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Alessandro Michele für Gucci Pre-Fall Collection 2016

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Bild: Ari Marcopoulos

Kein Designer scheint so vor Ideen zu sprudeln wie Alessandro Michele – just wurde seine Womens Pre-Fall Collection 2016 in Mailand vorgestellt. Mit dem immensen Umfang von 80 Looks begibt sich Michele auf die Spuren von Altmeister Lagerfeld, der seine Kollektionen auch immer in diesem Umfang präsentiert – im Gegensatz zu den anderen Häusern, deren Energie meist schon nach weit weniger Durchgängen verpufft zu sein scheint. Michele zeigt allerdings für diese – für den Verkauf wichtige – Kollektion keine Schau, sondern lediglich ein Lookbook. Inszeniert wurden die Bilder von Ari Marcopoulos in typisch römischer Manier in einem Palazzo, der, wie Michele es nennt, „pompejanisch“ dekoriert ist. Die Fresken der im Jahre 79 nach Christus durch den Vulkanausbruch des Vesuvs untergegangenen und im 18. Jahrhundert wiederentdeckten Stadt, prägten die italienische Kunst sehr und faszinieren den Gucci-Designer.
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Bild: Ari Marcopoulos

Für die Entwürfe zündete Michele ein Feuerwerk an Kreativität und Opulenz, das nicht nur seine bisherigen Kollektionen fortsetzt, sondern auch noch mal den Spirit, den er seit Anfang des Jahres Gucci einflößt, um ein Vielfaches potenziert. Neben den Gucci-Codes, wie dem farbigen Webstreifen, den Pferdemotiven oder den ineinandergreifenden G’s, dem Monogramm und dem Floramotiv, hat er binnen kürzester Zeit eine eigene DNA geschaffen, die komplett mit der Marke d’accord geht. Seine römische Schlange, die Zickzackmuster, die das Haus Roberta di Camerino zitieren, die Toile-de-Jouy, seine Fortuny-Plissees und vieles andere mehr. Es ist wie eine Reise durch die Modegeschichte mit Hommagen an Yves Saint Laurent mit seinen Reminiszenzen an Sonne, Mond und Sterne, an die Kollektionen vom Anfang der Achtziger Jahre bis zu Ossie-Clark-Kleidern der Sechziger. Sein „Schulmädchen goes Hippie“- und Vintage-Stil lässt in jedem Outfit unzählige Details und liebevoll versteckte Akzente entdecken.
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Bild: Ari Marcopoulos

Als hätte man den Fundus des berühmten Kostümausstatters Tirelli in Rom geplündert, der für Visconti und Bertolucci die Sets ausstattete, scheint es kein Teil zu geben, das sich der Schlichtheit unterwirft. Abendkleider in Chiffon im Stil der Siebziger Jahre erzählen die Geschichte der Callas bei Konzertauftritten, die Tiger- und Katzenpullover wirken wie eine Hommage an die kürzlich verstorbene Mariuccia Mandelli von Krizia, einst eines der berühmtesten Labels der italienischen Mode …
Baseballblousons in Satin, bestickt mit floralen oder tierischen Motiven, gehören schon zu Micheles Klassikern und werden im Lookbook zu Plisseeröcken und langen Kleidern kombiniert – Sportlichkeit und Eleganz immer gegeneinander gesetzt. Die Accessoires lassen hingegen Erinnerungen an England des ausgehenden Fin de Siècle wach werden: Häkelbaskenmützen, gestrickte Fausthandschuhe, viele Ringe, Stoffblüten und große Brillen.
Spitze, Stickereien und Applikationen werden im Übermaß verwendet. Auch die bereits zum Kult avancierte „Dionysos“-Tasche gibt es in den Varianten eines ganzen Zoos, dazu noch mit Herzen und Kussmündern – das ist wiederum etwas, das Michele seinem Modegott Saint Laurent zu verdanken hat.
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Bild: Ari Marcopoulos

Filme scheinen in Alessandros Kopf permanent abzulaufen: Es gibt Looks, die an „Frenzy“ von Hitchcock erinnern und Zitate aus dem Charles Bronson-Film „Der Mann, der aus der Kälte kam“. Männersachen der jetzigen Croisière und Sommerkollektion wandern mit anderer Farbgebung im nächsten Herbst in die Damenkollektion und geben dem Gucci-Fan die Gelegenheit, die eigenen Looks Saison für Saison zu ergänzen.
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Bild: Ari Marcopoulos

