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Benetton wirbt mit Flüchtlingen

(Benetton-Store in Barcelona; Foto: Benetton Group)

Der Großteil der Leser wird sich erinnern: Anfang der 90er-Jahre veröffentlichte der Modekonzern Benetton ein Kampagnenfoto eines Mannes, wie er auf dem Sterbebett liegt. David Kirby, so der Name des Mannes, trug keinen Pulli von Benetton, auch kein Mitglied seiner Familie, die ihn in dieser Phase seines Lebens begleiteten, trugen nichts von dieser Firma, und doch steht unten rechts „United Colors of Benetton“.
Es ist ein bewegendes Bild, das sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt hat.

Es ist sicher auch ein geschmackloses Bild, zumindest wenn man es als reine Werbung betrachtet. Aber dafür war es gar nicht gedacht. Es erschien mit Hinweis auf die AIDS-Erkrankung Kirbys im LIFE Magazine – ohne Benetton-Claim. Wenige Monate später wurde es auf einer Austellung gezeigt. Der Fotograf Oliviero Toscani sah das Bild und spürte die Macht des Fotos: Es bewegte ihn. Toscani kaufte die Rechte des Bildes – fotografiert hatte es Therese Frare – und fortan machte David Kirby, mittlerweile verstorben, Werbung für Benetton. Gefragt wurde er naturgemäß nicht.

Die Anzeigen – es gab noch andere Motive, die allesamt eint, mit Schockmomenten zu spielen – wurden rauf und runter diskutiert und teilweise auch boykottiert. Das ist alles lange her und irgendwie schon fast vergessen, würde Benetton nicht erneut mit ungewohnten Bildern Werbung macht: Die Fotos zeigen Flüchtlinge, die im Mittelmeer gerettet wurden – aufgenommen während eines Rettungseinsatzes von SOS Méditerranée. Die Organisation kritisiert die Kampagne scharf: „Die menschliche Tragödie im Mittelmeer darf niemals für kommerzielle Zwecke benutzt werden.“

Ich kann die Empörung verstehen, wenngleich ich mich selber frage, warum ich eigentlich die Bilder irgendwie unpassend finde? Heißt es nicht auch, dass Werbung politischer werden sollte? Fühlt man sich als Betrachter der Bilder vielleicht bei dem Versuch ertappt, Themen, die uns alle angehen, die aber unangenehm sind, zu verdrängen? Ist es vielleicht sogar sinnvoll, immer wieder Salz in die Wunden zu streuen, egal wo und egal in welchem Kontext?
Oder aber ist die Benetton-Kampagne der durchschaubare Versuch, wieder in die Schlagzeilen zu kommen? Schließlich haben sich die Zeiten geändert – damals, als Benetton mit dem Foto von David Kirby für Diskussion sorgte, gab es kein Internet. Heute vergeht kein Tag, an dem man nicht 1:1 mit dem Leid der Welt konfrontiert wird – sollten Werbung also weniger politischer, sondern eher schöner werden? Heile Welt to go?

  • vk
    21. Juni 2018 at 15:56

    klar. der kontext ist ein anderer. und jetzt ist es vor allem ein italienisch innenpolitisches statement.

  • fred
    22. Juni 2018 at 10:00

    Das Problem ist, dass es durch die Farben und die „leckeren“ farbigen Männer aussieht, als würden sie auf dem Boot einen Gang-Bang machen. Was vor 25 jahren funktioniert hat, funktioniert heute nicht mehr unbedingt. Vielleicht reicht einfach ein Bild nicht mehr aus. Um konkret ein Statement zu liefern, müsste noch was dabei stehen, das ins Auge sticht und die Aussage untermauert. Ein Bild alleine löst keinen Schock mehr aus. So wie es sich gibt, sieht es eher aus, wie die Anfangssequenz zu einem speziellen Bukkake-Video. Politische Werbung ist gut und sinnvoll. Aber es geht darum, wie man sie heute vermittelt. Wir sind eben nicht mehr 1992.