten Byzanz. Dieses beeindruckte Mademoiselle so sehr, dass sie ihre Inspirationen daraus zog: Die berühmte Kunigunden Krone aus mattem Gold und vielfarbige Edelsteinen brachten die Beiden auf die legendären Malteser-Kreuz Armreifen, die noch heute in vielen Chanel Kollektionen wieder erscheinen. Farbsteinen und Glasflusssteine mit Gold und Perlen wurden zum Markenzeichen der Chanel-Juwelen und zählen zu den Meisterwerken die in jeder Kollektion vertreten sind und „Vintage“ unglaubliche Preise erzielen.

Die gestern gezeigte Kollektion lässt die Weiblichkeit und die Pracht der reichen Stadt, die einst eines der Weltzentren der Macht war, erst oströmische Hauptstadt und dann Mittelpunkt des osmanischen Reichs, glanzvoll wieder auferstehen.
Weiblich und voller Raffinesse spielt Lagerfeld mit den Isnik-Kacheln der Hagia Sophia und der blauen Moschee in opulenten Stickereien. Klassischer Chanel-Tweed in bezaubernder Silhouette wechselt sich mit von der Königin Theodora inspiriertem klotzigen Goldschmuck in einen beeindruckenden Kontrast. Die Farben schillern wie die Glasfenster des Topkapi-Palastes. Die moderne Frau wird bezaubert von drapiertem Goldlamee der fast an die Kleider der Harems-Damen erinnert. Höhepunkt ist ein Goldgazar-Mantel, der an das Gewand zur Krönung einer Potentatin erinnert.

Trotz der historischen Anklänge und Inspirationen ist die Kollektion sexy, modern und total für die Chanel-Frau von heute gemacht.
Die Wertigkeit und die Raffinesse des Handwerks sind in jedem Stück spürbar und ähnlich wie bei der Shanghei Kollektion im letzten Jahr teilweise auf die Spitze getrieben. Die Kollektion erreicht fast Haute Couture Niveau.

Karl überbietet sich bei den Motto Kollektionen immer an Ideen und man hat fast den Eindruck, dass es die Kollektionen von der Kreativität sind, die ihm am meisten Spaß machen.

Für mich ist es einer der stärksten Kollektionen von Chanel der letzten Jahre – sie ist sehr Mademoiselle und sehr heute. Ein Prachtrausch, der einen sofort den Wunsch verspüren lässt, sich die wunderbaren Paläste und Moscheen in Istanbul zu besichtigen, eine Reise dorthin zu machen und der einen träumen lässt, wenigstens ein Stück aus dieser Kollektion zu besitzen.

Karl Lagerfeld hat sich in dieser Kollektion selbst übertroffen und seine Handwerker auch – eine wunderschöne Hommage an die Achse Paris – Byzanz oder Karls Orient Express de luxe.