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Modeschätze – John Gallianos Debüt bei Christian Dior 1997

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John Galliano für Dior; Bild: Dior

Von Zeit zu Zeit stellen wir euch gerne etwas aus unseren Archiven vor, was ein besonderer Meilenstein in der Mode ist. Rückblickend ist manchmal gar nicht zu ermessen, wie revolutionär zu ihrer Zeit diese Entwürfe waren. In unserem heutigen Modeschatz leitete die Kollektion eine ganz neue Zeit ein – zumindest für das Modehaus von Christian Dior in der Avenue Montaigne 1997 …

Im Januar 1997 beging man mit einem Designer-Wechsel das fünfzigste Jubiläum des Hauses Dior. Vorher war Gianfranco Ferré für die Damenkollektionen verantwortlich, doch das konservative Image von Dior sollte zwecks Expansion aufpoliert werden. John Galliano hatte seine Feuerprobe bei Givenchy bestanden und war der erste „wilde“ englische Designer, der den Thron eines französischen Couture Hauses bestiegen hatte.
Jetzt war der Plan Bernard Arnaults, dem Lieblingshaus seines Portfolios eine Strategie zu verpassen, die den Eintritt ins neue Jahrtausend sicherte. John Galliano arbeitete sich voller Feuereifer in die Geschichte und Archive von Dior ein und war besonders von Diors Muse und Assistentin, Mitzah Bricard, des Firmengründers begeistert. Aber es sollte etwas völlig Neues werden und deshalb wählte Galliano etwas als Inspiration, was es noch nie in einem Couture Haus gab: den Stamm der afrikanischen Massai und die Bilder des Fotografen Brassaï, die ihn immer schon faszinierten.
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John Galliano für Dior; Bilder: Dior/ Pressemappe

Katell le Bourhis, Galliano Freundin und zu der Zeit Direktorin des Pariser Musee des Arts décoratifs, schrieb das Vorwort zur Pressemappe. Das Bild eines stolzen Massai Kriegers auf dem Cover der Pressemappe verriet auf den ersten Blick, welches Thema die Kollektion hatte. Was dann folgte, war wie ein Erdrutsch, den das Haus Dior das letzte Mal 1958 erlebte, als Yves Saint Laurent Nachfolger von Christian Dior wurde.
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John Galliano für Dior; Bilder: Dior/ Pressemappe

Feinstes Couture Handwerk, Krinolinen aus vielen Gazar-Schichten, Paradiesvogel-Federn und Halsketten, die aus Dutzenden Perlenreihen den Hals eng umschlossen und ihn zu einem „Giraffenhals“ verwandelten. Eine Farbexplosion und ein Rausch von stilistischen Kombinationen, der zu seiner Zeit völlig neu war: Gallianos Lieblings-Hut wurde, mit afrikanischen Stickereien versehen, zum Abendkleid getragen und Perlen-Korsagen zu Miniröcken. Dagegen dann Kleider „à la Schanghai“ der zwanziger Jahren, die den Opiumhöhlen entstiegen schienen und von den Bildern von Brassaï inspiriert wurden. Galliano ließ ohne Hemmungen die Kontinente aufeinandertreffen! Viktorianische Korsette und Tournüren, fließende Abendkleider und scharf geschnittene (für Gallianos eigenen Stil typische) Kostüme folgten Schlag auf Schlag …
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Bilder: Dior/ Pressemappe

Das Debüt wurde nicht nur reichlich beklatscht, auch begann mit ihr eine radikale Wandlung aller Kollektionen des Hauses Dior. Zum Winter 1997 kam dann, als eine Art Fortsetzung, die „Pocahontas“ Kollektion nicht weniger flamboyant daher.

Heute fast vergessen, leitete die Haute Couture Kollektion Frühjahr 1997 eine große Zeit mit Galliano im Hause Dior ein, in der das Haus stark expandierte und einen Verjüngungsprozess durchlebte.
Die Zeiten ändern sich und die Stilistik auch. Heute macht Raf Simons die Linie, die für unsere Zeit steht, doch Gallianos erste Kollektion für Dior ist und bleibt eine der wichtigsten des Hauses.

  • stephan meyer
    14. August 2014 at 11:02

    Da fand ich Galliano noch gut!
    Später sah es mir dann zu sehr nach Lido, Moulin Rouge und Alcazaar aus!

  • Elke
    14. August 2014 at 11:12

    Wie schön,Du kannst so wunderbar die Geschichte der Mode erzählen!

  • monsieur_didier
    14. August 2014 at 11:15

    …ich weiß noch, wie schockiert und elektrisiert ich von der ersten Dior-Kollektion unter Galliano war…
    ich sah weite Teile davon auf Video und konnte es fast nicht fassen, dass jemand eine solch radikale und begeisternde Kollektion machte…

    diesen Effekt riefen die Bilder der Abschluss-Kollektion von Galliano für die Central Saint Martins College of Art and Design
    hervor, (die Afghanistan-Kollektion) auch schon hervor…

    es stimmt, die letzten Kollektionen von Galliano waren schon sehr theatralisch und manchmal ein fast ein wenig Tingel-Tangel…
    aber ich liebe ihn und seine Kreativität und seinen schwärmerischen Geist einfach…
    und hoffe und bin mir sicher, da kommt noch was…!!!

  • monsieur_didier
    14. August 2014 at 11:42

    …kleine Anmerkung am Rande: …die Hüte für die Galliano-Kollektionen werden seit jeher von Stephen Jones kreiert, der ebenfalls das Central Saint Martins College of Art and Design
    besuchte und ebenfalls zur New-Romatic-Szene in London gehörte…

  • Manfred
    15. August 2014 at 10:26

    Schöner Schatz, kannte dir Bilder nicht

  • Siegmar
    15. August 2014 at 11:38

    ganz wunderbarer Artikel und wunderbarer Beitrag dazu von Monsieur_didier. Ich wußte nicht das Stephen Jones die tollen Hüte entworfen hat, sehr gelungen.