Allgemein

Carrie Donovan – Moderedakteurin der Extraklasse


Carrie Donovan; Bild via

Zur Zeit läuft im Palazzo Fortuny in Venedig die äußerst sehenswerte Ausstellung „Diana Vreeland after Diana Vreeland“, in der nicht nur viele Photos aus ihrer Zeit als legendäre Chefredakteurin der Vogue und von Harper’s Bazaar gezeigt werden, sondern auch ihre Konzeptionen der von ihr praktisch erfundenen Modeausstellungen im Metropolitan Museum of Art.
Manchmal sind es ja die kleinen Dinge am Rande, die besonders faszinieren oder Erinnerungen wachrufen und genau das passiert hier auch. So gibt es in der Ausstellung eine Collage aus grauen Notizzetteln, die allesamt mit Schreibmaschine geschrieben sind. Auf ihnen ist ein Verteiler im Kopf des Vogue Briefbogens und die jeweilige „Tageslosung“ von Diana Vreeland für ihre Redakteure und Art-Direktoren enthalten. Mal ist es ein längerer Text aber meistens nur ein messerscharfer Satz und es wird einem klar, dass früher Moderedaktionen wie Staaten regiert wurden und Misses Vreeland heute wahrscheinlich augenblicklich von ihrer Verlagsleitung in eine Anstalt eingewiesen werden würde.

Carrie Donovan; Bild via

Ihre Grundeinstellung war „Mode ist ein Mythos und Vogue ihre Realität“ und ihre Tagesbefehle lauteten zum Beispiel „Let’s promote grey. For everything!“ oder einfach nur das Wort „Knits“, was dann dazu führte, dass eine Ausgabe nur noch italienischen Strick zeigte. Heute alles kaum mehr vorstellbar – sie hätte wahrscheinlich Mitarbeiter der Anzeigenabteilung direkt in die Hölle geschickt, wenn sie ihr aufgetragen hätten ihre Kunden zu promoten.

Das eigentliche besondere an diesen Zetteln aber sind die Namen des Teams an die diese Zettel gingen: es ist wie ein Who is Who von Fashion Legenden wie Grace Mirabella, die göttliche Polly Mellen (die später „Allure“) machte oder Baron de Gunzburg. Aber ein Name fiel mir sofort wieder ein und vor allem die ikonographische Person dazu: Carrie Donovan.

Ich hatte sie Ende der Achtziger Jahre, als sie für die New York Times schrieb, noch oft in Paris gesehen. Man konnte sie auch kaum übersehen: sie trug eine schwarze Brille mit Wagenrad großen Gläsern. Schwarzes Chanel-Kostüm, große Perlen-Kette und die berühmten Chanel-Ohrclips mit den großen Halbperlen. Ihre Ausstrahlung und ihr Urteil waren überschwänglich und völlig schwarz und weiß gefärbt und sie wirkte wie eine Richterin der Mode. Niemand tat so häufig bei Modenschauen den Aufschrei „Fabulous“.
Sie verkörperte perfekt das Bild der überspannten Amerikanerin bzw. New Yorkerin. Geboren wurde sie 1928 und hatte schon mit zehn Jahren der damals berühmten Hollywood Schauspielerin Jane Wyman eine komplett selbstgezeichnete Kollektion geschickt. Später studierte sie an der Parsons School of Design in New York Design und wurde schließlich Fashion Editor. Den Beruf übte sie über dreißig Jahre bei Harper’s Bazzar und Vogue sowie der New York Times aus, hatte eine schnelle Auffassungsgabe und entdeckte fast nebenbei Designer wie Donna Karan oder Perry Ellis.

Bis zu ihrem Tod 2001 schrieb sie tausende Artikel und Kollektions- und Schauen-Rezensionen. Wer sie, selbst als die Schreibmaschine veraltet und der Computer schon erfunden war, beobachtete, war fasziniert davon, dass sie bis zum Schluss alle Artikel mit der Hand schrieb. Carrie Donovan war nicht nur aufgrund ihres Stiles oder ihrer Professionalität eine Ikone, sondern weil Modezeitungen Gesetzesbücher glichen, sofern sie von solchen Frauen gestaltet wurden. Egal ob es Diana Vreeland, Polly Mellen oder Carrie Donovan waren, noch heute sind ihre Hefte, Artikel und Produktionen umwerfend. Der Grund ist: sie waren streng, ausschließlich und weil bei jedem Teil das ins Heft kam gefragt wurde, ob es chic ist und ob es Allüre habe. Und das merkt man jeder Ausgabe an.

Sie war eine umwerfende Persönlichkeit und sitzt bestimmt in der Front Row im Himmel der Mode. Die umwerfende Carrie Donovan. Fabulous!!

  • Betty Boop
    3. August 2012 at 09:53

    Danke für den tollen Artikel! ♥

  • Katja
    3. August 2012 at 10:06

    Danke! Kannte bisher nur Diana Vreeland!

  • Martin
    3. August 2012 at 10:18

    Peter ein wunderbarer Artikel. Ich denke auch das es eine alte Riege der Redakteure gibt. Carrie Donovan führte die Vogue noch wie eine Diktatur. Manchmal hilfreich und prägend für ein Magazin. Viele Köche… 🙂 Gerne würde ich die Ausstellung sehen..leider zu weit weg

    look-scout.blogspot.com/

  • blomquist
    3. August 2012 at 10:21

    ABSOLUT GROSSARTIG!
    Peter you are the BEST!

  • peter
    3. August 2012 at 11:04

    Genau so funktionieren gute modemagazine!!Denn merke:Geschmack ist nicht demokratisch :-)))

  • Siegmar
    3. August 2012 at 11:58

    ein ganz grossartiger Artikel über eine sehr bemerkenswere Frau, leider sind die meisten Modemagazine sehr langweilig geworden, od. mit Fotostrecken wo ich mich frage, was ist da eigentlich überhaupt noch erkennbar.

  • Renate
    3. August 2012 at 18:30

    Absolut traumhafter Bericht Peter!

  • Horstson » Blog Archiv » Die Woche auf Horstson
    5. August 2012 at 10:31

    […] was muss ich zahlen damit ihr die Fotos vernichtet? Hier der Wochenrückblick: 1) Über die grandiose Moderedakteurin Carrie Donovan berichtete Peter am Freitag. 2) In Peter’s Cuttings am Montag ging es zurück ins Jahr […]

  • Horstson » Blog Archiv » Peter’s Cuttings – Model-Ikone Pat Cleveland
    27. Mai 2013 at 10:10

    […] Freundin auf dem Weg zur Schule in New York in der Subway fuhr, fiel sie sofort Carrie Donovan (wir berichteten schon über sie) auf, die Fashion Editor bei Vogue war. Donovan war so angetan, dass sie die Mädchen verfolgte […]