Die Mode von Alessandro Michele spaltet die Modewelt in zwei Hälften: Für die einen ist es endlich wieder eine Inspiration und eine Offenbarung im allzu ähnlich gewordenen Einerlei der Kollektionen. Die Gegenseite wirft ihm hingegen „Sammelsurium“ und „Mottenkiste“ vor. Wer aber genauer hinguckt, erahnt die weitreichende Philosophie und die Bildung von Michele. Selbst jedes Detail im Laden ist liebevoll und voller Hingabe mit Respekt zum Handwerk erdacht. Man möchte nicht nur die Mode haben – die Kleider laden auf Dutzenden verschiedener Bügel zum Entdecken ein. Die Schmuckbüsten sind handbemalt oder mit Samt überzogen und in typischen Theaterfarben gehalten. Die Schuhspanner sind alle verschieden und mit Nieten besetzt. Wie bei einem Kostümfest, zu dem man eingeladen ist, wirken die Auslagen, aus denen man sich sein Lieblingsteil für die Rolle seines Lebens aussuchen darf. Michele hat es geschafft, das auch ein Monostore zum Erlebnis wird. Das Mosaik von übereinandergelegten Vintage-Orientteppichen beeinflusst bereits jetzt die Interieurszene.
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Bild: Ari Marcopoulos

Die ungeheure Verspieltheit spricht uns in unserer Zeit so ungeheuer an, weil sie die Eleganz und die Aufbruchsstimmung in der Mode zurückbringt, die in Frankreich und Italien Ende der Sechziger und in den Siebziger Jahren herrschte. Alles, was schon einmal Glamour versprach, scheint bei Gucci erlaubt zu sein. Hollywoodstar-Glamour, die Rive-Gauche-Frau, die Achtziger und das alles, als wäre sie in einen viktorianischen Regen aus Spitze, floralen Stickereien und den Farben des 19. Jahrhunderts und der Hippiezeit gekommen. Ein Spagat, den der Designer mit bravouröser Hand und admirabler Sicherheit bewerkstelligt. Michele ist genial und traut sich Dinge, die sich aktuell keiner traut, weil er scheinbar keine Angst vor der Kritik der Individualität hat. Für den Designer ist das die Chance, dem Mainstream der meisten Luxusmarken zu entkommen und ein völlig eigenes Statement zu setzen.
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Bild: Ari Marcopoulos

Alessandro Michele ist es wahrlich ein weiteres Mal voll gelungen, ein Statement zu setzen. Die Bildauswahl war schwer wie nie. Am liebsten hätte ich alle 80 Bilder von Ari Marcopoulos gezeigt, denn jeder Look und jedes Detail des Sets öffnet wiederum die Neugier auf die Welt, die dahinter liegt. Das Erzählen von mehreren Geschichten und die Vermischung in jedem einzelnen Stück ist bei Michele wie ein gutes Buch, das in jedem Satz die Türen für neue Fragen und neue Thematiken öffnet …
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Bild: Ari Marcopoulos

Eine starke Kollektion, die es zu entdecken und decodieren lohnt und die ein einziges Fest für die Sinne und voller „Must-haves“ ist.
Es scheint mit Alessandro Michele jemanden zu geben, der Mode auch als ganzheitliche Verbindung von Kulturen sieht. Etwas, was man sonst eindeutig Karl Lagerfeld zuordnen kann und in der Generation von Michele ausgestorben zu sein scheint. Es geht bei ihm wieder um Kultur, Zugehörigkeit und Bildung – also etwas, das in den letzten Jahren auf der Strecke geblieben ist und das in vielen Firmen auf Kosten schneller Verkäufe getötet wurde.
Bei Gucci hat man sich entschieden, gegen den Strom zu schwimmen. Das ist nicht immer leicht, bringt die Welt aber weiter und macht einen unabhängig. Die Rolle des Vorreiters hat Gucci längst zurück – und das in unheimlich kurzer Zeit, weil sich Alessandro Michele zu den Werten bekennt, die mancher für altmodisch hält. Werte, die genau die Eigenschaften eines führenden Luxuslabels entsprechen.

Hier Impressionen aus der Pre-Fall 2016 – ein Fest für die Sinne!
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Bild: Ari Marcopoulos
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Bild: Ari Marcopoulos
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Bild: Ari Marcopoulos
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Bild: Ari Marcopoulos
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Bild: Ari Marcopoulos
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Bild: Ari Marcopoulos

  • Markus
    11. Dezember 2015 at 14:13

    G E N I A L

  • blomquist
    13. Dezember 2015 at 12:34

    So so toll!

  • Siegmar
    14. Dezember 2015 at 15:24

    klasse und besonders, ein ganz neues Gucci-Gefühl