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Du sollst nicht töten … Mercedes und das 5. Gebot

Irgendwann geht jede Studienzeit zu Ende. Und bei den Absolventen der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg steht dann der Diplomfilm an – in der Regel ein Kurzfilm oder ein Commercial, mit dem das Diplom erworben wird, das den Absolventen bestätigt, Regisseur, Produzent, Kameramann, Filmmusikkomponist oder Sounddesigner oder ähnliches zu sein.
Drei Diplomanden des Jahrgangs 2013 hielten es für eine sehr gute Idee, in ihrem Commercial einen Mercedes der C-Klasse, der das Fahrerassistenzsystem nutzt, das Gefahren früher und besser als der Mensch im Auto erkennen soll, den zirka elfjährigen Adolf Hitler aus Brauau am Inn, von ebendieser C-Klasse mit Gefahren-Erkennungssystem tot fahren zu lassen. Und damit das nicht irgendwie ekelig aussieht und den „schönen Film“ mit Blutlachen und -flecken womöglich verdirbt, liegt klein Adolf als Hakenkreuz „arrangiert“ da und spielt tot.
Nun würde ich mir von zwei Diplomanden im Fach Kamera (Tobias Haase, Jan Mettler) und einer Kollegin, die ihr Diplom im Fach Produktion (Lydia Lohse) erwirbt, alle drei naturgemäß noch etwas grün hinter den Ohren, gar nicht erwarten, dass ohne Hilfe von jemand, der die Konzeption professionell leisten kann oder gar Drehbuchschreiber ist, ein von a bis z richtig gedachter Spot auf die Beine gestellt werden kann. Das Denken ist ja immer das Schwerste!
Aber schaut am besten erst mal in den Film rein, bevor wir darüber weiter „reden“.

„ADOLF“ // Mercedes-Spot 2013 – [unofficial]

Ihr habt es gesehen, Mercedes fand das gar nicht gut, dass die Studenten die C-Klasse und den Bremsassistent dafür missbrauchten, einen Film zu machen, mit dem sie neben dem Diplom das Kalkül verfolgen, schnell in aller Munde zu sein. Hat ja erst mal auch ganz gut geklappt, die Neo-Filmmacher sind für den First Steps Award nominiert, der Mercedes zu seinen Unterstützern zählt.

Was stört Mercedes, und was stört mich? Ein Kind absichtlich tot zu fahren. Total aufgesetzte und falsch gedachte pseudopolitische „Botschaften“ in ansonsten beliebig gemachten Filmchen (den Spot könnte man mit wenig Mühe in einen für Bertolli-Margarine oder Sugo ummoppeln, diese Ästhetik bedient er jedenfalls), sind kontraproduktiv; nerven und stören, vor allem trivialisieren sie das „Böse schlechthin“. Zumindest aber, sollte man denken können, bevor man das dünne Eis betritt, auf dem sich alle befinden, die mit „Wir sind ja so gegen Hitler und den Holocaust“ nur Kasse machen und ihre 15 Minuten Ruhm einheimsen wollen.

In einen Kontext gesetzt: Hätte man dann nicht auch den „Nährboden“ auf dem ein Untam wie Adolf Hitler paradoxerweise gedieh, vorneweg plattfahren müssen? Das wären ja dann bloß die Eltern, das sonstige Umfeld, Abermillionen Österreicher und Deutsche, erhebliche Teile des Klerus und Adels … Oder ist Greueltätern, Diktatoren und Massenmördern das Böse genetisch in die Wiege gelegt. Sollte das damit gemeint sein? Das ginge dann ja in Richtung der unsäglichen Rassenlehre des Dritten Reiches.

Für mich total daneben, ärgerlich, dass junge Leute so wenig im Kopf haben oder so unsorgfältig mit ihrer Verantwortung umgehen. Und cool oder lustig kann ich das auch nicht finden.

Und weil ich tatsächlich was mit Marketing, Medien und Werbung mache, weiß ich, woher die Idee, „das Böse“ zu verhindern, kommt.

Jiffy Condoms x If only they’d used Jiffy!

Der preisgekrönte Spot aus dem frühen Werbe-Paläoziokum der Neunzigerjahre bedient sich des gleichen Ansatzes, macht es aber richtig: Zuerst denken, dann drehen und das funktioniert eben nur, liebe hippe Diplomanden, wenn man das, was man vorgibt, zu können, auch wirklich kann.

