Auch Genies fingen mal klein an. Als Karl Lagerfeld noch Stilist für verschiedene Firmen war (ist er ja heute eigentlich auch noch, nur in anderem Umfang) bekam er von seinen Eltern etwas Geld, weil diese, nachdem sie ihre Villa samt Inhalt versteigert hatten, nach Baden Baden zogen. Er bekam von ihnen das Kapital um einen kleinen Laden aufzumachen. Leerstehende Räume fand er in der Rue de Lille. Dort bot er einen Mix von allem an, was ihm selbst gefiel: Taschen, Gürtel, Handschuhe, Parfüm, Sonnenbrillen – nur keine Kleider, dafür aber die ersten Bücher.
Der kleine Laden gilt als ein Tipp für Insider, nach dem Motto „Wer sucht der findet“. Irgendwann taucht hier Helmut Newton auf: der vor den Nazis geflüchtete Berliner kommt aus Australien nach Paris und schlägt hier seine Zelte auf. Er photographiert im Auftrag der australischen Vogue, bald entdeckt ihn auch die französische Vogue, Elle, Jardin des Modes und die Marie Claire.
Schnell freunden sich die beiden an und Karls erste Kleider und Kollektionen für Chloé werden von Helmut auf die Titelseiten der Modegazetten gebracht. Er forciert Karl in den Redaktionen. Auf der Liste von Karls Freunden steht Helmut mit an erster Stelle. Sie arbeiten ständig zusammen und die Jahre vergehen.
Neben ihm gehören später Antonio López, Donna Jordan, dass spindeldürre Model Eija Vehka und seine große Liebe Jacques de Bascher zur Lagerfeld Clique. Karl trägt gern einen Vollbart, der in einer aufwendigen Prozedur bei Carita gepflegt wird, Monokel wie in den zwanziger Jahren und das Parfüm „Narcisse Noir“ von Caron. Er sieht exzentrisch aber zum Niederknien individuell aus, empfängt gern im Café Flore wo er zeichnet und laut Florentine Pabst im Stern stehend, Frankfurter Würstchen und dazu Blutorangensaft bestellt.
Helmut Newton revolutioniert in dieser Zeit das Bild der Frau in der Modephotographie. Mehr Puppe als lebendes Wesen soll sie sein. Seine knabenhaft, hageren Models postiert er in Hotellobbys oder Bars, schickt sie nachts über leere Straßen. Meist sind es zwei Frauen die mit Pelz- oder Regenlackmantel als „böse Mädchen“ ihre Spielchen treiben.
Meisterhaft versteht es Newton, in einem einzigen Bild ganze Geschichten zu erzählen. Eine Mischung aus Verruchtheit, Sex, Mode und Luxus machen seinen Stil so einzigartig.
Als Photograph ist Newton auch an Männern interessiert und so macht er im Sommer in Saint Tropez mit Karl Aufnahmen am Strand. Im schwarzen Body, der schon von weitem auffällt. Karls Körper ist wohlgeformt. Alle drehen sich nach ihm um. Die Frauen mit schmachtendem Blick, manche Männer seufzen sehnsüchtig. Newton macht viele Bilder von einer fröhlichen Siebziger Clique die mitgekommen ist, um die Ferien zu verbringen, um zu feiern und den Sommer zu genießen. Antonio und der Dressmann Juan Ramos, Jacques de Bascher, Karls Make Up Artist Corey Tippin.
Helmut Newtons Bilder von Karl finde ich immer noch wunderbar – sie erzählen aus einer sicherlich sehr glücklichen Zeit, die voller Freundschaften, Spaß und voller Leichtigkeit war. Und sie erzählen von kongenialen Kombinationen: Helmut Newton war einer der genialsten Modephotographen überhaupt, die Clique ist inspirierend wie die Factory und Karl Lagerfeld auf dem Weg der berühmteste Modeschöpfer der Welt zu werden – und heute ist er es, nur nicht mehr im schwarzen Body – dafür aber mit anderem, unvergleichbarem Look.
thomas
23. Juli 2012 at 11:00Lagerfeld war tatsächlich mal recht ansehnlich 😉
Monsieur_Didier
23. Juli 2012 at 11:50…irgendwie unglaublich, dass der Mensch von den Bildern ob mit dem Menschen identisch ist, den man heute „im Kopf“ hat…
Annemarie
23. Juli 2012 at 11:56Danke für den informativen Artikel. Beim ersten Bild musste ich spontan denken, dass der junge Karl mit seiner Gesichtsbehaarung trendmäßig heutzutage „ganz vorne mit dabei wäre“ 😉
Siegmar
23. Juli 2012 at 12:36sehr, sehr schöne Artikel und Lagerfeld war tatsächlich atraktiv und wäre heute sicherlich, wie Anemarie bemerkte, wieder sehr en vogue. Diwe Fotos von Newton gefallen mir, sonst mag ich eigentlich “ Newton “ nicht so.
Horst
23. Juli 2012 at 13:16… vermutlich hat Lagerfeld schon vor 40 jahren den Trend gesetzt und erst jetzt setzt er sich durch! 🙂 Den Badeanzug find ich aber trotzdem grenzwertig – Lagerfeld hin oder her…. 😉
Schöner Beitrag
Monsieur_Didier
23. Juli 2012 at 13:42…ich finde Männerbadeanzüge großartig…
wenn man sie tragen kann so wie oben auf dem Foto dann erst recht …!
Horst
23. Juli 2012 at 13:54er kann den sicher gut tragen, aber chic finde ich es nicht. Bin eher Fan von Badeshorts – Villebriquin, Orlebar Brown etc…. 🙂
Monsieur_Didier
23. Juli 2012 at 13:58…ich kann beides nicht tragen, insofern stellt sich die Frage für mich nicht 😀
Ulrike Teterycz
23. Juli 2012 at 21:51Männerbadeanzüge, ja genau, jetzt weiß ich auch wieder was ich schon lange vermisste ohne es mir bewusst zu machen.
Bei diesem Bericht fallt mir ein, dass es schön wäre, noch unbekannte Bilder von Antonio und Karl Lagerfeld zusehen.