News

Versace ohne Versace

No one can do Versace better than Versace. Erwartung lag in der Luft wie ein schweres Parfum – und verflog ebenso schnell. Denn was Dario Vitale in seiner ersten Versace-Kollektion präsentierte (hier findet sich ein kleiner Eindruck), war nicht das große Comeback eines Modehauses im goldenen Exzess – sondern der kontrollierte Rückzug in die modische Selbstfindung.
Statt Goldkettendruck und Medusa-Kult gab es zurückgenommene Schnitte, zerschlissene Kanten, einen Hauch von 80er-Zitaten – und sonst? Viel Luft nach oben. Keine Greca, kein Barocco, kein Glamour-Overkill.

Leider wirken einige Looks wie ein Moodboard, das sich nicht entscheiden kann: ein bisschen Gianni, ein bisschen Gegenwart, ein bisschen Nebel. Hautenge Kleider, ja – aber ohne die typische Versace-Selbstgewissheit. Stattdessen ein Gefühl des Unfertigsein. Kanten, die nicht enden wollen. Silhouetten, die zu wissen scheinen, dass sie mal etwas waren – aber nicht mehr wissen, was.
Vitale versuchte offenbar, die Marke neu zu erzählen – mit mehr Intellekt als Instinkt. Aber bei Versace erwartet man kein Flüstern, sondern ein Donnerschlag. Man will nicht rätseln, man will raunen. Man will Kleider, die schreien – nicht solche, die sich dafür entschuldigen, existieren zu dürfen.

Fazit: Schön gedacht, aber nicht Versace. Was bleibt, ist ein Versuch, das Haus zu „veredeln“, aufzuladen mit Tiefe. Nur war Versace nie eine Marke für Tiefe. Es war immer Oberfläche – aber eben mit maximaler Wirkung. Wenn man das austreibt, bleibt nur ein Schatten dessen, was diese Marke einst war.
Vitale hat viel Mut bewiesen – doch der Mut, Versace nicht zu sein, ist kein modischer Fortschritt. Es ist eine riskante Absage an alles, was die Marke groß gemacht hat.