Damenmode

The Power of Blue – Dior Herbst/Winter 2017

(© Adrien Dirand)

Dass Maria Grazia Chiuris zweite Prêt-à-porter Dior-Kollektion eine Farbe in aller Konsequenz in den Vordergrund stellt, ist ein Konzept, das ihr durchaus gelungen ist. Das sage ich sicherlich nicht ganz unparteiisch, da es ausgerechnet meine Lieblingsfarbe ist und eine Farbe, von der man nie genug bekommen kann: Blau.
Maria Grazia Chiuri hat schon immer eine Schwäche für die verschiedensten Nuancen dieser Farbgruppe. Sicherlich war sie sehr erfreut, als sie bei ihren Recherchen in den Dior-Archiven festgestellt hat, dass Christian Dior seit seiner Schulzeit, in der er die zweireihige Marineuniform tragen musste, die Farbe Blau – neben seinem berühmten Rot und dem allgegenwärtigen Schwarz – zu seinen Favoriten erkor.

© Adrien Dirand

„Von allen Farben kann nur Marineblau mit Schwarz mithalten und dieselben Vorteile bieten“, schrieb Christian Dior in seinem Buch, „The Little Dictionary of Fashion: A Guide to Dress Sense for Every Woman“, das er Anfang der Fünfziger Jahre herausbrachte. Maria Grazia Chiuri, die Künstlerische Leiterin der Damenkollektionen bei Dior, reaktiviert verschiedene Dior-Codes durch ein alle Regeln sprengendes Kombinieren, das ohne übertriebene Bewunderung oder Nostalgie auskommt: So wird ihre Prêt-à-Porter Kollektion Herbst/Winter 2017-2018 zu einer einzigartigen konsequenten Hommage, die, bis hin zur Musik der Schau, mit dieser von Monsieur Dior so geliebten Farbe spielt.
Blau ist die Farbe der Malerei des 20. Jahrhunderts, sie verlieh den Kunstwerken von Pablo Picasso, Joan Miró, Paul Cézanne oder Marc Chagall Tiefe und Emotion. Der französische Maler Yves Klein war der Farbe gänzlich verfallen und malte fast nur noch mit leuchtendem Blau.

Bilder: Courtesy of Dior

Die Herbst/Winter-Kollektion von Dior ist eine Sequenz aus mehreren Teilen, die Emotionen, Gefühle und Erinnerungen miteinander verbinden. Dabei werden viele stilistische Zitate aus ihrer Lieblingsdekade des Hauses Dior zitiert. Die Femininität, die Christian Dior den Frauen schenkte, beeindruckt Maria Grazia Chiuri sehr in ihrer Arbeit für das Haus. Die italienische Designerin ließ sich von der großen Kapuze inspirieren, wie sie von Hirtengewändern bekannt ist, und variiert das Konzept des Ensembles Chevrier aus der Haute-Couture-Kollektion Herbst/Winter 1949 in einer Reihe von Jacken, Röcken, Kleidern, Capes, Mänteln und kleinen Bomberjacken neu. Sie zeigt die Extravaganz der Kapuze auf ganz moderne Art, sportlich und durch eine übergreifende Verwendung von Materialien: Taft, Denim, Velours, Fischgrätmuster, Strick …

Bilder: Courtesy of Dior

Das Blau, als farbliches Symbol für Stärke, Schönheit und Spiritualität, prägt die Looks, die weibliche und männliche Kleidungskultur vereinigen, wie Hosenanzüge, Jeans, Overalls und an „Sportswear de luxe“ anknüpfende Outfits. Schnittdetails betonen die Verschiedenartigkeit und drücken den raffinierten Dior-Stempel auf.
Blau ist zwischen Natur und Kultur angesiedelt. Es ist die Farbe des Esprits, der Verbundenheit mit dem Unendlichen, in uns und über uns hinaus; des Himmels, des Meeres und in sehr dunklen Nuancen, der Unendlichkeit des Alls.
Es markiert den Beginn einer Verbindung mit dem geheimnisvollen Mond, den mystischen Kometen und Planeten, die auf den Abendkleidern aus opulentem Velours oder nuanciertem Tüll explodieren, der zu dem Blaugrau der aufgestickten Lilienblüten verschmilzt. Astrologie und Astronomie, die Sternzeichen, ein Lieblingsthema von Maria Grazia Chiuri auch schon bei Valentino, ist etwas, was sie kontinuierlich mit als neue Codes und Markenzeichen bei Dior als eigenen Beitrag hinzufügt.

