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Peter’s Cuttings – Alexey Brodovitch


Alexey Brodovitch und Richard Avedon, 1958; Bild via

Der Mann, der die Bewegung in die Mode brachte, war Alexey Brodovitch. Nicht nur allmächtige Chefredakteurinnen und super gute Redakteure sind von Nöten gewesen um Modemagazine wie Vogue oder Harper’s Bazaar berühmt und tonangebend zu machen, sondern auch die Art Direktoren und Style Editor waren ausschlaggebend.

Idealerweise hat man natürlich alles und dazu noch die besten Photographen und Autoren. Als ich neulichst ein Photo von Alexey Brodovitch sah, unter ihm ausgebreitet das Layout für eine Harper’s Bazaar Ausgabe von 1954, dachte ich das ich meinen Augen nicht traue: Jedes Layout ein Meisterwerk und die Photos längst hochbezahlte Klassiker von den besten Photographen ihrer Zeit: Henri Cartier-Bresson, Richard Avedon, Irving Penn und Lilian Bassmann. Illustratoren wie Marcel Vertès und Christian Bérard umrandeten die Layouts oder steuerten gleich ganze Strecken bei.
Jede Doppelseite schien akribisch konstruiert zu sein und wirkte trotzdem wie in Bewegung. Alles hatte eine umwerfende Dynamik und so gar nichts mit der Ästhetik der Modephotographie zu tun, die eher statisch wirkte in den dreißiger Jahren. Zudem gab es einen gewaltigen Unterschied zur Stilistik der Vogue dieser Zeit, die sich die Eleganz und Extravaganz auf die Fahne geschrieben hatte. Die Harper’s Strecken wirkten sportlicher und moderner, strahlten sogar eine für die Zeit ungewöhnliche Lässigkeit aus. Natürlich nicht so wie heute, aber beide Medien unterschieden sich grundlegend.

Harper’s Bazaar Cover April (links) und Juli (rechts) 1956; Courtesy Harper’s Bazaar

Den Schlüssel zu dieser Ästhetik fand Alexey Brodovitch, der kongenial zu Carmel Snow und Diana Vreeland für den Auftritt und die graphische Gestaltung von Harper’s Bazaar 24 Jahre von 1934 bis 1958 tätig war. Er entwickelte nicht nur völlig neue Typographie und schnitt Photos unkonventionell an, sondern sorgte auch dafür, dass junge, von ihm verpflichtete Photographen einen total anderen Stil entwickelten.

Harper’s Bazaar Cover Oktober 1947 (links) und April (rechts) 1946; Courtesy Harper’s Bazaar

1898 in Russland geboren arbeitete er zunächst in Paris als Plakatmaler, nachdem er dort hin 1920 vor den Bolschewiki emigriert war. In Russland hatte er Buchgestalter gelernt und in Paris wohnte er in einem kleinen Apartment in Montparnasse, lernte Chagall und Archipenko kennen, die ihm einen Job als Kulissenmaler bei den berühmten „Ballets Russes“ von Serge Diaghilew vermittelten. Von der Welt der Bewegung und dem radikalen Avantgardismus der Ballets Russes war er sofort begeistert und zeitlebens beeinflusste ihn diese Zeit rasant.

Harper’s Bazaar Layouts von Alexey Brodovitch

In Paris kamen alle Einflüsse der Moderne zusammen und Brodovitch lernte den Dadaismus kennen, den Surrealismus, die Einflüsse des Bauhauses aus Deutschland und den Konstruktivismus. Es war eine Zeit des radikalen Umbruchs und der totalen Neusicht von Aestethik.
1934 engagierte ihn der Art Directors Club of America, um in New York im Rockefeller Center die dreizehnte Jahresausstellung des Art Directors Club zu machen. Dort entdeckte ihn die legendäre Carmel Snow, weil ihr der Gegensatz von Purismus und die Kontraste von Brodovitch in seinen Arbeiten so gefielen.
Brodovitch krempelte die Aufteilung und die Gestaltung des Heftes total um. Die Photographen mussten die Models nicht mehr statisch ablichten, sondern die Mädchen mussten laufen und sich bewegen. Alles sollte aus der Bewegung kommen wie im Tanz. Auch die Typologie sollte sich bewegen – So erscheinen manche Textblöcke als seien sie direkt der Compagnie von Martha Graham im Ausdruckstanz entstiegen. Alles hat Rhythmus und Gegenbewegung. Er cuttete als erster aus Photos und präsentierte Produkte auf weißem Untergrund – was heute als Freisteller bekannt ist. Er probierte alles das aus, was andere Fashion Magazine nicht wagten und bekam die volle Unterstützung nicht nur von Snow, sondern auch von seinem Verleger, dem Milliardär und Medienmogul Randolph Hearst.