Handwerklich ist der Spot sehr ordentlich und sauber gemacht. Nichts, was mich vom Hocker reißt, weil ich mir von jungen „Kunstschaffenden“ erwarte, dass da inhaltlich und ästhetisch was wirklich Neues kommt; dass sich junge Wilde was Eigenständiges und Cooles ausdenken und das künstlerischer umsetzen.

Nonsens und Satire über Hitler jederzeit gerne, aber das muss man dann auch wirklich drauf haben. Und über das 5. Gebot sollte man sich in Werbung glaube ich nie hinwegsetzen. Wie heißt es so schön bei Mercedes: „Erkennt Gefahren, bevor sie entstehen“.

Aber, was sagt ihr dazu, liebe LeserInnen?

  • Siegmar
    28. August 2013 at 12:48

    finde ich auch, absolut daneben. Die Nominierung müßte zurückgenommen werden. Da ist was ganz schief gelaufen, aber auch bei den Juroren

  • Daisydora
    28. August 2013 at 12:54

    @Siegmar

    Man wundert sich in der Tat über diese Juryentscheidung. Leider nicht zum ersten mal, Jurys treffen mitunter total beliebige oder gleich „zweckdienliche“ Entscheidungen.

    Bin heute (wie Peter das immer so treffend beziechnet) sehr „am Schalter“ eingesetzt und kann mich daher wahrscheinlich erst morgen wieder hier zu Wort melden.

  • Casaficio
    28. August 2013 at 13:16

    … nun ich will gar nicht bestreiten dass ihr Unrecht habt , aber muss man alles so bierernst nehmen?
    ich musste etwas schmunzeln, das war´s dann.
    wenn nicht alle so aufschreien würden, dann hätte auch keiner denen ein Forum gegeben.

  • vk
    28. August 2013 at 13:46

    ist doch nett. der merc kommt als terminator zurueck aus der zukunft, die geschichte zu korrigieren.
    nettes geschichtchen.
    dass daimler sich dazu negativ aeussern muss, ist auch klar – wer aber nicht sone grosse politische organisation ist, fuer den gibt es wenig grund fuer bierernst.
    das ist ne hochschule, keine produktionsanstalt politisch korrekter verwertbarkeit.

  • Gerlind Hector
    28. August 2013 at 16:51

    Hier geht’s doch gar nicht um politische Korrektheit oder nicht! Das Filmchen ist einfach nur platt und fantasielos. Denn eins ist ja mal klar: Wenn einem gar nichts mehr einfällt, bringt man den alten Adolf in Spiel – und hui – gibt’s Presse und jede Menge Aufreger. Sogar im Ausland, toll! Und bei Mercedes, super!
    Der treffende Kommentar hier bei HORSTSON bringt es auf den Punkt und damit sollten wir den Film dahin schicken, wo er hingehört: In die Versenkung. Von keinem der beteiligten Filmhochschüler werden wir wohl jemals wieder etwas hören oder sehen…

  • Jana H.
    28. August 2013 at 17:01

    Na ja, es ist gut gemacht, ok. Und es ist „politically correct“ zu sagen es ist daneben. Aber was denken wir wirklich??
    Ja junge Künstler sind oft etwas extrem, nix neues für mich, für euch??

    Jana H.

  • Siegmar
    28. August 2013 at 17:02

    @ Gerlind

    kann dir nur zustimmen, danke für deinen Kommentar!

  • Jana H.
    28. August 2013 at 20:15

    Na ja, habe es noch mal gesehen, halt nicht zum super ernst nehmen oder? Aber mal im ernst, wenn wir über „das Böse“ reden, immer wieder sehen wir in der Wissenschaft das viiiiel mer als uns lieb ist, genetisch in uns ist, auch was Character und Temperament angeht.

    Jana H.

  • Jeroen
    28. August 2013 at 21:42

    Ich war auch sehr enttäuscht von dem Filmchen. Ich finde die Geschichte krude und hässlich. Verkürzt, oberflächlich, und dazu gefühlskalt gefilmt. Kinder totfahren taugt nicht für Witze. Nie, auch nicht mit Herrn H.

