Schreibgeräte

Zu Besuch bei … Montblanc

Montblanc Werbung, 1927; Bild: Montblanc

Die ganze Geschichte – Wie wird eigentlich ein Füller hergestellt? Noch letzte Woche stand ich vor den aufwändig dekorierten Schaufenstern der Hamburger Montblanc Boutique und erlebe so etwas wie einen Aha-Effekt. Nennen wir es eher einen verpassten Aha-Effekt, den Grundschulkinder vermutlich schon bei der Sendung mit der Maus unter „Habe ich verstanden“ abgehakt haben. Ich gebe unumwunden zu, dass mein Häkchen bislang noch nicht gesetzt worden ist. Vielleicht geht es dem ein oder anderen von euch auch so? Allerhöchste Zeit, diese Wissenslücke zu füllen: Ich habe kurzerhand einen Besuch bei Montblanc in Hamburg angefragt und siehe da, der wertvollste Koi-Karpfen unter den Füllfeder-Goldfischen hat angebissen und zugesagt. Ein paar Tage später war ich live vor Ort, habe mich umgeschaut und wissbegierig die Geschichte des Traditionshauses aufgesogen.
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Montblanc Werbung, 1925; Bild: Montblanc

Montblanc, wem muss ich das erklären, ist der führende Hersteller von hochwertigen Schreibgeräten. Zusätzlich hat sich das Unternehmen auf Uhren, Schmuck und Lederwaren spezialisiert und ist im amerikanischen, asiatischen und europäischen Luxussegment nicht wegzudenken. Selbst meine geliebte Tante aus Afrika schwört auf ihr „Meisterstück“ und hält bis heute an ihrem ganz eigenen Worst Case fest: „Im Falle von schrecklichen Begebenheiten und Unglück brauche ich nur meine Familie und den Füller. Auf Letzteren setzte ich mich zur Not auch drauf!“ Dieses Bild ist für alle Tage vor meinem inneren Auge abgespeichert und sorgt für Kopfkino, als ich das Gelände von Montblanc in Hamburg erstmals betrete. Nach dem Check-in (gleicht einem Hochsicherheitstrakt), werde ich in das Hauptgebäude geführt und staune nicht schlecht: Bilder über Bilder, soweit das Auge reicht. Ich bin begeistert und bekomme ausführlich erklärt, dass Kunst eine entscheidende Rolle bei Montblanc spielt. Hierzu komme ich im weiteren Verlauf noch einmal zu sprechen.
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Montblanc Werbung, 1922; Bild: Montblanc

Kaum eingetreten, wird mir die Gründungsgeschichte des Traditionshauses nähergebracht: 1906, der Hamburger Kaufmann Alfred Nehemias und der Berliner Ingenieur August Eberstein kehren von einem U.S.-Aufenthalt in ihre deutsche Heimat zurück und sind nachhaltig von der Erfindung des Füllfederhalters mit integriertem Tintenbehälter begeistert. Separate Tintenfässer? Adé! Die beiden Heimgekehrten entscheiden sich dazu, eine eigene Version der Erfindung herzustellen. Kurze Zeit später übernehmen Wilhelm Dziambor, Christian Lausen und der Schreibwarenhändler Claus Johannes Voß das Geschäft und präsentieren gemeinsam Füllfederhalter, ein voller Erfolg. Das Besondere im Vergleich zu der amerikanischen Variante? Kein Klecksen und keine lästigen Flecken. Im folgenden Jahr wird erstmals die weiße Kappenspitze eingeführt, der Startschuss für ein unverwechselbares Alleinstellungsmerkmal.
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Montblanc Werbung, Paris, 1927; Bild: Montblanc

