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Als Hamburg chanelisiert wurde

Eins geb‘ ich ja unumwunden zu: Ich liebe meine Stadt Hamburg. Auch wenn mein Herz in Paris deutlich an Schlägen zunimmt und Berlin diesen unwiderstehlichen, aufregenden Charme hat, eine echte Großstadt ist – bleibt meine Heimat Hamburg, diese ungeheuer komfortable und langsame Stadt. Ähnlich wie Genf strahlt Hamburg Ruhe, Kraft, Fundiertheit und eine Gewisse Würde aus, die mir als etwas altertümlicher Mensch sehr entgegenkommt. Außerdem kann man ja im Zeitalter von Mobilität überall hinfahren und dann macht das Entdecken und wieder Heimkommen ja doppelt Spaß.
Eines meine Lieblings Objekte in meiner Modesammlung hat mit zwei Sachen zu tun, die ich sehr liebe, nämlich mit dem Modehaus Chanel und Hamburg. Es ist der Chanel Herbst Winter 1989 Katalog den Karl Lagerfeld – damals erst seit einem Jahr auch der Photograph des Hauses Chanel – mit Ines de la Fressange in Hamburg und Umgebung aufgenommen hat.

Bei Chanel ändert sich ja gerne die Thematik der Kollektion von der Vorführung bis zur Kampagne, weil Herr Lagerfeld die sich ändernde Zeit berücksichtigt und dem ganzen gern ein neues Gewand gibt. Im letzten Jahr wurde die Kollektion in dampfenden Kohlehalden präsentiert, zur Kampagne transformierte er dann als Cocomation das Ganze in die Welt von Passbilder-Automaten. Die Sommer Kollektion 2010 wurde in einer Hameau-ähnlichen Umgebung, wie zur Zeit Marie Antoinettes präsentiert und der Katalog, schwupp, gestylt auf Argentinien und Gaucho-Optik.
Was Neues aus dem Vorhandenen machen, damit es nicht langweilt, weil es ja sonst der Vergangenheit angehört, lebenslange Devise von Herrn Lagerfeld.

Im Sommer 1989 nahm die Entourage um Karl und Ines de la Fressange Quartier im Hotel „Vier Jahreszeiten“ und schlug dort ihre Zelte für die Produktion des Kataloges auf. Die Kollektion, die eigentlich stark von den „Antigone-Kostümen“, die Chanel in den Zwanzigerjahren gemacht hatte, inspiriert worden war, wurde kurzerhand in eine Hanseatische Senatoren-Kollektion verwandelt.
Die Locations reichten vom Paternoster-Fahrstuhl im Slomanhaus, den Gemälden im Kaisersaal des Rathauses, der Terrasse des Hotels Jacob an der Elbchaussee bis zu den Hafenfähren und der Speicherstadt mit ihrem unendlichen Backsteinmeer.

An einem der Tage fuhr man hinaus nach Schleswig Holstein, um auf dem damaligen Besitz des Verlegers Axel Springer, dem Gut Schierensee, das eines der perfektesten norddeutschen Barock Interieurs hat, zu shooten. Vor den Familien-Porträts Caspar von Salderns und der bedeutendsten aller Fayence-Sammlungen, wurden die Abendkostüme und Kleider in den Kasten gebracht.
Zwischen den Shootings wurden Requisiten besorgt, wie die Elbsegler und Prinz Heinrich Mützen, die die Hamburger Jungs, die als Statisten dienten, trugen. Ines nahm sich diverse mit nach Haus nach Paris als Souvenir. Traditions-Mützenmacher Eisenberg hatte sich sicherlich sehr gewundert, als die bunte Pariser Gesellschaft seinen Laden überfiel und die ehrwürdigen Regale durcheinander brachte …
Damals gab es noch nicht in jeder größeren Stadt eine Chanel Boutique, sondern die Kollektionen wurden in kleinen aber feinen Multibrand-Boutiquen verkauft. Anett Glasmacher hatte es in Düsseldorf, Beate Mössinger in Stuttgart und in Hamburg seit einem Jahr Susanne Otto in der Milchstraße in Pöseldorf. Die Unternehmerinnen konnten sich vor Ansturm gar nicht retten und wenn die Ware in die Läden kam, riefen sie die Stammkundinnen an und verteilten nur noch nach Wartelisten. Abbildungen waren höchstens in Vogue oder Elle zu sehen und wenn die Originale ausgeliefert wurden, war man ganz fiebrig sie live zu sehen.

Im Herbst 1989, dem für Deutschland ohnehin schicksalsträchtigen Jahr, ging ein Katalog von Chanel um die Welt und gleichzeitig lernten die Menschen in aller Welt Hamburg kennen, weil der Katalog ja rund um die Welt auslag. So wurde Hamburg ganz kurz chanelisiert und Chanel zum Darsteller auf der Bühne meiner Heimatstadt.

