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Mademoiselle Privé – Chanel intim

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Bild: Olivier Saillant

Die gerade in London abgelaufene spektakuläre Ausstellung Mademoiselle Privé wird in andere Städte wandern – das ist schon mal die erste gute Nachricht für alle, die diese leider viel zu kurze Ausstellung verpasst haben.
Ein bisschen zum Trost – und als Vorgeschmack für die weiteren Etappen – zeigen wir einige Eindrücke der fantasievollen Präsentation, die schon in der Ankündigung stark auf Multimedia setzte – so gab es eine eigene App, die sich automatisch aktivierte, wenn man die Räume der Saatchie Gallery betrat.
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Bild: Olivier Saillant

Der Titel der Ausstellung ist dem Schild entnommen, das Coco Chanel in den dreißiger Jahren an die Tür ihres Ateliers hängen ließ, damit sie nicht bei der Vorbereitung zu den Kollektionen gestört wurde. Dieses Schild hängt immer noch an der Tür, hinter der seit über 30 Jahren Karl Lagerfeld unermüdlich das Haus Chanel prägt. So ist diese Ausstellung zwar eigentlich Mademoiselle Chanel gewidmet, zeigt aber auch auf beeindruckende Weise das Universum, dessen Bild komplett neu von Karl Lagerfeld erschaffen wurde.
Trotz unzähliger Biographien ist „Mademoiselle Privé“ keine klassische Retrospektive. Allein schon durch den dazugehörigen Film, in dem Karl Lagerfeld auf den Geist von Coco (gespielt von Geraldine Chaplin) trifft und in dem sie ihm erklärt, dass sie sich bei seinem Erscheinen erst einmal im Grabe umgedreht hat. Typisch Lagerfeld – er nimmt sich selbst auf die Schippe, hat aber das Selbstbewusstsein, dass er genau weiß, dass der „Mythos Chanel“ ohne ihn nicht nur verblasst, sondern nie so aktuell wie heute wäre. Zur Eröffnung sagte Lagerfeld über den Film „I gave the better part to her than to myself, don’t you think? But then, she has a very strong ego, which I don’t have. I look more like the ghost than she does!“. Hemmungslos untertrieben, denn später sieht man, dass doch eine Menge Lagerfeld dabei ist. Bruno Pavlovski, seit vielen Jahren Head of Fashion bei Chanel, bestätigt dann auch, dass in seinen Augen alles Karl Lagerfeld zu verdanken ist, für das Chanel heute steht. Mademoiselle Chanel, die Pavlovski niemals traf, bildet für ihn der Grundstein, von dem sich Lagerfeld immer wieder inspirieren lässt. Es erinnert an eine Art Kultur, die über viele Bereiche geht und die durch die verschiedenen Einflüsse aus Kunst, Kultur und einem rasanten Jahrhundert den Mythos Chanel geprägt hat.
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Bild: Olivier Saillant

Als erste Ausstellung vereint Mademoiselle Privé die drei Bereiche des Hauses: Mode, Schmuck und Kosmetik. Sie zeigt nicht nur Exponate, sondern überträgt schon außerhalb der Galerie, in einem Garten, die Assoziationen Chanels der Welt der Pflanzen. Chanel und England sind eng miteinander verflochten und so wird der Charakter ihrer unsterblichen Liebe, Arthur „Boy“ Capel, der ihr zur Selbstständigkeit mit einem Hutsalon am Boulevard Malesherbes verhalf, durch Buchsbaumhecken und englische Wildblumen symbolisiert. Der Herzog von Westminster ist hingegen durch einen kultiviertes Beet dargestellt …
Dann, nachdem man einige Projektionen durchschritten hat, öffnet sich das Universum Chanel mit der Replik der berühmten Treppe in der Rue Cambon, ihren Louis XV.-Sesseln und den schönsten Couture Kleidern in Schwarz und Gold aus den Lagerfeld-Jahren.
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Bild: Olivier Saillant

Die Diamantpreziosen, die 1932 in Coco Chanels Privatapartment in der Rue du Faubourg Saint-Honoré präsentiert wurden, beeindrucken nicht nur durch ihre Modernität und Karatzahl. Karl Lagerfeld entwarf für die letzte Haute Couture-Kollektion auch noch Kleider dazu, die außerhalb der Kollektion dazu die passenden Roben für Stars wie Julianne Moore, Isabelle Huppert, Lily-Rose Depp oder Vanessa Paradis bildeten. Die Fotoserie, die dazu entstand, umrahmt die Vereinigung von über achtzig Jahre alten Schmuckkreationen und den Menschen und Kleidern von heute. Es waren die Gegensätze, die Coco Chanel interessierten und aus denen Karl Lagerfeld die Energie zieht, ihren Stil in die heutige Welt auf Flugplätze, in Supermärkte oder auch ferne Länder wie Korea zu transkribieren. Chanel ist nicht nur ein Arbeitgeber für Karl Lagerfeld, sondern eine Haltung, aus der die Kollektionen und jedes kleine Detail entstehen.
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Bild: Olivier Saillant

