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Wie Cocos Brosche zu mir kam – oder zittern für eine Reliquie

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Seit genau 30 Jahren ist Coco Chanel mein großes Idol und Anfang April 1981 begann meine Chanel-Infizierung durch einen Besuch in der Rue Cambon in Paris. Seit dem, würde ich mal sagen, bin ich das, was man oberflächlich einen „großen Fan“ bezeichnen würde, man könnte es aber auch „die große Liebe meines Lebens“ nennen.
Immer noch bin ich jede Saison aufgeregt, was in den Kollektionen zu erwarten ist und kann es kaum aushalten, die neuen Sachen zu sehen. Meine Sammelleidenschaft beschränkt sich aber aus Budget- und aus Platzgründen auf Accessoires – genauer gesagt auf die sagenumwobenen Broschen aus den Kollektionen für die Mademoiselle so berühmt war und die ihr legitimer Erbe Karl Lagerfeld weiter fortgesetzt und zur Meisterschaft gebracht hat.

Heute kann man ja in den Chanel-Boutiquen einzelne Accessoires kaufen, die zu den Prêt-à-porter -Kollektionen gehören. Früher, also vor 1978, waren die Schmuckstücke nur in der Rue Cambon erhältlich und wurden im Zusammenhang verkauft, wenn eine Kundin sich ein Kostüm oder Kleid anfertigen ließ. Die Accessoires waren genau auf das jeweilige Modell abgestimmt.
Stücke, die aus der Zeit vor dem Tod von Coco Chanel noch existieren, werden zu Höchstpreisen gehandelt und sind nur in wenigen Galerien oder bei professionellen Vintage-Händlern wie Didier Ludot in Paris erhältlich oder gehen in Auktionen wie dem Londoner Spezial-Auktionshaus Kerry Taylor zu astronomischen Preisen an Sammler und Liebhaber.
Auch das Haus Chanel kauft für seine Chanel-Archive weltweit Dinge, die sie nicht mehr haben oder als Inspiration für neue Kollektionen brauchen. Also summa summarum für Fans wie mich unerschwinglich und kaum zu bekommen.
Als besondere Rarität entpuppen sich Schmuckstücke, die vor dem Zweiten Weltkrieg gemacht wurden. Chanel hatte ihr Haus mit Ausbruch des Krieges geschlossen und ihre Näherinnen entlassen, war in die Schweiz gegangen und hatte erst 1954 ihr Comeback, als sie beschloss, ihr Haus wieder zu eröffnen.
Vor ein paar Wochen kam dann das Schlüsselerlebnis eines Sammlers: Ich browste bei eBay in Amerika, wo ein paar Schmuckstücke aus den Prêt-à-porter Kollektionen der achtziger und neunziger Jahre angeboten wurden. Nichts Dolles – aber für saftige Preise, die es nicht lohnte dafür auszugeben. Als letztes Angebot war eine unscheinbare Artikel-Anzeige, in der von einem Vintage Chanel-Pin die Rede war, ein kleines Bild angehängt. Jeder hätte gedacht – naja, nen Fake. Zumal die Signatur total untypisch schien und das Teil auch nicht dem klassischen Chanel-Schmuck entsprach. Kein Malteserkreuz, keine Perlen. Ein simpler Emaille-Pin mit etwas Strass, der einen Mexikaner, der in einer Palme sitzt, darstellte.

Mich durchfuhr es wie ein Blitz – Das Teil hatte ich irgendwo auf der Welt schon einmal gesehen, die Auktion dauerte noch vier Tage – ein Gebot: 11 Dollar.

Nach Hause gekommen ging die Brosche mir nicht aus dem Kopf und ich recherchierte in dem Buch „The Chanel Jewellery“ – dem Standardwerk von Patrick Mauries über Chanel und siehe da – genau diese Brosche hatte eine Geschichte: Coco Chanel hatte sie 1938 herausgebracht und Diana Vreeland geschenkt.
Aber wie war Mademoiselle auf dieses ungewöhnliche, fast surrealistische Motiv gekommen??
Ganz einfach aus Konkurrenzdruck. Ende der dreißiger Jahre war Chanel auf ihrem Höhepunkt und die berühmteste Modeschöpferin der Welt. Aber die Zeiten waren unsicher: Die Weltwirtschaftskrise gerade vorbei, in Amerika und in Frankreich tobten die großen Generalstreiks – auch das Haus Chanel wurde bestreikt und 1937 wäre es beinahe dazu gekommen, dass Chanel keine Winterkollektion herausgebracht hätte, weil ihr Personal komplett in den Ausstand getreten war. Zähneknirschend hatte sie eingelenkt, denn ihre Kunden wanderten teilweise zu ihrer größten Konkurrentin ab: Elsa Schiaparelli  – Von ihr „Die Italienerin“ genannt, hatte sie nicht nur einen Teil von Chanels Klienten abgenommen, sondern auch Salvador Dali und Jean Cocteau als Partner für die Gestaltung von Accessoires gewonnen. Sie machte plakativere und fast surrealistische Mode und jede ihrer Kollektionen stand unter einem Motto: Sternzeichen, Astrologie, Zukunft und im Sommer 1938 eine umwerfende Zirkus-Kollektion. Dudelsäcke als Knöpfe, Roller-Blades als Manschettenknöpfe, Clownbroschen und Trapezkünstler sowie eine ganze Zirkusparade als Collier. Das Modevolk war begeistert und Chanel musste zurückschießen.