Im Jahre 1913 wird die weiße Kappenspitze in ein einfacher zu erkennendes Markenzeichen abgeändert: Das sechszackige Emblem, das den Berggipfel des Mont Blanc und seine sechs Gletscher symbolisiert. Erst jetzt erhält das Unternehmen den Namen Montblanc und entwickelt durch Logo und gleichbleibende Qualität einen enormen Wiedererkennungswert. Der Emblem-Füllfederhalter wird zum Bestseller, nicht nur in Deutschland. Sechs Jahre später eröffnet die erste Montblanc Boutique im Herzen von Hamburg, es folgen weitere in Barcelona, London und Paris. Die goldenen 1920er-Jahre klopfen an der Tür und schenken dem damaligen Luxusbegriff eine ganz neue Bedeutung. Fortan werden Werbebanner auf Autos, Flugzeugen und Häuserfassaden angebracht. Immer mit dabei? Natürlich, Montblanc! 1924 wird das „Meisterstück 149“ vorgestellt, bis heute der Klassiker schlechthin. Schwarzes Edelharz, vergoldete Ringe und eine schlanke Optik.
Montblanc Boutique 20s
Montblanc Boutique in den Zwanzigern; Bild: Montblanc

Wer über einen solchen Klassiker verfügen sollte, ist bestimmt schon einmal über die Gravur „4810“ gestolpert: Ich habe gerätselt und anschließend erklärt bekommen, dass es sich hierbei um die Höhe des Mont Blancs handelt. Die „149“ auf der Goldfeder verdeutlicht wiederum die Seriennummer des ursprünglichen Federhalters. Wer nicht über ein eigenes „Meisterstück 149“ verfügen sollte, keine Verkaufsstelle in der Nähe findet und zufälligerweise in Manhattan leben sollte: Auf ins MoMa, dort gibt es das Modell unter dem Titel Design-Klassiker zu bestaunen. Genug der Ablenkung, weiter geht der Geschichtsunterricht! 1935 erkennt das Unternehmen frühzeitig genug, das auch die Nachfrage an Accessoires und Zubehör steigen wird. Etuis und Mäppchen werden fortan in einer Ledermanufaktur, unweit von Offenbach, hergestellt. Die Kriegsjahre, ein herber Einschnitt für die Gesellschaft und damalige Unternehmen: Trotz schwerwiegender Zerstörungen, gelingt es Montblanc in den Nachkriegsjahren seinen Platz an der Spitze exklusiver Schreibgeräte zurückzuerlangen.
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Montblanc Werbung in den Zwanzigern; Bild: Montblanc

Kennedy schreibt mit ihm, Adenauer ebenfalls. Celebrities und Staatschefs greifen immer häufiger zum Emblem-Klassiker und lassen sich medientauglich mit ihm ablichten. Zusätzlich wird die Förderung von darstellender Kunst  – Theater, Musik und Literatur – sowie bildende Kunst ausgeweitet. Mit besonders großem Interesse habe ich das Infomaterial zur 1992 gegründeten Montblanc Cultural Foundation durchforstet: Die Kulturstiftung unterstützt junge Künstler, die mit dem PRIX Montblanc oder dem Young Directors Award ausgezeichnet werden und gibt ihnen somit eine wichtige Plattform – Aufmerksamkeit und Kontakte. Kunstmäzene, die aktiv aufstrebende Talente fördern, haben wiederum die Chance auf einen Montblanc de la Culture Arts Patronage Award. Auf dem gesamten Gelände des Unternehmens lassen sich Kunstwerke finden, selbst in den kleinsten Fluren. Augenscheinlich auffallend ist dabei, dass sich in jedem Exponat ein Montblanc-Hinweis versteckt. Pfiffige Idee, ich bin in Finderlaune und laufe suchend von Bild zu Bild.
Montblanc
Montblanc in Le Locle; Bild: Montblanc