Manchmal, wenn ich durch die Speicherstadt geh, denk ich, wenn ich um die Ecke biege beim sogenannten Speicherstadt Rathaus, na vielleicht lugt Ines im roten Kostüm hervor …

Bilder: Lagerfeld für Chanel; Scans

  • siegmarberlin
    14. März 2012 at 16:49

    da merkt man das Du wirklich Chanel u. Hamburg Liebhaber bist. Schöner Artikel, die Bilder gefallen mir sehr, besonders die in der Speicherstadt, die ja mittlerweile sehr angesagt ist. Ich habe malfür die Fa.
    “ Bethge Hamburg“ gearbeitet und war sehr viel dort, Nach Berlin wäre Hamburg meine nächste Wahl.

  • peter
    14. März 2012 at 17:37

    @siegmarberlin
    du bsit jederzeit zu einem spaziergang durch die speicherstadt eingeladen:-)))

  • Daisydora
    14. März 2012 at 18:48

    Sehr interessant, auch an diesen Bildern festmachen zu können, wie sehr Lagerfeld die Marke diversifiziert und verjüngt und aus dieser Chanel-Bouclé-Kostüm-Ecke rausgeholt hat … das ist für mich das tollste an Karl Lagerfeld, dass er nur vorwärtsgewandt agiert …

  • Blomquist
    14. März 2012 at 20:48

    Ich bin ganz hin und weg und habe wieder was neues gelernt!
    LOVE!

  • muglerette
    14. März 2012 at 20:49

    fast so schön wie shalom ,kristen und claudia in den dünen von sylt

  • FRED*
    14. März 2012 at 22:40

    ich hasse lagerfeld. er ist die pest unserer zeit. lagefeld und
    gerhard richter. das übel der welt.

    ABER: toller artikel, schön geschrieben. vor allem auch, wie
    man neugierig war, die stücke „live“ zu sehen. das war eine
    andere zeit. voller spannung und vorfreude. es war eine schöne
    zeit. die wenigen bilder, die es gab, wurden durch bilder im kopf ergänzt und bleiben bis heute lebendig.

    mir ging es so, mit dem video „vote“ von madonna aus der
    gleichen zeit, das ich lange jahre nur aus erzählungen kannte.
    die waren aber so farbig, dass ich, als ich das video fast 20 jahre später in echt sah, dachte, ich hätte es schon immer gekannt.

    vielleicht solltest du mal was über beate mössinger machen,
    eine tolle frau!

    FRED*

  • siegmarberlin
    15. März 2012 at 12:34

    @ Fred*

    also mein Lieber, nicht so aufgeregt, hassen ist so ein hartes Wort, kann man nicht nur das hassen was man mal geliebt hat?

    Gerhard Richter ist in seinen Arbeiten schon beeindruckend

  • FRED*
    15. März 2012 at 20:46

    lieber siegmar,

    ja, das stimmt, es war die gleiche jugendliche liebe (lagerfeld),
    wie man in einer bestimmten zeit auch dali liebt. aber dann
    kommen andere zeiten und der blick schärft sich, dann fällt
    herr lagerfeld nach hinten unten und eben auch dali.
    und irgendwann beginnt der hass, weil man ihm nicht mehr
    entkommt und er immer und überall ist. wie eben auch
    herr richter. er hat sicher gute bilder gemacht, aber er ist
    vollkommen überschätzt und ich finde, im grunde ist er ein
    dekorationsmaler geblieben, was er auch gelernt hat (was ja
    auch nicht schlimm ist).

    wie dem auch sei, ich hätte die gerne während deiner BW
    zeit in franken getroffen.

    FRED*

  • siegmarberlin
    16. März 2012 at 15:59

    @ Fred*

    mein lieber Fred,
    bei Dali gege ich Dir absolut recht, geht mir genauso. Richter hat schon grossartige Arbeiten, gerade die abstrakteren gefallen mir, aber schlecht ist der Ansatz mit Dekorationsmaler nicht, er selbst sagte ja, wie sein Kerzenbild für über 15.Mio€ verkauft wurde, das dies völlig absurd sei und ihm übrhaupt nicht begreiflich.

    Dich in Hammelburg zu treffen, wäre sicherlich super gewesen, es was so trostlos u. langweilig dort und so viele unatraktive Menschen in camouflage. 🙂

  • Monsieur_Didier
    16. März 2012 at 16:06

    @ Fred: …der Vergleich mit DALI ist total klasse…
    das trifft es auf den Punkt…!