  • vk
    29. August 2013 at 00:09

    wow. – waer haette gedacht, dass die fashion crowd so humorlos ist…

    jana, mit den genen hatte der liebe fuehrer dann eben doch nicht ganz unrecht. ich denk das immer, wenn ich mir unsere hunde anschau. 90% ne frage von stamm und zucht.

    lieb hat man sie natuerlich alle, das ist klar.

  • Martin
    29. August 2013 at 09:22

    Gesehen, geschmunzelt, vergessen. Irgendwie nix neues… ohnehin scheint es jetzt „en vouge“ zu sein, provokative Spots(Filmchen) zu derehen (siehe Ferrero). Es ist einfach nur noch gäähn…

  • Siegmar
    29. August 2013 at 11:05

    vk
    was hat das mit den Genen un zu tun, wenn man das Filmchen blöde und überflüssig findet. Es gibt Grenzen und in diesem Fall, sind die für mich überschritten, schlicht und ergreifend ein totgefahrenes Kind und wenn es Hitler sein soll ist für mich zu viel. Wie soll ich den die Aussage verstehen “ besser wäre es gewesen, das H. als Kind schon tot gefahren wurden wäre ?“

  • Daisydora
    29. August 2013 at 11:43

    @Casaficio

    Bierernst nehme ich all das nicht, das nicht total daneben ist. Zusammenhängend gedacht, tut es den Neo-Filmemachern nämlich gar nicht gut, so zu tun, als wäre an deren Abschlussfilm noch etwas anderes als das rein handwerkliche (Kamera und Produktion) wirklich gut. Da bin ich einfach für ein Feedback, das die Branchenrealität abbildet und mit dem Käse kann man auf dem freien Markt keinen Blumentopf gewinnen.

    @vk

    Ich stimme Dir darin zu, dass man an Abschlussfilme von Diplomanden nicht denselben Anspruch stellen kann, wie an die Werke fertiger Filmemacher oder was auch immer. Aber hier geht es darum, das Kalkül der Produzenten sichtbar zu machen … und mir ging es auch darum, festzuhalten, dass weder deren filmische Ästhetik noch die Idee des Verhinderns originär sind.

    Und ob die Fashion Crowd humorlos ist, weiß ich nicht. Auf jeden Fall hätte sie damit recht, den Spot als das zu bezeichnen was er ist: falsch gedacht! und man fährt in Werbespots einfach generell keine Kinder oder Erwachsene platt. DEinen Exkurs zu den Genen verstehe ich nicht.

    @Gerlind Hector

    Du bringst es mit weniger Worten auf den Punkt. Die Masche hat weder Neuigkeitswert noch ist die Idee, das so zu machen, originell und/oder professionell. Das mit „dem Filmchen keine Aufmerksamkeit schenken“, habe ich, wie Du miterlebst, leider nicht geschafft. Ich hatte auch kurz dran gedacht, weiter verfolgen zu wollen, wie sich die Drei beruflich etablieren ….

    @Jana H.

    Ja, der Clip ist eben (fast) so gut gemacht, wie Werbung für irgendwelche Food-Produkte, die vom Land kommen …. aber ist diese Optik irgendwie neu oder besonders künstlerisch? Immerhin sind zwei der Diplomanden angehende Kameraleute. Für mich ist das Ergebnis lediglich sauber gemachte Standardware. Und die Idee ist einfach falsch, nicht originär und aus dem Kalkül eingesetzt, sich schnell über virale Verbreitung einen Namen zu machen.

    Und Du meinst ja wohl das, dass Forensiker und Kollegen eminen, dass jeder von uns unter bestimmten Bedingungen dazu fähig wäre, einen Mord zu beghen … wenn das richtig ist, passt das aber leider auch nicht auf das traurige Phänomen Hitler, das ja nur durch den fatalen Nährboden möglich war.

    @Jeroen

    D’Accord! Alles nur qualvoll originell.

    @Martin

    Das wäre auch für mich kein Aufreger, wenn durch die Multiplikatorfunktion von Youtube und facebook, twitter, etc., nicht der in diesem Falle falsche Eindruck entstanden wäre, das Filmchen ist ja so lustig und Mercedes irgendwie humorlos … Was sicher stimmt, ist das, dass es heute en vogue ist, solche Filmchen zu drehen, um sich damit den Turbo ins Business zu basteln. Das ist ja auch uns Schreibern auf Blogs aus der Branche nicht fremd. Langweilig, genau!

