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Peter’s Cuttings – Nan Kempner forever

Es gibt Menschen, die praktisch dem Synonym entsprechen, das sie tragen und wenn man den amerikanischen Begriff Society-Lady hört, muss man unweigerlich als erstes an sie denken: Nan Kempner.
Sie bildete eine der Stützen der amerikanischen Gesellschaft und der französischen Haute Couture der letzten fünfzig Jahre. Ihre Kleiderschränke sind legendär (siehe Abbildungen unten) und sie bestellte im Laufe ihres Lebens mehr als 1000 Couture Modelle.
Ihr absoluter Liebling war dabei Yves Saint Laurent, den sie schon bei Dior kennen und lieben lernte und bei dem sie aus jeder Kollektion – seit seiner Gründung 1962 – kräftig bestellte. Daneben hatte sie ein ähnliches Faible für Valentino, mit dem sie auch eine lange Freundschaft verband. Nebenbei versorgte sie aber auch die Häuser Givenchy, Scherrer und Balenciaga mit Orders. Die Saint Laurent Modelle, 300 an der Zahl, wurden nach ihrem Tod – im Alter von 74 Jahren – im Jahr 2005 der Fondation Pierre Bergé und Yves Saint Laurent in Paris und dem Metropolitain Museum in New York vermacht und zierten dort schon eigene Retrospektiven, die dem Wirken der Stilikone gewidmet waren.

Nan Kempner vereinigte alle Klischees einer Gesellschaftsfrau, hatte dabei aber wenigstens Sarkasmus und Humor. Geboren in San Francisco, stand sie aber stets als Gallionsfigur der New Yorker Gesellschaft im Rampenlicht. Sie war der Inbegriff des Ausspruches der Herzogin von Windsor „Man kann niemals reich und dünn genug sein“ und sie ging auch von einem Schönheitschirurgen zum anderen, lange bevor dies zu einem Massentrend wurde. Angeblich musste sie ständig abnehmen, wie die Legende sagt, weil sie die Vorführmodelle von den Couturiers nach der Saison minus dreißig Prozent bekam. Dies war aber auf Grund ihres üppigen Kontostandes nicht nötig.
Sie arbeitete natürlich nicht des Geldes wegen und konnte deswegen solch klangvolle Posten wie „Special Consultant“ für Christie’s in New York bekleiden oder widmete sich natürlich unaufhörlich Charity-Aufgaben wie unkonventionellen Nudelessen in ihrem riesen Appartement in der Park Avenue auf der Höhe der 79. Straße. Ausgestattet mit den Inhalten von etwa drei Füllungen der Home-, Cristal- und Porcelain-Departments von Bergdorf Goodmann.

Keine wichtige Modenschau wurde in Europa ausgelassen – Natürlich ausschließlich Haute Couture. Modelle der Prêt à Porter wurden lediglich fürs Land oder den Hundespaziergang gekauft. Das Budget für ihr kostspieliges, repräsentatives Leben hatte sie ihrem Mann Thomas Kempner zu verdanken, der einer der führenden Investmentbanker der Vereinigten Staaten war.

Tom Wolfe, Kultautor des New York der Achtzigerjahre und mit seinem Roman „Fegefeuer der Eitelkeiten“ zu Weltruhm gelangt, machte sie zu einer seiner Romanfigur-Vorlagen. Er nannte sie X-Ray (Röntgen-Figur), weil sie so dünn wie ein Röntgenbild war. Sie rauchte Kette gegen den Hunger, auch, als sie schon vom Krebs gezeichnet war. Ihre Besessenheit, so schlank wie die Models zu sein, um in die Kreationen ihres Liebling Couturiers zu passen, hatte vor allem Vorrang. Überflüssig zu erwähnen, das sie natürlich auch in der legendären Blacklama-Pelz-Kampagne zu sehen war.

Sicherlich hat sich das Bild der jüngeren Generation von amerikanischen Ladys ein bisschen verändert, aber ein Großteil der Park-Avenue-Society lebt so oder wenigstens ungefähr nach diesem Bild, auch wenn wir das Jahr 2012 haben. Allerdings sind die exzessiv vollen Kleiderschränke heute nicht ausschließlich mit den Werken von ein oder zwei Couturiers gefüllt .

Nan Kempner ist und bleibt das Synonym einer Generation, die die Couturiers ernährte und den Löwenanteil des Umsatzes machte. Heute kommen die kleinen Nachfahren dieser Kaufbombe eher aus Russland, China oder Indien. Das Order-Volumen einer Nan Kempner schafft aber niemand. Sie ist und bleibt die Gallions-Figur und das schillernde Ebenbild der Society Queen. Und ihr Vermächtnis ist die gekaufte und konsumierte Modegeschichte der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, das die Depots des Metropolitain Museums füllt und uns immer von Stil und Glamour einer Modeepoche künden wird.
Das Phänomen Nan Kempner ließ sich im Eva-Kostüm beerdigen … vielleicht, weil sie sich nicht entscheiden konnte. Das hätte bei den vielen Kleidern ja weiß Gott nicht Not getan. Aber vielleicht, wenn man im Leben alles hat, will man im Tod keinen Ballast von Besitz haben.
God bless you, Nan!!

Bilder via Fashionversusart; apartmenttherapy, www.metmuseum.org; Decadent old Bitches

  • CACANITO
    12. März 2012 at 10:49

    Eigentlich hasse ich es lange Texte auf Blog´s zu lesen da der Großteil eh nur Müll ist…
    Komischerweise hab ich hier immer das Gefühl -> Warum hören die auf zu schreiben 🙂

    ein toller Post <3

  • Frühlingskind
    12. März 2012 at 10:58

    Wirklich ein interessanter und fundierter Artikel. Ich bin begeistert. Herzlichen Dank dafür.

  • peter
    12. März 2012 at 11:59

    @cacanito
    das ist aber ein wunderschönes kompliment tausend dank!!!

  • siegmarberlin
    12. März 2012 at 13:16

    sehr interessanter Artikel, grossartig geschrieben über eine grosse Dame der New Yorker Gesellschaft.