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Peter’s Cuttings – Christian Bérard

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Boris Kochno: „Christian Bérard“; Herscher Verlag Paris

„Alles im Leben entsteht durch Inspiration“ ist eines meiner Grundsätze und es gibt Schlüsselfiguren in meinem Leben, die dafür stehen, ganze Welten geöffnet zu haben und immer wieder neue Anstöße geben, Neues zu entdecken.
Bei einem meiner ersten Aufenthalte in Paris entdeckte ich in der Rue de Seine eine kleine Galerie, in der Aquarelle und Zeichnungen hingen, die mit leichtem Strich wunderbare Kleider der 30er Jahre in wenigen Umrissen zeigten und sofort mein Herz eroberten. Sie waren von einem Mann, der in Paris 1902 geboren war und schon 1949 dort gestorben ist. Sie waren von Christian Bérard, genannt Bébé. Er wurde zwar nur 47 Jahre alt, aber es gab keinen Namen aus der Welt des Stils dieser Zeit, mit dem er nicht verbunden war.

Eigentlich war er so etwas wie ein Allroundtalent: obwohl er sich eigentlich als Maler sah, hatte er ungeheuren Einfluss oder war gar an der Dekorativa seiner Zeit beteiligt. Das lag an Christian Bérards Freundeskreis, der mit heutigen Augen betrachtet für die Zeit schon ein modernes und bohèmehaftes Leben führte.

Bérard wohnte mit seinem Freund und Lebenspartner Boris Kochno (kleines Bild), einem Exil-Russen, der vorher mit dem russischen Jahrhundert Ballett-120px-Boris_KochnoImpresario Serge de Diaghilev zusammen gewesen war. Sie wohnten in einer bezaubernden Wohnung und gehörten einer Gruppe von Freunden an, zu denen die Gebrüder Giacometti, Jean-Michel Frank, Jean Cocteau und der Komponist Georges Auric gehörten.
Für Jean-Michel Franks legendäre Interieur-Aufträge schuf er die Designs von Teppichen, Paravents, Bezugsstoffen und malte auch ganze Räume aus. Das Stammhaus von Guerlain, für das Frank die Konzeption schuf, hat heute noch Bérards Decor.
Überhaupt galt seine Liebe der Dichtung und dem Theater und eines seiner bekanntesten Projekte blieb sicherlich bis heute das Kostümbild für den Film „Die Schöne und das Biest“, der 1946 von Jean Cocteau mit Jean Marais in der Hauptrolle gedreht wurde.
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„La Belle et la Bête“ (Die Schöne und das Biest), 1946 von Jean Cocteau; Kostümbild: Christian Bérard

Buchillustrationen, Theaterkulissen, aber auch Kleider- und Accessoires-Entwürfe für seine Freundinnen Coco Chanel und Elsa Schiaparelli – Bérard prägte die 30er Jahre in Paris in allen Bereichen mit.

Durch Coco Chanel lernte er die amerikanischen Harper’s Bazaar Chefinnen Carmel Snow und Diana Vreeland kennen und illustrierte die Kollektionen der „Paris Openings“ für die damals legendären Ausgaben des Magazins.
Poetische Aquarelle, die oft wie Plakate wirkten und einen völlig eigenständigen, erkennbaren Stil haben.
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Elsa Schiaparelli – Circus Collektion; Illustration: Christian Bérard, 1938 für Vogue

Die Vorkriegs-Ausgaben von Harper’s und Vogue setzen zu einem großen Teil auf die Fashion-Illustration und viele berühmte Künstler zeichneten die Pariser Kollektionen. Eine der berühmtesten Strecken von Bérard ist die 1938 von Elsa Schiaparelli entworfene Circus Collektion in der Trapez Künstler schwingen, Clowns in der Manege mit Rollschuhen fahren und Pferde ihre Kunststücke vorführen.
Zufällig fand ich damals bei einem Bouquinisten genau diese Ausgabe – schon hatte ich meine zweite Begegnung mit Christian Bérard.

Seine Bilder und Zeichnungen wirken bis heute auf mich so träumerisch und haben auch immer etwas von Intimität. Sie sind nie groß oder monumental, eher skizzenhaft und leicht. Trotz vieler Gemälde und Porträts, die er erschuf, bleibt er doch mehr als Illustrator im Gedächtnis. Seine Verbindung zur Mode hat diesen Eindruck natürlich noch verstärkt.

Bérard, immer begleitet von seinem kleinen Hund, war eine außergewöhnliche Erscheinung, nicht im eigentlichen Sinne als ’schön‘ zu bezeichnen, manchmal fast ungepflegt wirkend, aber immer diese kindliche Sehnsucht in seinem Blick habend – er hatte eine phantastische Phantasie.

Mit seinem Freund Boris Kochno gründete er nach dem Krieg das „Les Ballets des Champs-Élysées“ und starb dann 1949 unerwartet bei den Vorbereitungen eines Theater-Decors auf der Bühne des Théâtre de Marigny.

Kochno hat eine großartigen Bildband als Memento für seinen Freund herausgegeben, der das Werk von Christian Bérard hervorragend wiedergibt.
Glücklicherweise hat ihn die „Edition Herscher“ vor ein paar Jahren wiederaufgelegt und ich kann ihn nur empfehlen – er kann der Schlüssel für viele Inspirationen sein, aber eins macht er auf jeden Fall: er lädt er zum Träumen ein.

  • Horst
    11. Februar 2013 at 10:58

    Wirklich ein guter Tipp, die Bilder von ihm sind wirklich schön!!!

  • Siegmar
    11. Februar 2013 at 11:35

    man muß ja nur die Namen lesen, um zu träumen, was für ein gelungener Artikel, danke!

  • blomquist
    11. Februar 2013 at 13:19

    und wieder habe ich was gelernt!
    Vielen Dank!

  • Monsieur_Didier
    11. Februar 2013 at 19:26

    …ein toller Artikel, danke Peter…!

    …und von den Kostümen aus “La Belle et la Bête” war ich schon als Kind fasziniert…
    traumhaft, im wahrsten Sinne des Wortes…