In der Winterkollektion 1938 mussten die Schmuckhersteller, die Chanel belieferten, alle Register ziehen: Trafalgar Square Straßenschilder mit Laternen, Musikinstrumente und Zigeunerwagen und eben der Mexikaner, der in der Palme sitzt. Die Kollektion wurde eine der größten Erfolge von Chanel vor dem größten Krieg, den die Menschheit je gesehen hat. 3.500 Angestellte zählte Mademoiselle zu der Zeit. Chanel war das größte Modehaus der Welt vor 1939.

Meine eBay-Entdeckung war also sozusagen das Produkt eines Modekrieges zwischen Chanel und Schiaparelli und meine Neugier wurde immer größer. Eine Angst hatte ich dann doch: Wenn Vintage-Experten oder reiche amerikanische Sammler das Angebot entdeckt hätten, wäre ich ohne Chance gewesen – aber manchmal hat man ja auch mal Glück im Leben und ich dachte mir, wenn es sein soll, dann kommt es schon zu mir. Außerdem lief die Auktion zu einer Zeit aus, in der wir Mitteleuropäer uns im Tiefschlaf befinden. Ich setzte ein Limit und dachte, dass das eh nicht reichen würde um mein Traumteil von Mademoiselle zu bekommen.
Kein Sammler, kein Amerikaner und auch nicht Chanel entdeckten das Angebot und bling bling – als ich Tage später den Computer angeschaltet habe, kam die Nachricht, dass ich die Auktion gewonnen hatte und so kam Cocos Brosche zu mir – ich werde sie immer in Ehren halten und sie ist eines der Prachtstücke meiner Sammlung.

  • Nicole
    27. Mai 2011 at 11:33

    Sehr schöne Geschichte und ein wenig neidisch bin ich auf die Brosche schon. Trägst Du sie auch oder liegt sie nur im Tresor? 😉

  • peter kempe
    27. Mai 2011 at 11:34

    @nicole
    ich habe keinen tresor geschweige dennw as rein zu legen ich trag die schon lieber wie alle anderen auch

  • Nicole
    27. Mai 2011 at 11:39

    @peter kempe ich hätte immer Angst sie zu verlieren! Wunderschön!

  • Epi
    27. Mai 2011 at 12:49

    Eine Brosche von Coco Chanel aus dem Jahre 1938 – im Grunde nur entstanden, weil sie von Elsa Schiaparellis Erfolg unter Druck gesetzt wurde -, die sie selbst Diana Vreeland geschenkt hat? Mein Gott, welch Kombination… Famos! Herzlichen Glückwunsch!

  • Nike
    27. Mai 2011 at 12:54

    meine güte, ich bin zwar ein wenig neidisch, aber jay! herzlichen glückwunsch, du fuchs, du! ganz großartig, weil eben nicht typisch-chanel-like auf den ersten blick.

  • Wie Cocos Brosche zu mir kam – oder zittern für eine Reliquie | Placedelamode
    27. Mai 2011 at 14:08

    […] Wie Cocos Brosche zu mir kam – oder zittern für eine Reliquie  » http:// horstson.de […]

  • Rob
    27. Mai 2011 at 14:42

    Spannend! Man wundert sich immer was bei Ebay angeboten wird 😀 Glückwunsch!!

  • Daisydora
    27. Mai 2011 at 14:47

    Mir gehen langsam die Glückwünsche aus, Peter, ein tolles Stück und eine famose, sehr schön erzählte Geschichte. Danke 🙂 .. das habe ich Horst gerade am Telefon gesagt,der Cardigan und dein Foulard sind auch toll, die Weste hätte ich auch gerne ….

  • peter kempe
    27. Mai 2011 at 15:47

    @daisydora
    #alles altes zeug die strickjacke ist von a.p.c aber glaube ich fünf jahre alt das tuch von chanel aus der frühjahrskollektion 1989 mit hotel aufklebern hab ich mal meiner mutter entwendet aus ihrem fundus

  • blomquist
    27. Mai 2011 at 17:20

    Die Brosche haut mich komplett um!
    Einfach sensationell.

  • Daisydora
    27. Mai 2011 at 21:27

    @peter kempe

    Umso besser, wenn das Klassiker deines Kleiderschrankes sind, die so gut zur Brosche passen…. die Geschichte ist jedenfalls bezaubernd 🙂

  • Horstson » Blog Archiv » Die Woche auf Horstson
    29. Mai 2011 at 10:10

    […] Coco’s Brosche kam und was ein Mexikaner und Diana Freeland damit zu tun haben, dass lest ihr hier 2) Ein wenig unübersichtlich ist der Sneakermarkt schon. Sneakerpedia hat sich vorgenommen, […]

  • Horstson » Blog Archiv » Daisy auf der Suche nach Peters Cardigan und einer Brosche ….
    31. Mai 2011 at 17:20

    […] Cardigan, das ich in allen Variationen liebe, hatten es mir neben Peters fabelhafter Brosche von Chanel sofort angetan. Das bedeutet zwar leider nicht, dass mir sowas auch so gut stehen könnte, wie […]

  • Horstson » Blog Archiv » Peter’s Cuttings – Die etwas andere Altersversorgung von Chanel
    22. August 2011 at 09:03

    […] Die schönste Brosche aber die in meiner Sammlung kam auf eine ganz besondere Weise zu mir, aber das ist eine längere Geschichte die ihr auch schon auf Horstson lesen konntet: Wie Cocos Brosche zu mir kam… […]

  • Paul
    8. Januar 2012 at 17:39

    WOW!

  • Objekt der Begierde: Louis Vuittons Broschen | Horstson
    13. Dezember 2013 at 14:40

    […] Carven, Lagerfeld und und und hat sich im Laufe der Jahre so allerlei angesammelt, womit sich Cardigans, Smokings, Jeansjacken & Co. aufpimpen lassen. Nur von Louis Vuitton haben wir nichts in […]