1997 gründet Montblanc seine eigene Uhrenmanufaktur inmitten des Schweizer Jura. Auch noch Uhren? Ein gewagter Schritt, seine Produktpalette auf diese Art zu ergänzen. Die Resonanz ist jedoch durchweg positiv, die Nachfrage steigt: In 2007 wird die traditionsreiche Manufaktur Minerva in Villeret übernommen, die seit 1858 ununterbrochen edle Uhren fertigt. Gerade auf dem asiatischen Markt haben sich Uhren aus dem Traditionshaus zu Bestsellern entwickelt, das Interesse wächst stetig. Zurück zu meinem eigentlichen Hauptaugenmerk, den Federfüllhaltern: 2006 wird das 100-jährige Jubiläum gefeiert und nebenbei der Diamond Cut vorgestellt. Dieser patentierte Edelsteinschliff bildet das charakteristische Emblem dreidimensional nach, ein sprichwörtlich „glanzvoller“ Auftritt. Ich stehe staunend vor den verschiedenen Diamantenausführungen und verfolge das Spiel von Schatten- und Lichtspielen. Meine Geschichtsstunde endet hier, ich mache mich auf den Weg zur Federmanufaktur.

TEIL 2 folgt in Kürze.

  • Siegmar
    8. Januar 2015 at 10:23

    Julian, sehr guter Artikel über das Haus “ Montblanc“ ich besitze kein “ Meisterstück 149 „, besitze aber seit Jahren ein Füllfederhalter und ein Rollerball von Montblanc. Damit werden immer noch persönliche Briefe an Freunde geschrieben. Bin nicht so begeistert von den Uhren, die Schreibgeräte sind die Glanzstücke. Ich freue mich auf den 2.Teil.

  • peter
    8. Januar 2015 at 11:10

    Super Story! Ich liebe Montblanc und es gehört zu der Geschichte meiner Heimatstadt. Früher saßen die Montblancs mitten in der Schanze und irgendwie war es als Kind klar, dass man schon nen Montblanc-Füller bekam und einfach mit der Marke aufgewachsen ist.
    Well done Julian!!

  • HappyFace313
    8. Januar 2015 at 20:45

    Mein erster Füller war ein GeHa, den ich nach einem missglückten Aufsatz in die Ecke gepfeffert habe. Dann folgte ein Pelikan, den ich bis heute besitze. Montblanc kam erst später dazu – kein 149, aber einer in weinrot und einer in lila (eh klar, oder?), mit zwei verschiedenen Federstärken. Ich schreibe sehr gern mit ihnen und freue mich, dass die Tinten inzwischen so konzipiert sind, dass sie nicht mehr so schnell eintrocknen!
    Ich freue mich auf den 2. Teil Deines Berichts!
    Liebe Grüße 🙂

  • Bendix Bauer
    9. Januar 2015 at 00:58

    Mein Lieblingsfüller seit Jahren. (Ich gehöre ja noch zu der Spezies Mensch, die gern auch mal Briefe schreiben) Aber auch für alles Andere ein wunderes Werkzeug und Schmuckstück. Schön, dass es das gibt.

  • Monsieur_Didier
    9. Januar 2015 at 17:25

    …mein erster Füller war auch ein Geha-Füller, in Grün, den hab ich durchaus gerne gemocht…
    ich bin dann leider viel zu früh auf Tintenroller und Kugelschreiber umgestiegen und habe mir komplett meine Handschrift versaut…
    aber nichts desto trotz weiß ich Briefe mit einem guten Füller handgeschrieben ausserordentlich zu schätzen…

    und ich freue mich auf den zweiten Teil des Artikels…!

  • Die Woche auf Horstson – KW 02/2015 | Horstson
    11. Januar 2015 at 12:31

    […] Julian hat Montblanc in Hamburg einen Besuch abgestattet. Zum ersten Teil seines Berichtes geht es hier entlang. 2) Marilyn Manson auf Horstson? Natürlich – warum auch nicht? Den Grund liefert […]

  • Zu Besuch bei … Montblanc – Teil 2 | Horstson
    13. Januar 2015 at 15:20

    […] des Traditionshauses aufgesogen. Nach einer Geschichtsauffrischung (den ersten Teil gibt es hier zum Nachlesen), stelle ich euch nun die Federmanufaktur vor. Bild: […]