Die Ausstellung, die nicht nur durch eine App geführt wird, ist auch, so wird ausdrücklich betont, für eine Generation gemacht, für die es selbstverständlich ist, mit einem gezückten Smartphone Highlights und Details zu fotografieren und in Social Media Kanälen zu teilen. Die Treppe erschien daraufhin Hunderte Male auf Instagram und trägt so die Botschaft der Rue Cambon in eine Generation, die geboren wurde, als Karl Lagerfeld schon längst sein zehnjähriges Jubiläum bei Chanel feierte. Comic Kultur zeichnet dann auch den Gegensatz zum Jahr 1913 aus, als Chanel ihre erste Boutique in Deauville eröffnete. Die Boutique wurde nachgebaut und mit dicken Eddingstiften dekoriert. Die App verwandelt virtuell alles in Realität und erzählt Geschichten aus Mademoiselles Apartment.
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Bild: Olivier Saillant

Wie in einer Chanel N°5-Flasche stößt man auf übergroße Behälter, die futuristisch anmutend die Ingredienzien zu dem Parfum des 20. Jahrhunderts beinhalten und an ein Chemielabor erinnern. Mairose und Jasmin vermischen sich in der Luft und geben so dem Ganzen die Dimension eines weiteren Sinnes dazu.
Chanel ist ein Universum, das nicht nur mit Mode, Schmuck oder Kosmetik zu tun hat, sondern wie ein Reflektor ist, der die ganze Welt widerspiegelt. Vielleicht ist das das Geheimnis, warum Chanel so gut auf jedem Kontinent ankommt: Der Stil einer Frau, die aus kleinsten Verhältnissen kommt, die mit dem eisernen Willen ausgerüstet ist, ihr Imperium aufzubauen. London ist in Europa das Zentrum, in dem die meisten Geschäfte gemacht werden und Menschen aus aller Welt zu Hause sind. Das war in den dreißiger Jahren schon genauso – vielleicht wurde Coco Chanel deswegen von dieser Stadt so inspiriert.
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Bild: Olivier Saillant

Ende des Monats bekommt Karl Lagerfeld in London bei den British Fashion Awards den Preis für sein Lebenswerk. Wer Karl Lagerfeld kennt, weiß, dass es für ihn nicht der Preis für vergangene Leistungen ist, sondern für zukünftige Aufgaben.
Ich bin gespannt, welche Station als Nächstes für Mademoiselle Privé auf dem Plan steht. Seitens des Hauses Chanel wurde noch nichts bestätigt, aber wir informieren natürlich sofort über weitere Stationen.

Karl Lagerfeld arbeitet derweil schon an der nächsten Kollektion. Die Croisière, die im Mai 2016 gezeigt wird, hat eine Destination, mit der der nächste Kontinent „chanelisiert“ wird: Kuba. Zwar wurde schon einmal ein Katalog in Argentinien fotografiert, aber es ist die erste Schau auf dem mittel- bzw. südamerikanischen Kontinent. Das Kommunisten Chanel-Fans sind, ist nicht neu: Selbst zu Zeiten des kalten Krieges bat die Gattin des sowjetischen Parteivorsitzenden Chruschtschow darum, die Modelle von Mademoiselle Chanel sehen zu dürfen …

  • Siegmar
    10. November 2015 at 12:58

    wie immer, toller Artikel und bestimmt eine großartige Ausstellung.

  • Elke Kempe
    10. November 2015 at 14:27

    Schöner Artikel,hoffentlich kommt die Ausstellung auch nach Hamburg.!

  • Monsieur_Didier
    10. November 2015 at 19:23

    …ich hoffe auf Berlin…
    aber bei den wirklich großen ausstellungen aus diesem Bereich haben wir fast immer das Nachsehen…
    (ausser z.B. 2003 bei Armani…)

  • Die Woche auf Horstson – 46/2015 | Horstson
    15. November 2015 at 14:04

    […] der vergangenen Horstson-Woche. 1) „Chanel intim“ – Peter berichtete am Dienstag über die gerade beendete Ausstellung in London. Ich hoffe, dass die Ausstellung auch mal in Hamburg gastieren wird … 2) „Nachgefragt […]