Harper’s Bazaar Layouts von Alexey Brodovitch

Und noch eine absolute Novität brachte Brodovitch zum Bazaar. Seine europäischen Kontakte wurden für das Heft aktiviert. Jean Cocteau, A.M.Cassandre (hat das Saint Laurent Logo erfunden) Leonor Fini und Raoul Dufy begannen für das Heft zu arbeiten. Alle anderen Hefte zeigten die Outfits in Gänze. Brodovitch ließ die Photographen nur Details ablichten. Ein Outfit wurde fünf Mal verdoppelt und gezeigt, um zu Untermauern wie richtungsweisend das Modell ist. Modemagazine sollten laut seiner Ansicht Orientierung bieten – und zwar auf allen künstlerischen Gebieten.
Er erfand sogar eine eigene Typographie, die ‚Albro‘, die er auch bei Harper’s einführte. Er schrieb sich auf die Fahne, dass der Leser einen Bogen zwischen der Realität und seiner eigenen Phantasie sehen sollte. Er war ein Radikalist und hat viel getan was heute noch gültig ist und Modezeitschriften unnachahmlich geprägt hat.

Harper’s Bazaar Layouts von Alexey Brodovitch

Später hatte er nicht mehr so ein Glück, Harper’s Bazaar zahlte ihm leider nur eine winzige Rente und seine finanzielle Situation war aufgrund seiner Kompromisslosigkeit nicht gut, da er sich oft mit Kunden überwarf. Nach dem Tod seiner Frau wurde er zunehmend depressiv und zog zusammen mit seinem Sohn Nikita zurück nach Frankreich, wo der Rest seiner Familie lebte.
Er starb verarmt in Le Thor in Südfrankreich 1971 – ein Jahr später wurde er in die Hall of Fame des Art Directors Club aufgenommen. Für mich ist Brodovitch heute noch so aktuell wie damals und vielleicht gibt es ja mal wieder bei einem Modemagazin einen Art Director, der so avantgardistisch ist – ich würde das Magazin sofort kaufen und sicherlich viele andere auch.

Bild 2 via Hana Tsukamoto; Bild Alexey Brodovitch: Richard Avedon

  • Monsieur_Didier
    6. August 2012 at 09:52

    …DANKE für diesen Artikel Peter…

    …als ich ihn las warde ich direkt an Neville Brody erinnert, der Anfang bis Mitte der 80er das Layout von The Face“ maßgeblich beeinflusste…
    ich hab noch etliche dieser Ausgaben und wenn man sie heute durchblättert kann man nachvollziehen, wie bahnbrechend und aussergewöhnlich sie waren und auch immer noch sind…

    …wenn man die beiden Cover der Bazaar von 1947 uns 1946 sieht dann merkt man, dass sie ein absolutes Novum für ihre Zeit waren…
    Bilder wie „THE ULTRA VIOLETTS“ müssen für einen Sturm bei den Sehgewohnheiten gesorgt haben…

    nochmals DANKE für einen sehr tollen Artikel…!

  • Volker
    6. August 2012 at 10:37

    Immer wieder spannend ein Stück Geschichte geliefert zu bekommen!

  • Siegmar
    6. August 2012 at 14:23

    ich liebe es solche guten Artikel zu lesen.

  • Alexey Brodovitch | Horstson
    1. September 2013 at 16:52

    […] Leser werden es bemerkt haben – diesen Artikel gab es schon mal. Der Artikel erklärt sehr gut, warum es Harper’s Bazaar zu Weltruhm gebracht hat und […]