  • vk
    29. August 2013 at 13:50

    im englischen sagt man ‚well-bred‘ – zb ‚a well-bred young man‘ – fuer ‚aus guter familie‘. – woertlich heisst das natuerlich ‚vernuenftig gezuechtet‘ bzw. ‚aus gutem stall‘. der englische begriff transportiert ganz unmittelbar ein verstaendnis von erbanlage, das wir im 1000jaehrigen wahn etwas auf die spitze getrieben hatten und von dem wir uns hernach umso gruendlicher verabschiedeten.
    heute ist allerdings auch wissenschaft wieder der ansicht, dass das schicksal eines menschen deutlich staerker von den genen bestimmt ist als zb von den sternen.

  • Daisydora
    29. August 2013 at 14:11

    @vk

    Der gute Stall, mir nicht eben unbekannt, nützt ja nur dabei, sich wegen der guten Rahmenbedingungen, schneller und besser den Anlagen gemäß, entwickeln zu können. was auch nicht zwingend klappt. das weisst Du!

    Durch Gene ist manches vorbestimmt, aber nichts führt dahin oder so weit, dass es Sinn machte oder gerechtfertigt wäre, schon Kinder abzuurteilen, oder?

  • vk
    29. August 2013 at 14:40

    genau. – und die idee des ‚lebensunwertes leben‘ kommt natuerlich ach nicht von mir oder von den jungs, die diesen film gemacht haben, sondern von den freunden von dem, der dort auf der strasse liegt.

    aber lassen wir das. wir kommen hier nicht zusammen. und das ist auch gut so. freuen wir uns an den unterschieden und an den vielen farben der welt.

  • Jana H.
    29. August 2013 at 17:38

    @Daysidora

    Ja, es ist so gut gemacht wie viele andere Spots, oder? Standart, normal, sauber.

    Und NEIN, ich sage das Wissenschaftler natürlioch forschen was alles vorbestimmt ist, und es ist immer viel mer als uns lieb ist.
    Heute wissen sie das nicht alles oder fast alles mit Umfeld und Lernen zu erklären ist, viel ist einfach genetisch.

    Beispiel von 4 kinder, gleiche Eltern, gleiches Umfeld, das zweite Kind ist einfach ganz anders: sicher kann die Familie etwas dafür, und das Kind kann lernen, aber es neigt dazu weil es GENETISCH ist, fact.

  • Jana H.
    29. August 2013 at 17:39

    Ah, und nein, natürlich können wir nicht schon Kinder einfach aussortieren, wie es die Deutschen Schulen machen, oder? Blödes System.

    Jana H.

  • Daisydora
    30. August 2013 at 12:55

    @vk

    Das sehe ich auch so. Der Bericht sollte ja nicht gegen eine Meinungsvielfalt anschreiben, mir reicht es schon, wenn ich hier feststellen kann, was Käse ist und sich als großer Wurf ausgibt 😉

    @Jana H.

    Genau, aber ich habe da ehrlich gesagt auch wenig Vergleiche, weil ich nicht regelmäßig in solche Diplom Kurzfilme reinschaue …

    Zu unseren Gencodes: Es ist ebenso erstaunlich, wie sehr jeder durch das richtige Umfeld, eigenen Willen und anderes sich über Widrigkeiten zu erheben vermag, wie es eien Tatsache ist, dass es diese Ungerechtigkeit gibt, der zu Folge manche eben mehr Glück haben als andere mit ihrer Veranlagung, dem Umfeld und so weiter.

    Ansonsten bin ich auch regelmäßig fasziniert davon, wenn mal wieder ein forensischer Kriminologe, Wissenschaftler und so weiter darüber berichtet, wie nahe der ganz normale Mensch am Bösen entlangwandelt …

    Und darüber, dass Du richtigerweise darauf hingewiesen hast, wie falsch es ist, Kinder aufgrund welcher Wahrnehmungen auch immer frühzeitig auszusortieren und ihnen damit das Leben auf lange oder immer zu erschweren, bin ich sehr froh. Dankeschön 🙂 das ist sooooooooooooooo richtig und wichtig!!!