Geschmacksache

Wer kauft denn so was?

(Fake In-Ear-Kopfhörer; Bild: Asos)

Um es vorweg zu nehmen: Mir ist das vollkommen egal, wer wie rumläuft. Ich kann zwar seitenweise drüber schreiben, was, wie, warum, besser an wem aussieht, ich würde aber weder privat noch in meinem Beruf an den Klamotten von jemand aus meiner natürlichen Umgebung herum kritisieren. Sowas gehört sich nicht.
Trotzdem bin ich von Natur aus neugierig und daher beschäftigen wir uns heute mit einem, nun ja, Schmuckstück, das seit einigen Tagen auf Blogs und in Klatschblättern diskutiert wird: Fake In-Ear-Kopfhörer. Diese „AirPods“, die auf einen flüchtigen Blick so aussehen, als könne man mit ihnen Musik hören, dienen aber nur der Dekoration, sind also im weitesten Sinne Ohrringe.

Natürlich kommt es ganz darauf an, dass das, was wir an Accessoires tragen, auch wirklich zu uns passt und einen Look herstellt, bei dem immer ein Quäntchen Understatement mehr durchblitzt, als bei Leuten, die sich einfach nur so mit Schmuck und Uhren behängen. Ein Trinity-Ring von Cartier steht ebensowenig jedem, wie eine Nautilus von Patek Philippe auch nicht jedermann schmeichelt.
Aber erfüllen diese Ohrringe diesen Zwecks oder wird der Träger – Pardon! – als Depp ausgewiesen?

Ausschließen vom pauschalen Deppen-Dasein möchte ich natürlich Jugendliche. Sie müssen sich ausprobieren können, wollen oder – besser gesagt – wollten rebellieren und alles sein, nur nicht so, wie die Erwachsenen, die im Bewusstsein der Jugend ja sowas wie alte Leute sind. Aber nach der Pubertät schwingt bei obigen In-Ear-Kopfhörern doch eine gewisse Komik mit, oder denken die Fake-AirPods den Schmuckgedanken nur weiter?

  • Glencheck
    11. Oktober 2019 at 21:13

    Ich erinnere mich, dass in den frühen Neunzigern, als die ersten Handys für Normalverdiener noch unerschwinglich waren, manche Leute mit Handyattrappen auf reich & wichtig machten. War dann natürlich nur arm & peinlich. Wenn dahingegen heute jemand mit In-Ear-Kopfhörer-Attrappen rumläuft, ist das ja nicht, weil echte In-Ears teuer oder schwer zu bekommen wären. Somit geht es auch nicht um einen erschwindelten Prestigegewinn. Die Dinger lassen mich eher an Rasierklingen aus Chrom fürs Revers oder nietenbesetzte Gürtel denken, die nach dem Punk der 70er Jahre in den 80ern ihr zweites Leben als „Accessoire“ begonnen hatten. Von Margiela gab es mal eine Armanduhr ohne Zifferblatt und Zeiger, also quasi das Zitat einer Armbanduhr, völlig nutzlos (aber toll!). Irgendwo dort würde ich die AirPods verorten und kann daran nichts Deppenhaftes finden. Wenn die Frage lautet: „Warum würde jemand Kopfhörer tragen, mit denen man nichts hört“, müsste man fairerweise auch fragen, warum Leute Laufschuhe und Jogginghosen tragen, wenn sie gar keinen Sport treiben wollen, sondern damit bei McDonalds rumsitzen. Oder warum sie mit University-of-New-York-Sweatshirts rumlaufen, wenn sie dort gar nicht studiert haben. Aus der Distanz betrachtet, ist das vielleicht dämlich, aber es geht in der Mode nun mal ums Zitieren, Imitieren, ums Zerlegen und auf überraschende Art oder in anderem Zusammenhang wieder Zusammensetzen. In späteren Jahren sieht man an so was sehr schön, wie die Leute zu einer bestimmten Zeit getickt haben und wo sie sich selbst verorteten.
    Und darum ist meiner Meinung nach ein In-Ear-Kopfhörer ein Gebrauchsgegenstand und ein fake In-Ear-Kopfhörer aus Silber Mode.