Bilder: Courtesy of Dior

Blau fasziniert durch seine Feinfühligkeit, aber auch durch seine soziale Komponente. Denn Blau ist hinsichtlich Geschlecht, Alter und sozialer Schicht transversal. Arbeiter tragen den Blaumann traditionell genau so, wie der Krönungsmantel der französischen Könige in leuchtendem Blau gehalten war.
Doch Blau kann nicht nur das Symbol der Heiligen Jungfrau Maria und das Symbol der Könige Frankreichs sein, sondern auch die Farbe von Arbeitskleidung: Workwear. Weite Hosen, Blusen und verwaschene Hemden tragen Blau, die dieser Farbe bei der Maison Dior eine neue Identität gaben. Das wichtigste Kleidungsstück der 20. und 21. Jahrhunderts ist Blau: Die Jeans in Denim und Hunderten Indigovarianten, sowie japanische Workwear, die zurzeit ein großes Comeback erfährt, fließen in das Prêt-à-porter ein und verleihen der Dior-Frau Lässigkeit. Die Winterkollektion ist komfortabel bei aller Eleganz und sprüht nur so vor Details und Ideen.

Bilder: Courtesy of Dior

Maria Grazia Chiuri hat sich auf die Vielschichtigkeit dieses Farbtons eingelassen und ihn mit Bluesmusik und deren großen Interpreten wie Nina Simone mit ihrem „Blue Prelude“ kombiniert, als Anspielung auf die weibliche Facette dieser Farbe, die in einer unentwegten Bewegung die Tiefe des Meeres mit der Unendlichkeit des Himmelszelts vereint, setzt sie auf eine konsequente Erneuerung des Dior-Bildes, das Klassik und die Werte des Hauses, den typischen Dior-Stil und viele Kultteile wieder in den Vordergrund rückt. Mit Humor greift sie Dinge auf, die ihre Vorgänger schon populär machten und mit den mit Metallbuchstaben „J’adior“ versehenden Accessoires, gibt sie nicht nur einen charmanten Seitenkick auf die Zeit von John Galliano, sondern kreiert bereits in der ersten Saison moderne Bestseller.

© Adrien Dirand

Dass Weiblichkeit nicht puppige Verspieltheit symbolisiert, dafür steht die selbstbewusste Mutter und vollberufstätige Frau selbst. Dass Weiblichkeit im Jahr 2017 trotz großer Veränderung seit der Gründung des Hauses immer noch den Duft von Feminität haben darf, die Christian Dior so träumerisch liebte, haben darf, setzt Maria Grazia Chiuri perfekt um. Dior findet unter der Designerin zu einem Stil zurück, der ganz in den Wurzeln des Hauses liegt und den die Kundin, die bewusst das Label wählt, auch sucht. Die Puristin wird sicherlich zu anderen Marken greifen, ebenfalls diejenige, die Glitzer und Glamour erwartet. Dior ist Couture und Prêt-à-porter im feinsten Pariser Sinne – etwas, das Maria Grazia Chiuri schon in sehr kurzer Zeit begriffen und umgesetzt hat.

Blau ist das neue Schwarz, jedenfalls bei Dior. Das hätte den Firmengründer genau so gefallen, wie auch seiner Kollegin Coco Chanel. Denn die propagierte zwar Schwarz und wurde berühmt für diese Farbe, doch für sich selbst ließ Chanel alles in Marine umsetzen. Blau hat eine magische Kraft und das nicht nur im nächsten Winter bei Christian Dior …

  • Mister Matthew
    11. April 2017 at 10:05

    Ohja! Ich liebe Blau auch sehr! Und es stimmt: von Blau kann man wirklich nicht genug bekommen. So geht es zumindest mir immer. Ich denke, dass Blau unter anderem deshalb so beliebt ist, weil man fast jeden Tag damit konfrontiert wird (Himmel).

    Modische Grüße,

    Matthew

  • Horst
    11. April 2017 at 10:10

    Die Zitate an Galliano sind super, leider aktuell – durch die Pumps – omnipräsent …
    Blau gehört auch zu meinen Klassikern!

  • Siegmar
    11. April 2017 at 20:13

    Sehr gelungen

  • Markus Brunner
    11. April 2017 at 20:16

    wunderbarer Bericht von Peter, voller Poesie, Blau und Schwarz, natürlich auch meine Lieblingsfarben, wundervolle Kollektion in all ihren Blau Schattierungen, vor allem die Worker Styles finde ich natürlich super !!!!

  • PeterKempe
    11. April 2017 at 21:11

    Danke an alle Kommentatoren! Etwas mit solchem durchdachten Konzept und eine so gelungene Kollektion ist wunderbar leicht zu beschreiben. Freue mich schon auf den Dior-Herbst!